Gehaltstransparenz gewinnt in Unternehmen immer mehr an Bedeutung, da sie nicht nur zur Förderung von Gerechtigkeit beiträgt, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, die Performance und das ESG-Reporting hat.
Gast-Beitrag von Celina Fischer und Sonja Liebing, BDO Austria
Die traditionelle Maxime, dass über Geld nicht gesprochen wird, verliert in der modernen Arbeitswelt zunehmend ihre Daseinsberechtigung. Doch was genau bedeutet Gehaltstransparenz für die Arbeitswelt von heute und welche Vorteile und Herausforderungen bringt sie mit sich?
Vorteile
Deshalb lohnt sich Gehaltstransparenz im Unternehmen
Ein zentraler Punkt der Gehaltstransparenz ist die damit verbundene Veränderung der Unternehmenskultur. In Organisationen, in denen Gehaltsinformationen offen zugänglich sind, entsteht oft eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens. Mitarbeitende haben weniger das Gefühl, dass hinter verschlossenen Türen über ihre Entlohnung entschieden wird, sondern erleben die Lohnpolitik als nachvollziehbar und fair. Studien belegen, dass Transparenz über Gehaltsschemata das Vertrauen innerhalb des Teams stärken kann. Dieses Vertrauen stellt einen Schlüsselfaktor für die Mitarbeitermotivation und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz dar.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Auswirkung von Gehaltstransparenz auf die Performance der Mitarbeitenden. Offenheit in Bezug auf Gehaltsstrukturen kann zu einem leistungsfördernden Arbeitsumfeld führen und den Wettbewerb innerhalb der Belegschaft fördern. Wenn Mitarbeitende wissen, wie sie durch bessere Leistungen höhere Gehaltsstufen erreichen können, steigt ihre Motivation, Ziele zu erreichen und ihre eigene Produktivität zu steigern. Wir wissen, dass Transparenz in Gehaltsfragen zu einer Erhöhung der individuellen Leistung führt, da die Mitarbeitenden nachvollziehen können, welche Schritte für die Erreichung einer höheren Vergütung erforderlich sind.
Risiken
Die Risiken dürfen dennoch nicht außer Acht gelassen werden
Neben den genannten Vorteilen können jedoch auch negative Effekte auftreten, insbesondere wenn die Transparenz zu einer starken Konkurrenzsituation führt, z.B. wenn sich deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Mitarbeitenden zeigen, die als ungerecht empfunden werden. Dies kann wiederum die Arbeitszufriedenheit einzelner Mitarbeitender sowie die Zusammenarbeit innerhalb von Teams beeinträchtigen.
Wir sehen, das Gleichgewicht zwischen individueller Leistungsförderung und kooperativer Zusammenarbeit zu halten, ist elementar, wenn auch nicht immer einfach. Ein erster sinnvoller und maßgeblicher Schritt in diesem Prozess ist es daher, überhaupt eine marktkonforme Vergütung sicherzustellen. Nur wenn die Gehälter den Marktstandards entsprechen, kann Gehaltstransparenz effektiv dazu beitragen, Fairness und Vertrauen im Unternehmen zu fördern. Darüber hinaus ist es wesentlich, dass Unternehmen nicht nur über die Höhe der Gehälter informieren, sondern auch die Kriterien offenlegen, die zur Festlegung dieser führen. Dadurch lässt sich auch die Akzeptanz für Gehaltsunterschiede in der Belegschaft erhöhen.
ESG-Reporting & Gehaltstransparenz
Wie das ESG-Reporting und die Gehaltstransparenz zusammenhängen
Gehaltstransparenz gewinnt nicht nur im internen Unternehmenskontext, sondern auch im Rahmen des ESG-Reportings und damit für externe Stakeholder (Kunden, Bewerberinnen, Lieferanten) an Bedeutung. Im sozialen Nachhaltigkeitsaspekt (Social) des ESG-Ansatzes nehmen transparente Lohn- und Gehaltspolitik einen hohen Stellenwert ein. Transparenz in dieser Hinsicht signalisiert ein Engagement für Fairness und Chancengleichheit, was das Unternehmensimage positiv beeinflussen kann.
Gemäß der ESRS-Standards S1-10 (Angemessene Entlohnung) und S1-16 (Vergütungsparameter) sowie der Lohntransparenzrichtlinie sind Unternehmen nun dazu verpflichtet, ihre Gehaltsparameter transparent offenzulegen. Das macht Transparenz für betroffene Unternehmen zur Pflicht – wird diese also bereits im Unternehmensalltag gelebt, stellt das jährliche Reporting einen weniger aufwendigen und kritisch beäugten Prozess dar.
Wichtig ist auch, dass Unternehmen, die Gehaltstransparenz in ihren ESG-Berichten hervorheben, ihre Attraktivität gegenüber potenziellen Investorinnen oder Mitarbeitenden erhöhen. Als Unternehmen vermitteln sie damit, dass sie einen Beitrag zur Verringerung von Einkommensungleichheit leisten und sich ihrer Verantwortung als Arbeitgebende bewusst sind. Transparenz in der Vergütungspolitik kann zudem helfen, Diskriminierung in Bezug auf Geschlecht, Ethnie oder andere Merkmale abzubauen und eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zu fördern.
Fazit
Ein Schlüssel zu Vertrauen und Erfolg in Unternehmen
Gehaltstransparenz ist ein bedeutender Hebel, um Unternehmenskultur, Performance und soziale Verantwortung positiv zu beeinflussen. Sie fördert Vertrauen, Motivation und Gerechtigkeit. Jedoch bringt sie auch Herausforderungen mit sich, insbesondere ein erhöhtes Konfliktpotenzial und eine Konkurrenzsituation in der Belegschaft. Ein transparenter und nachvollziehbarer Ansatz, der die Beweggründe hinter Gehaltsentscheidungen erklärt, kann die Vorteile von Gehaltstransparenz maximieren und die negativen Auswirkungen minimieren. Unternehmen, die diese Aspekte berücksichtigen, können nicht nur ihre internen Strukturen verbessern, sondern auch im ESG-Kontext an Glaubwürdigkeit gewinnen – und damit nachhaltig erfolgreich sein.
Was ist Ihre Meinung zum Thema Gehaltstransparenz? Ist es in Ihrer Organisation bereits ein Thema oder noch immer ein Tabu? Teilen Sie Ihre Erfahrungen und Gedanken dazu gerne mit uns.
„Über Geld spricht man nicht“ – oder doch?
Quellen
- Personio. (2024). Transparenz beim Gehalt erhöht das Vertrauen und Mitarbeiterengagement. https://www.personio.de/ueber-uns/presse/transparenz-vertrauen-studi
- Bamberger, P., & Belogolovsky, E. (2010). The impact of pay secrecy on individual task performance. Personnel Psychology.
- Card, D., Mas, A., Moretti, E., & Saez, E. (2012). Inequality at work: The effect of peer salaries on job satisfaction. American Economic Review.
- Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen
- Glassdoor. (2022). Why We All Need Pay Transparency. https://www.glassdoor.co.uk/blog/pay-transparency/
- European Commission. (o.D.). Gender equality strategy. Achievements and key areas for action. https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/policies/justice-and-fundamental-rights/gender-equality/gender-equality-strategy_en
Gast-Autorinnen
Sonja Liebing MSc, ist studierte Psychologin und Expertin für Persönlichkeits- und Organisationsdiagnostik sowie mitarbeiterzentrierte Organisationsstrukturen und Vergütung.
Celina Fischer BA, ist HR-Beraterin und angehende Projektmanagerin mit Fokus auf Entwicklung effizienter Organisationsstrategien, strategischer Personalplanung und Unternehmenskommunikation.