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Wie wir KI wirklich sinnhaft nutzen

12Feb2025
5 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Es ist nicht die bloße Technologie der künstlichen Intelligenz, die Unternehmen weiterbringt, sondern die erweiterte Möglichkeit, komplexere Probleme zu lösen.

Gast-Beitrag von Dominik Lammer, BDO Austria

Zwei Jahre nach dem ersten großen KI-Hype finden sich KI-gestützte Funktionen nicht mehr nur in Chatbots wie ChatGPT und Gemini, sondern auch in vielerlei Dienstleistungen und Unternehmensprozessen. Auch in der HR-Welt ist KI nicht mehr wegzudenken. Selbst Menschen-orientierte Veranstaltungen wie Power of People war 2024 „ganz im Zeichen von KI“, was jedoch nur ein kleines Beispiel der großen Reichweite ist, die KI in der HR erreicht hat, um der Neugierde von Personalverantwortlichen gerecht zu werden.

Doch die Umsetzung lässt noch auf sich warten. Fehlende Budgets und Zeit sowie die Angst, KI nicht sinngemäß einsetzen zu können, führen dazu, dass HR-Verantwortliche damit zögern, KI-Modelle und -Funktionen großflächig in ihrer Organisation auszurollen. Sie verzichten somit auf eine Vielzahl von Möglichkeiten durch neue Technologien.

KI sinngemäß nutzen und Budgets einholen

Die beiden häufigsten Probleme bei der KI-Implementierung haben eine gemeinsame Ursache: KI als Selbstzweck zu verwenden. So mitreißend die Begeisterung der HR an künstliche Intelligenz in der HR auch ist – so sehr ist sie auch gefüllt von Implementierungs-FOMO (Fear of Missing Out). Schon seit Beginn des KI-Hypes haben viele HR-Verantwortliche das Gefühl, bereits hinterher zu sein. Dieser Stress drängt dazu, sich mit KI beschäftigen zu müssen, um selbst mitwirken zu dürfen sowie auch aufholen zu können. Doch diesen Tunnelblick auf KI lenkt die Aufmerksamkeit weg von den tatsächlichen Problemen der Organisation. So geschieht es, dass Lösungen implementiert werden, die lediglich einem Selbstzweck verfolgen, aber keinerlei Probleme aus dem Weg schaffen. So kann es passieren, dass in einer Beispielsorganisation Lebensläufe KI-gestützt ausgelesen werden, aber eigentlich melden sich zu wenig passende Bewerbende.

Das weitere Problem ist das der fehlenden Budgets. Oft werden hervorragende Ideen gesponnen und Konzepte erarbeitet, nur um dann keine Freigabe zu bekommen. Diese scheitert meist aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden ROI-Berechnung. Auch wenn es in der HR meist sehr schwierig ist, jegliche Maßnahmen und Auswirkungen zu berechnen, hindert das nicht den Vorstand, eine Absage zu erteilen.

Die Antwort darauf, wie wir mit diesen Hindernissen am besten umgehen, ist vielleicht nicht die allseits genannte und bekannte Lösungsorientierung. Denn häufig bleibt dabei vor lauter Blick nach vorne das Verständnis für das tatsächliche Problem auf der Strecke. Wir empfehlen zur Abwechslung die Problemorientierung. HR-Fachkräfte haben oft ein sehr gutes Gespür für ihre Probleme. Doch genau dieses Gespür reicht häufig nicht aus, um diejenigen zu überzeugen, die es zu überzeugen gilt. Doch durch eine strukturierte Analyse und Messung des Problems wird nicht nur sichergestellt, dass eine (KI-)Lösung sinngemäß eingesetzt wird, sondern wird auch eine gemeinsame Faktenbasis mit Vorgesetzten geschaffen, um Budgets adäquat zu berechnen. Denn nur wer die Investition rechnerisch rechtfertigen kann, bekommt am Ende auch die nötige Finanzierung.

Ethik und Biases

Wenn man den heutigen Stand der Digitalisierung und der KI in der HR betrachtet, kann man fast nicht mehr glauben, dass eine der sehr frühen breit-bekannten KI-Funktionen für diesen Bereich entwickelt wurde. Bereits vor 2018 gab es KI-gestützte Recruiting-Tools, die in der Bewertung von Bewerbenden eingesetzt wurden. Jedoch machte diese KI nicht nur aufgrund ihrer Fortschritte Schlagzeilen, sondern vor allem wegen der ethisch-unvertretbaren Biases, die zur Benachteiligung von weiblichen Bewerbern führte. Das trug maßgeblich dazu bei, dass KI allgemein von HR-Verantwortlichen als unpassend für sensible Daten abgestempelt wurde. Heute zeigt sich jedoch, dass moderne KI-Systeme in der EU unter strikter Einhaltung der DSGVO arbeiten können – auch, wenn die Beachtung von Biases nach wie vor ein Thema ist.

Hier ist es wichtig zu bedenken, dass nicht alle KI-Modelle die gleichen Probleme mit sich bringen, sondern dass einige Anwendungsformen weniger anfällig für ethische Probleme sind als andere. So ist z.B. die Entscheidung, welche Personen eingestellt werden und welche nicht, eine höchst anfällige Anwendung. Während eine automatisierte Übersetzung von Dienstverträgen weniger ethische Anfälligkeiten mit sich bringt. Auch hier zeigt sich wieder, weshalb die Überlegung, welches Problem KI im Unternehmen wirklich sinnhaft lösen könnte, so relevant ist.

Sollte man dennoch das große Potential von KI-gestützter Datenanalyse anzapfen wollen, so ist ein interdisziplinärer regulatorischer Ansatz essenziell. Dieser kann in Form von AI Ethics Teams stattfinden, wo Experten und Expertinnen aus den Bereichen Data Science, Recht, Ethik und weiteren Spezialisierungen zusammenkommen, um Fairness sicherzustellen. Das Ziel für dieses Team ist es, Methoden, Richtlinien und vor allem spezialisierte (Bias Detection and Mitigation-) Tools einzusetzen, um Biases besser aufdecken und vermindern zu können.

Fehlende Zeit und Priorisierung

Aufgrund des „Teufelskreises der administrativen Belastung“ tun sich HR-Abteilungen (vor allem in KMU) oft schwer, viel Zeit und Aufmerksamkeit in Optimierungsprojekte zu investieren. Durch die Vielzahl an Verwaltungs- und Compliance-Auflagen und den engen Budgets sind HR-Teams meist sehr eng besetzt, womit wenig Zeit für strategische Planung bleibt, die für Digitalisierung so essenziell ist.

Wichtig ist hier, schrittweise kleine, realistische Optimierungen zu priorisieren, um Momentum aufzubauen. Fragen Sie sich also z.B., welche kleinen, repetitiven Aufgaben ihrem Team derzeit viel Zeit oder Aufwand kosten, welche Mitarbeitenden-Anfragen immer wieder aufkommen oder welche Kleinigkeiten schon immer so gemacht wurden, aber keinen wirklichen Mehrwert bringen. Nun prüfen Sie: Können Sie mit der internen IT zusammenarbeiten, um diesen repetitiven Handgriff zu automatisieren? Oder haben Sie einen IT-affinen Mitarbeitenden, der etwas Zeit für die Lösungsrecherche aufbringen kann?

Haben Sie diese eine halbe Stunde erst einmal freigespielt, beginnt der Schneeball zu rollen. Denn diese kann für weitere Optimierungen genutzt werden: Was ist der nächste Schritt, um unsere HR ein klein wenig effizienter zu machen? Früher oder später ist mehr Zeit bzw. Budget zur Verfügung und größere Digitalisierungsprojekte sind möglich. Ob zu diesem Zeitpunkt dann KI eingesetzt werden soll? Möglicherweise – das Wichtige ist jedoch, sich weiterhin auf die Probleme zu konzentrieren und zu finden, was genau Ihre individuelle Organisation weiterbringt. Es ist nicht die bloße Technologie der KI, die Unternehmen weiterbringt, sondern die erweiterte Möglichkeit, komplexere Probleme zu lösen.

Handlungsempfehlungen

Auch wenn die sinnvolle Nutzung von KI in der HR manchmal unmöglich erscheint, gibt es durchaus Wege zum Erfolg.

  1. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche: Welches tatsächliche Problem wollen Sie mit KI lösen? Ist KI dafür überhaupt notwendig? Welche Kosten ersparen Sie sich oder welchen messbaren Nutzen erhalten Sie durch das Lösen Ihres Problems?
  2. Verwenden Sie KI in Prozessen, die weniger anfällig für Biases sind, wie z.B. in der Administration.
  3. Gehen Sie bei KI in der Datenanalyse sicher, dass Sie ein interdisziplinäres Expertenteam zusammenstellen, das nachhaltig daran arbeitet, Biases aufzudecken und zu vermindern.
  4. Fangen Sie klein an und implementieren Sie Optimierungen Schritt für Schritt.

Wie wir KI wirklich sinnhaft nutzen

Gast-Autor

Dominik Lammer BA, ist HR-Berater und Organisationsentwickler bei BDO, der an der Schnittstelle zwischen HR und Technologie agiert. Mit Fokus auf digitale Transformation implementiert er neue Technologien im HR-Bereich, baut People Analytics für fundierte Personalentscheidungen auf und optimiert automatisiert HR-Prozesse.

www.bdo.at/…/people-organisation

Dominik Lammer, BDO Austria

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