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Effektive Inklusion und Integration als Aufgabe für Unternehmen: Herausforderung und Chance

13Dez2024
6 min
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Inhalt
Inklusion und Diversität sind mehr als Prinzipien – sie sind der Schlüssel zu einer gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft. Unternehmen haben die Chance, diese Werte zu leben und dabei ihre Kultur und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Gast-Beitrag von Sarah Schirgi, BDO Austria

Dieser Beitrag zeigt, wie gezielte Maßnahmen nicht nur rechtliche Vorgaben erfüllen, sondern eine wirklich inklusive Arbeitswelt schaffen können.

Der sozialen Dimension von ESG gerecht werden

Laut Sozialministerium sind rund 1,9 Millionen Österreicherinnen und Österreicher im Alter von 15 bis 89 Jahren aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten beeinträchtigt und gelten nach der GALI-Definition als Menschen mit Behinderungen. Das bedeutet, dass einem Viertel der österreichischen Bevölkerung eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft verwehrt bleibt. Die berufliche Teilhabe spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie ein entscheidender Schlüssel zur gesamtgesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderungen ist (Menschen mit Behinderungen in Österreich I).

Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verstärkt sich die EU-weite Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in einer Vielzahl von Nachhaltigkeitsaspekten. Dazu zählen Umweltrechte, soziale Rechte, Menschenrechte sowie Governance-Faktoren. Zudem müssen Nachhaltigkeitsbelange verstärkt in der Unternehmensorganisation berücksichtigt werden.

Ab 2025 kommt die Richtlinie für eine große Anzahl an betroffenen Unternehmen zur Anwendung und bedeutet für diese ebenso, dass sie sich an die EU-weit vereinheitlichten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) halten müssen.

Die ESRS schaffen durch die Festlegung einheitlicher Standards Transparenz, Messbarkeit und Vergleichbarkeit in festgelegten ESG-Aspekten. Somit steigt der Druck auf Unternehmen, ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren und fairen Gesellschaft zu leisten und dies auch nachzuweisen. Ein Bereich der ESG-Prinzipien, der besondere Aufmerksamkeit verdient, ist das Thema Inklusion und Diversität am Arbeitsplatz. Dieses wird im Folgenden näher beleuchtet.

Vorteile für Unternehmen

Welche Vorteile hat es für Unternehmen, sich um Inklusion und Integration am Arbeitsplatz zu bemühen?

Die Förderung einer inklusiven und diversen Unternehmenskultur schafft ein faires Arbeitsumfeld, in dem unterschiedliche Fähigkeiten, Hintergründe und Perspektiven berücksichtigt werden. Das Wertschätzen vielfältiger Talente und Ideen führt zu innovativeren Lösungsansätzen, besseren Ergebnissen und mehr Resilienz in Teams. Zudem werden Diskriminierung und dem Ausschluss von Personen besser vorgebeugt.

Studien zeigen, dass ein Gefühl von Zugehörigkeit zu höherer Leistungsfähigkeit, weniger Personalfluktuation und weniger Krankheitstagen führt. Ein entscheidender Faktor für das Entstehen von Zugehörigkeitsgefühl ist die Vielfalt im Unternehmen und im Team. Die Förderung von Diversität und Inklusion kann somit ein wesentliches Einsparungspotenzial darstellen (Die europäische Krise der sozialen Verbundenheit: Darum ist Gemeinschaft in der neuen Arbeitswelt so wichtig).

Auch für die Arbeitgeberattraktivität sind gelebte Diversität und Inklusion von wachsender Bedeutung. Laut einer Studie der Internationalen Hochschule wünschen sich 75% der Studierenden und Auszubildenden die aktive Förderung von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz. Die Bemühung um Chancengleichheit und eine inklusive Unternehmenskultur sowie das Schaffen einer barrierefreien Arbeitsumgebung zählen dabei zu den wichtigsten Maßnahmen (diversity-und-inklusion-in-unternehmen-2024.pdf).

Darüber hinaus stehen Unternehmen in Österreich mehrere Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten für ihr soziales Engagement zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem Folgende:

  • Inklusionsbonus für Lehrlinge: Die Höhe des Bonus richtet sich nach der jeweils gültigen Ausgleichstaxe und beträgt derzeit monatlich EUR 320.
  • Inklusionsförderung: Die Förderung entspricht 30% des Bruttogehalts (ohne Sonderzahlungen), wobei die monatliche Obergrenze bei EUR 1.000 liegt. Das Bruttogehalt muss dabei über der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Anspruchsberechtigt sind Unternehmen mit 25 oder mehr Mitarbeitenden.
  • InklusionsförderungPlus: Die Förderung entspricht 37,5% des Bruttogehalts (ohne Sonderzahlungen), wobei die monatliche Obergrenze bei EUR 1.250 liegt. Das Bruttogehalt muss dabei über der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Anspruchsberechtigt sind Unternehmen mit weniger als 25 Mitarbeitenden.
  • Entgeltzuschuss: Bei der Beschäftigung begünstigter Behinderter kann zum Ausgleich von behinderungsbedingten Leistungseinschränkungen ein Entgeltzuschuss beantragt werden. Berechnungsbasis ist das monatliche Bruttoentgelt ohne Sonderzahlungen, zuzüglich einer Pauschalabgeltung für die Lohnnebenkosten von maximal 50%. Je nach Ausmaß der festgestellten Leistungsminderung beträgt der Zuschuss bis zu 50% der Bemessungsgrundlage, maximal jedoch monatlich in Höhe der dreifachen Ausgleichstaxe.
  • Das Netzwerk Berufliche Assistenz (NEBA) ist eine Initiative des Sozialministeriumsservice und bietet ein kostenloses Dienstleistungsangebot für Menschen mit Beeinträchtigungen und Unternehmen. Dazu gehören Angebote für Jugendliche mit Behinderung oder Benachteiligung beim Übergang von Schule zu Beruf, die Berufsausbildungsassistenz für Lehrlinge, die Arbeitsassistenz oder das Jobcoaching.

Auswirkungen für Unternehmen

Welche Auswirkungen hat es auf Unternehmen, keinen Beitrag zu einer inklusiven Arbeitswelt zu leisten?

Das Sozialministerium legt fest, dass Arbeitgebende, die in Österreich 25 oder mehr Menschen beschäftigen, auf je 25 Arbeitnehmende mindestens eine begünstigte behinderte Person einstellen müssen.

Kommt ein Unternehmen dieser Beschäftigungspflicht nicht nach, muss ein Ausgleichsbeitrag für jede nicht besetzte Pflichtstelle an den Ausgleichstaxfonds gezahlt werden. Die Mittel dieses Fonds werden vor allem für die berufliche und soziale Förderung von Menschen mit Behinderung verwendet (Ausgleichstaxe und Prämie).

Warum Unternehmen zögern

Was hält Unternehmen davon ab, Menschen mit Behinderung berufliche Teilhabe zu ermöglichen?

Oft liegt es an wenig hinterfragten Mythen, dass sich Arbeitgebende nicht für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung öffnen. Ein paar dieser Mythen werden wir im Folgenden genauer betrachten:

„Nur durch die Beschäftigung von schwerstbehinderten Personen kann ich als Arbeitgebende einer Ausgleichtaxe entgehen.“

Der Ausgleichstaxfonds sieht nach oben erwähnten Voraussetzungen eine Beschäftigungspflicht von begünstigten behinderten Personen vor, also Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50%. Dazu zählen viele Arten der Beeinträchtigung, wie z.B. Diabetes oder Autismus. Die Beschäftigung einer Person mit schwerer Behinderung hingegen wird doppelt auf die Pflichtzahl angerechnet.

„Ein begünstigter behinderter Mitarbeitender hat ‚Narrenfreiheit‘ und ist unkündbar. Entlassungen sind nicht möglich.“

Für Dienstverhältnisse, die ab dem 1.1.2011 neu begründet werden, gelangt der besondere Kündigungsschutz für einen Zeitraum von vier Jahren nicht zur Anwendung. Ausnahmefälle sind im Gesetz abschließend aufgezählt. Bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes kann demnach auch ein begünstigter behinderter Arbeitnehmer unverzüglich entlassen werden.

„Ein begünstigter behinderter Mitarbeitender hat mehr Anspruch auf Erholungsurlaub.“

Ein Zusatzurlaub ergibt sich weder aus dem Urlaubsgesetz noch aus sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Ein Anspruch auf Zusatzurlaub kann sich nur aus dem Kollektivvertrag oder aus einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ergeben.

„Die Einstellung einer begünstigten behinderten Person verursacht für mich als Unternehmerin Mehrkosten.“

Für Bezüge, die an eine begünstigte behinderte Person ausbezahlt werden, sind außer den Sozialversicherungsbeiträgen keine Lohnnebenkosten zu entrichten. Somit werden mögliche Mehrkosten, die durch geringere Produktivität verursacht werden, zum Teil ausgeglichen. Zusätzlich wurden bereits einige nichtmonetäre Vorteile einer diversen und inklusiven Unternehmenskultur, wie eine höhere Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität erwähnt, die schlussendlich ebenso zum materiellen Unternehmenserfolg beitragen können.

Wie man sieht, handelt es sich häufig schlichtweg um falsche Annahmen, die gelebter Diversität im Weg stehen. Die Förderung von Inklusion und Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die das Mitwirken aller erfordert. Unternehmen tragen die Verantwortung, Rahmenbedingungen und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die echte Teilhabe ermöglichen und systemische Ungleichheiten abbauen. Das Erfüllen von Richtlinien, Standards und Pflichten sollte dabei nicht als Selbstzweck oder rein bürokratische Notwendigkeit angesehen werden, sondern als wichtiger Beitrag zu einem größeren, gemeinschaftlichen Ziel: einer gerechten Gesellschaft.

Es ist entscheidend, die notwendigen Informationen bereitzustellen und ein Bewusstsein für die Vorteile von Vielfalt und Diversität zu fördern. Insbesondere der Zugang zu Informationen und Fördermaßnahmen ist oft mit hohen Hürden verbunden und sollte deutlich erleichtert werden. Mit unserem Beitrag möchten wir Mut machen und zeigen: Viele haben bereits den Schritt gewagt und beeindruckende Erfolge erzielt.

Foto: © BDO | Benjamin Weiss
Effektive Inklusion und Integration als Aufgabe für Unternehmen: Herausforderung und Chance

Gast-Autorin

Sarah Schirgi BA, MSc, ist HR-Beraterin bei BDO und angehende Projektmanagerin mit Fokus auf Personalentwicklung und organisationale Veränderungsprozesse.

www.bdo.at/…/people-organisation

Sarah Schirgi, BDO Austria

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