Die Zusammenarbeit in virtuellen Teams über kulturelle Grenzen hinweg kann vor allem bei größerer Kulturdistanz wie zu Indien herausfordernd sein. Ein regelmäßiger Austausch verbessert die Arbeitsbeziehungen und erhöht das gegenseitige Verständnis.
Virtuelle Teams zwischen Österreich und Indien
Ein österreichisches Unternehmen arbeitet sehr eng mit der Niederlassung in Südindien zusammen. Die indisch-österreichischen Teams kommunizieren per Video-Calls und Emails. Aber damit die Zusammenarbeit wirklich gut funktioniert, wird ein regelmäßiger Austausch ermöglicht: Indische Mitarbeitende kommen für zwei bis drei Wochen in die österreichische Zentrale und die österreichische Teamleitung fliegt regelmäßig nach Südindien in die Niederlassung.
„Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Es macht viel aus, sich persönlich kennenzulernen. Die Kommunikation verbessert sich schlagartig und Vertrauen wird aufgebaut. Man lernt einander besser und vor allem persönlich kennen,“ so der HR-Manager. Auch die Geschäftsführung unterstützt diesen Austausch sehr.
Der Austausch fördert nicht nur das gegenseitige Verständnis, er erleichtert vor allem die Gewöhnung an die Besonderheiten im indischen Englisch und in der Kommunikationsweise generell und ermöglicht Einblicke in die engmaschigen Hierarchien in Indien.
Im Folgenden möchte ich mich auf einige Herausforderungen indisch-österreichischer Teams konzentrieren und ein paar Best Practises anführen.
Englisch ist nicht Englisch
Englisch ist Lingua Franca und bietet natürlich einen großen Vorteil für die Kommunikation im Arbeitsleben. In der Praxis sind Mitarbeitende jedoch mit einer Vielzahl an englischen Sprachen konfrontiert: US-Englisch, Britisches Englisch, Kanadisches Englisch, Englisch der nicht-native Sprechenden und indisches Englisch. Letzteres erweist sich immer wieder als Herausforderung, sofern man in diese Version des Englischen nicht eingehört ist.
Indisches Englisch birgt mehrere Herausforderungen:
- Inderinnen und Inder, vor allem aus dem Süden, sprechen sehr schnell Englisch: Dies geht darauf zurück, dass die südindischen (drawidischen) Sprachen zu den am schnellsten gesprochenen Sprachen der Welt gehören.
- Indischer Akzent: In Indien gibt es sehr viele Sprachen und die meisten Inder sprechen mehrere indische Sprachen neben Englisch. Englisch wird dann tendenziell mit dem Akzent der Muttersprache gesprochen. Darüber hinaus haben Inderinnen eher einen britischen Akzent, es sei denn sie lebten längere Zeit in den USA oder Kanada.
- Wortschatz, Idiome, Ausdrücke: die englische Sprache in Indien hat sich natürlich eigenständig entwickelt und zahlreiche Ausdrücke und Phrasen werden aus den jeweiligen indischen Sprachen übernommen und sind daher für Europäer ungewöhnlich oder nicht gut verständlich.
Hierarchien sind komplex
Die indische Gesellschaft ist hierarchisch strukturiert und es ist bedeutend, welche soziale Position eine Person einnimmt; in indischen Familien sind die Rollen hierarchisch verteilt und in Unternehmen gibt es ein viel engmaschigeres Netz an hierarchischen Strukturen als in österreichischen Unternehmen. Daraus können sich Missverständnisse ergeben, wenn es darum geht, die richtige Ansprechperson auf der gleichen Hierarchieebene zu finden.
Darüber hinaus ist es in der indischen Kultur nicht üblich, höher gestellte Personen zu kritisieren oder zu korrigieren, anderer Meinung zu sein, ihnen gegenüber die eigene Meinung zu vertreten oder zu demonstrieren mehr zu wissen als sie.
Dieses äußerst respektvolle Verhalten gegenüber der höher stehenden Person impliziert den bedeutenden Wert des Gesicht-Wahrens, den es auch in anderen – vorwiegend asiatischen Kulturen – gibt.
Das führt uns zum nächsten Aspekt.
Ein Ja ist nicht immer ein Ja
Eine weitere Besonderheit im indischen Kommunikationskontext ist der verinnerlichte Widerstand gegenüber negativen Aussagen. Bevor ein Nein klar und deutlich ausgesprochen werden kann, gibt es jede Menge an Ausdrucksweisen, die den Sprecher vor diesem direkten und harten Wort verschonen.
Ein Ja erweist sich in der Praxis mitunter als leere Worthülse und rein höfliche Antwort. Daher ist immer der Kontext wichtig, wie ein Ja verstanden werden könnte. Weitere Erläuterungen wie „Das sollte möglich sein“, „Das sollte kein Problem sein“, „Die Chancen stehen sehr gut“ sind Indikationen für eine positive Antwort. Dennoch sollte konkret nachgefragt werden.
Ein Nein hört man selten. Hinweise auf ein Nein könnten sein: Wiederholtes Fragen wie „Nächste Woche?“, Rückfragen „Ist für Sie nächste Woche gut?“, Zögern, verspätete Antwort, keine Antwort. In all diesen Fällen lohnt es sich, konkret nachzufragen und sein Anliegen nochmals mit zusätzlichen Details zu konkretisieren.
Zusammenfassung
- Ein regelmäßiger Austausch und gegenseitige Besuche der jeweiligen Teams in den Niederlassungen fördern das Verständnis und die gute Arbeitsatmosphäre. In Indien werden Beziehungen am Arbeitsplatz großgeschrieben, daher punktet man mit einem solchen Austauschprogramm. Derartige Arbeits-Trips werden als Auszeichnung gesehen und erhöhen die Motivation und Mitarbeiterbindung.
- Das Angebot an interkulturellen Trainings für beide Seiten, um das gegenseitige kulturelle Wissen für beide Teams zu vergrößern, ist nicht nur nützlich, sondern gilt auch als Zeichen der Wertschätzung.
- Einblicke in die Besonderheiten der indischen oder auch österreichischen Kommunikationsweise könnten auch in kürzeren online Einheiten immer wieder angeboten werden, um einen Gewöhnungseffekt zu erzielen. Die sprachlichen Besonderheiten werden dabei immer wieder in Erinnerung gerufen und eingeübt.
Österreichisch-indische virtuelle Teams | Kulturellen Austausch fördern