Unser Praxis-Blick fällt heute auf die kleinen, feinen interkulturellen Unterschiede, die weit über die Sprachkompetenz hinausgehen.
Wir sehen von Österreich nach Osten Richtung China und nach Westen in die USA:
Experten-Interview
Links der HR-Branche: international HR
Ebenbürtige Gesprächspartner in China
Praxis-Lupe von Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting)
Die Verhandlungen zwischen einem österreichischen und einem chinesischen Unternehmen verliefen zäh. Mehrere virtuelle Meetings gab es schon und keines davon war befriedigend. Die chinesischen Partner wollten Details über die Produkte, die die österreichische Gegenseite nicht weitergeben wollten. Endlich wurde ein Meeting auf höchster Ebene vereinbart und beide CEOs tauschten Höflichkeitsfloskeln aus, die aber wichtig waren. Damit wurde die Absicht bekundet, weiter zu verhandeln.
Beim nächsten Termin, der zwischen den beiden CEOs vereinbart wurde, war der CEO der österreichischen Firma verhindert und er setzte seine persönliche Assistentin ein, die bestens geeignet war, die Verhandlung an seiner Stelle weiterzuführen.
Beim Meeting zog der chinesische CEO seine Augenbrauen hoch, sagte nichts und hörte sich die Präsentation der jungen Assistentin an, die ihren Chef vertrat. Als sie fertig war, meinte er nüchtern, das wäre ja ganz nett gewesen, aber er verhandle nur mit seinem Counterpart und nicht mit seiner Vertreterin, noch dazu ohne Vorankündigung. Er erwarte ein neues Meeting mit ihrem Chef. Dann verließ er das virtuelle Meeting ohne weitere Worte.
Die Assistentin war perplex und fühlte sich hintergangen. Warum hörte er sich dann ihre gesamte Präsentation an, ohne ein Wort zu sagen, wenn er mit ihr nicht sprechen wollte? Ihr Chef hat sie beauftragt, ihn beim Meeting zu vertreten. Sie war damit ebenbürtig.
Dieses Denken ist leider sehr europäisch. In China gilt, dass Verhandlungen auf höchster Ebene immer mit den hierarchisch entsprechenden Counterparts geführt werden. Und Überraschungen, wie in diesem Fall eine Vertretung ohne Vorankündigung eingesetzt wurde, wären auf jeden Fall zu vermeiden.
Wenn pure Sprachkenntnisse in den USA nicht ausreichen
Praxis-Lupe von Dr. Elke Framson (Transatlantic Coaching & Training)
Der Österreicher Paul trat seine erste Dienstreise in die USA an. Er war vor kurzem zum Manager North American Exports aufgestiegen und die Reise war eine großartige Gelegenheit für ihn, seine Kompetenz unter Beweis zu stellen.
Ziel des zweitägigen Besuchs beim amerikanischen Vertriebspartnerunternehmen war es, diverse Optimierungen zu besprechen. Am ersten Morgen gab es eine kurze Führung durch das Unternehmen, bevor man im Konferenzzimmer Platz nahm. Neben Paul waren John, der Gründer und Geschäftsführer der US-Firma, und vier weitere Mitarbeitende anwesend. Die Atmosphäre war locker und freundlich. Im Meeting ging man rasch zur Tagesordnung über und John präsentierte mit Hilfe einer Flip Chart eine Liste von Vorschlägen zur Verbesserung bestehender Schwachstellen.
Paul hörte aufmerksam zu. „Paul, what are you guys thinking?“ war sein Startschuss. Er wusste, dass man in den USA gerne „straight to the point“ kommt und erklärte direkt und ohne Umschweife, warum einige von Johns Punkten so einfach nicht funktionieren würden und was man anders machen müsse. John reagierte mit einem höflichen, „Thanks Paul. I appreciate your comments.“ Irgendwie war die Stimmung im Raum aber nicht mehr so entspannt wie vorhin. Paul spürte die Spannung auch, führte sie aber darauf zurück, dass er nicht allen Vorschlägen zugestimmt hatte. Wahrscheinlich sind die Amis Pushback einfach nicht gewöhnt. Pauls Interpretation der Situation war falsch. John hatte kein Problem damit, dass Paul Gegenvorschläge einbrachte, er fand es aber inakzeptabel, wie er das machte. Außerdem konnte er mit dieser negativen „It won’t work“-Mentalität nichts anfangen. Seine eigenen kulturellen Normen hielten ihn jedoch davor zurück, Paul das offen zu sagen. Die Kommunikationskluft war perfekt.
Der Glaube, gute Englischkenntnisse würden reichen, um international erfolgreich zu kommunizieren, ist ein Trugschluss. Englisch ist nicht nur eine globale Sprache, sondern auch ein lokales Kommunikations-Tool mit kulturspezifischen Interaktionsnormen. Werden diese gebrochen, dann kommt es zu Verstimmungen, die sich recht unmittelbar aber leider auch langfristig negativ auf die Beziehung auswirken, da sie meinungsbildend sind. Beziehungsaufbau braucht gezielte Vorbereitung auf die Kommunikationsnormen der konkreten Märkte und vor allem auch die Erkenntnis, dass Englischkenntnisse allein gut, aber meist nicht gut genug sind.
Interviewte Personen
Praxis-Lupen | Interkulturelle i-Tüpfelchen in der Kommunikation
Dr. Karin Schreiner
- Inhaberin
- Intercultural Know How – Training & Consulting
- Unternehmens-Profil
- www.iknet.at
Dr. Elke Framson
- Communication Coach & Cross-Cultural Trainer USA
- Transatlantic Coaching & Training
- Unternehmens-Profil
- www.transatlantic-coaching.com