„New Work“ wird immer noch oft als leere Hülse benutzt – Prof. Dr. Carsten C. Schermuly entlarvt im Interview gängige Missverständnisse und beschreibt, was wirklich hinter dem Konzept steckt.
Interview-Partner
Prof. Dr. Carsten C. Schermuly ist Direktor des Institute for New Work and Coaching (INWOC) an der SRH Berlin University of Applied Sciences und gilt als einer der profiliertesten Experten für New Work. Er hat zu New Work habilitiert und wurde mehrfach ausgezeichnet: Darunter zweimal unter die Top HR-Köpfe Deutschlands und 2024 als Top HR-Influencer des Personalmagazins.
Beim Corporate Culture Jam (25+26märz2025) können Sie Carsten Schermuly live zu seinem Thema erleben
www.corporate-culture-jam.at

Definieren wir mal New Work
New Work hat sich zu einem wichtigen Trendbegriff der Wirtschaftswelt entwickelt. Finden Sie das schwierig?
Grundsätzlich nicht. Teilweise verkommt New Work aber zu einer Art Container- Begriff. Jeder wirft in den Container rein, was er möchte, und holt auch wieder raus, was er will. Viele Betriebe instrumentalisieren ihn zusätzlich: „Wenn ich in meinem
Unternehmen Open Space-Büros einführen möchte, dann nenne ich das New Work. Das hört sich hübscher an.“ Der Begriff wird wie ein Schleifchen um Transformationen gepackt.
Wie definieren Sie „New Work“?
Es ist ein alter Begriff, der von Frithjof Bergmann in die Literatur eingeführt wurde. Bergmann erdachte sich eine Sozialutopie, in der Arbeit zu etwas wird, was die Mitarbeitenden stärkt. Damit ist man beim Begriff Empowerment.
New Work sind verschiedene Maßnahmen, die die Zielsetzung haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern; d h. das Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss bzw. Macht und Kompetenz am Arbeitsplatz.
New Work, das funktioniert
Was ist das Entscheidende, sodass New Work wirklich funktioniert?
Dass man sich Gedanken darüber macht, wie man dieses psychologische Empowerment stimuliert. Denn das Empowerment hat viele positive Konsequenzen. Mitarbeitende sind intrinsischer motiviert, es gibt weniger Fälle von Burn-Out. Wir konnten in Studien zeigen, dass Leute sogar ihren Renteneintritt nach hinten verschieben, wenn sie diese vier Facetten von Empowerment erleben.
Außerdem wird das Leistungs- und das Innovationsverhalten positiv beeinflusst. Der Weg hin zum Empowerment ist ein sehr komplexer psychologischer Prozess. Das geht nicht mit „Ach, wir suchen uns mal eine Methode aus und machen das“. Dieser komplexe Prozess ist auch abhängig von der Persönlichkeit der Menschen, von der Unternehmensgröße, der Unternehmenskultur und vielem mehr.
Inwiefern ist New Work vom Reifegrad der Mitarbeitenden abhängig?
Ich weiß nicht, ob man hier von Reifegrad sprechen kann. Das hat schnell eine wertende Komponente und dann heißt es zum Schluss, wenn die New Work-Berater ihren Job nicht genug gemacht haben: Die hatten ja einen zu geringen Reifegrad. Aber wir sehen schon, dass manche Menschen sich besser empowern lassen als andere. Wer gut mit Autonomie und Selbstorganisation klarkommt und hier stärkere Bedürfnisse hat oder wer schon eine gewisse berufliche Selbstwirksamkeit oder Sinnerleben für die eigene Tätigkeit mitbringt, der profitiert stärker.
Welches 1. Detail ist das ausschlaggebendste, um New Work erfolgreich umzusetzen und zu leben?
Ich würde vor allem mit Diagnostik starten. Ein Vorteil des psychologischen Empowerments ist: Man kann es messen und operationalisieren. Man kann erfassen, ob und wie New Work Maßnahmen wirken und schauen, ob es Veränderungen gibt. Man sieht, an welcher Stelle erleben Mitarbeitende psychologisches Empowerment und an welcher Stelle nicht? Wo müssen wir vielleicht auch gerade jetzt nichts tun und können die Leute vielleicht auch mit New Work in Ruhe lassen. In welchen Abteilungen und Teams sitzen die Menschen, die wenig Sinn verspüren, die wenig Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz erleben? Und dann kümmert man sich erst einmal um diese Gruppen.
Gibt es derzeit eine Dimension von Empowerment, die besonders wichtig ist?
Die Einfluss- bzw. Machtdimension steht derzeit gesellschaftlich besonders im Fokus. Offenbar wollen immer mehr Menschen immer mehr Macht an immer weniger Menschen übertragen. Und genügend Menschen, überwiegend Männer mit etwas Charisma, sind bereit, diese Macht zu ergreifen. Die autoritären Formen der Macht sind wieder auf dem Vormarsch und das wird uns nicht gut in den Unternehmen und der Gesellschaft bekommen. In meinem neuen Buch ‚Psychologie der Macht‘ versuche ich Vorschläge zu machen, wie ein verantwortungsvollerer Umgang mit Macht gelingen könnte (erscheint am 11märz2025: ⇒ Link zum Buch bei Amazon).
Was ist nicht New Work?
Was ist New Work sicher nicht – doch oft missbräuchlich so benannt?
Grüne Äpfel, Tischkicker, 4-Tage-Woche aber auch sicher nicht Homeoffice. Homeoffice ist eine Methode aus dem Mittelalter. Meine Vorfahren sind früher aus dem Obergeschoss ins Untergeschoss gegangen, um in der Werkstatt zu arbeiten. Auch vor 150 Jahren gab es die Heimarbeit. Die gute Organisation der hybriden Arbeitswelt ist wichtig, aber ich würde das jetzt nicht mit New Work gleichsetzen. Das wird dem Begriff nicht gerecht.
Die neue Arbeitswelt entzaubert: Carsten Schermuly über Sinn, Unsinn, Macht und Missverständnisse
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Schermuly beim CCJ
Corporate Culture Jam
Carsten Schermuly spricht beim 8. Corporate Culture Jam. In seiner Keynote wird er die Instrumentalisierung des Begriffs „New Work“ durch Unternehmen, die damit etwas anderes, etwa Kostenreduktionen, erreichen möchten, persiflieren, anhand des fiktiven Unternehmens „Kaltenburg“.
- 25+26märz2025
- Schloßpark Mauerbach bei Wien
- Motto: Menschen in der Zeitenwende mitnehmen: Sozial. Digital. Nachhaltig.
- www.corporate-culture-jam.at