Eltern – die unterschätzte Geheimwaffe im „War for Talents“

25Feb2025

4 min

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Wollen Arbeitgebende im „War for Talents“ bestehen, muss Beruf und Familie intelligent verknüpft werden – durch nachhaltige und individuell angepasste Lösungen. Das strategische Karenzmanagement ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.

Gast-Autorin: Tabea Reicher

Fachkräftemangel & Familienfreundlicheit

Neue Talente im Fachkräftemangel anzuziehen ist herausfordernd…

Der österreichische Arbeitsmarkt befindet sich in einem dramatischen Umbruch. Während Unternehmen zunehmend unter wirtschaftlichem Druck stehen, verschärft sich gleichzeitig der Arbeits- und Fachkräftemangel zunehmend: 2023 hatten 82 % der mittelständischen Unternehmen Schwierigkeiten, ausreichend qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Das unausgeschöpfte Potenzial liegt oft direkt vor der Haustür: bei Eltern in Karenz.

… und dennoch lassen viele ihre besten Mitarbeiterinnen einfach gehen.

25% der Eltern liebäugeln mit Kündigung und jede dritte Mutter kehrt nach der Elternkarenz nicht in ihr ursprüngliches Unternehmen zurück – primär aufgrund der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zusätzlich reduzieren 71 % der Eltern ihre Arbeitszeit nach der Karenz, wobei immerhin 68% mittelfristig sich eine Rückkehr in Vollzeit wünschen.

Doch Personalflucht ist für Unternehmen äußerst teuer, …

Eine zentrale Erkenntnis ist, dass die Mitarbeiterbindung der Kundenpflege ähnelt. Investitionen in die Bindung bestehender Schlüsselkräfte sind langfristig günstiger als der permanente Kampf um neue Talente. Eine Nachbesetzung kostet mindestens 14.000 Euro, bei Führungskräften und Spezialisten sogar bis zu 100.000 Euro.

… daher ist Familienfreundlichkeit auch eine strategische Investition.

Die Förderung von Vielfalt, Inklusion und sozialer Verantwortung gewinnt vor dem Hintergrund wachsender DEI/ESG-Anforderungen zunehmend an Bedeutung. 60% der befragten Unternehmen wollen den Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen. Das geht nur mit nachhaltigen und individuell angepassten Lösungen, die Beruf und Familie intelligent verknüpfen. Moderne Unternehmen erkennen: Familienfreundlichkeit ist keine Kostenfrage, sondern eine strategische Investition.

Strategisches Karenzmanagement

Strategisches Karenzmanagement ist ein zielgerichtetes Puzzleteil davon, …

Es beginnt lange vor dem ersten Karenztag und endet nicht mit der Rückkehr in den Beruf. Wer ein professionelles Karenzmanagement als echten Game Changer gegen den Fachkräftemangel und zur Erreichung zentraler Unternehmensziele nützen möchte, muss es fest in die Unternehmensstrategie integrieren. Dazu gehört die Definition relevanter KPIs, die regelmäßig gemessen und berichtet werden, um Fortschritte zu dokumentieren und zu steuern. Auf operativer Ebene liegt der Fokus auf der Schulung von Recruitern und Führungskräften, insbesondere in Bias-Prävention, um Diskriminierung und unbewusste Vorurteile zu vermeiden.

… vorausgesetzt man kennt die drei Erfolgsbausteine…

Um ein effektives Karenzmanagement zu etablieren, müssen drei Kernvoraussetzungen erfüllt werden:

Gelebte Unternehmenskultur: Eine inklusive Kultur sorgt dafür, dass Schwangerschaft, Karenz oder Teilzeitmodelle nicht als Hindernis, sondern als Normalität betrachtet werden.
Karriereklarheit und Vereinbarkeit für Eltern: Eltern brauchen die Sicherheit, dass ihre berufliche Entwicklung während und nach der Karenz gesichert ist sowie Flexibilität gegeben wird.
Planungssicherheit für Führungskräfte: Transparenz und klare Prozesse erleichtern den Ausfall und die Rückkehr zu managen.

… und legt den Fokus auch auf Führungskräfte.

Oftmals erhält die Schlüsselfigur „direkte Führungskraft“ die wenigste Aufmerksamkeit in Karenzmanagement-Konzepten. Sie entscheidet aber über flexible Arbeitszeiten, spannende Projekte und die reale Integration im Team. Die besten Konzepte scheitern, wenn Führungskräfte sie nicht mittragen oder sogar untergraben: People quit bosses, not jobs.

Zukunftsinvestment

Von der Kostenstelle zum Zukunftsinvestment, …

Wer Talente gewinnen und als qualifizierte Mitarbeitende halten möchte, muss familienfreundliche Rahmenbedingungen als integralen Bestandteil in die Unternehmenskultur aufnehmen und diese auch umsetzen.

Somit ist klar: Strategisches Karenzmanagement ist kein „Nice-to-have“ mehr, sondern gehört zur zentralen Unternehmensstrategie.

… denn müssen Eltern zwischen Familie und Unternehmen wählen, zieht der Arbeitgebende den Kürzeren.

Proaktive Maßnahmen und die dazugehörige Unternehmenskultur können genau solche Entscheidungen verhindern und eine echte Win-win-Situation schaffen – für Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen.

Eltern – die unterschätzte Geheimwaffe im „War for Talents“

Literaturverzeichnis

Ernst & Young GmbH (2023): „EY-Studie: Beschäftigung und Fachkräftemangel im österreichischen Mittelstand“, Wien
StepStone Österreich GmbH (2024): „Working Parents & beyond“, Wien
Deloitte Österreich (2019): „Fluktuation und deren Auswirkungen auf Unternehmen“, Wien
Bundeskanzleramt (2024): „Handbuch zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für kleine und mittlere Unternehmen“, Wien
Deloitte Österreich (2019): „Frauen und Führung.“
Bundeskanzleramt, Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration (2021): „Frauen in Führungspositionen – Aktuelle Analysen zu Repräsentation und Rahmenbedingungen“, Wien

Gast-Autorin

Tabea Reicher ist derzeit in Karenz. Sie leitet in der Pochtler Industrieholding („iSi Group“) die Stabstelle „Future Operations“ mit dem Schwerpunkt der konzernweiten Entwicklung und Umsetzung von CSR-Projekten und der strategischen Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Als Gründerin von „Alles bisschen viel“ unterstützt sie Unternehmen mit maßgeschneiderten Vereinbarkeits- und Karriere-Programmen für Führungskräfte und Eltern rund um den Wiedereinstieg nach der Elternkarenz.