Führungskräfte sind es gewohnt, viel zu reden. Viele sind auch rhetorisch gut geschult. Doch manchmal hilft Reden nicht weiter, und es ist besser zu schweigen.
Vorgesetzte müssen nicht nur zuhören können, sondern auch die Macht der Pause beherrschen, um besser zu kommunizieren. Schließlich kann Schweigen den Worten noch mehr Gewicht verleihen, etwa bei schwierigen Gehaltsverhandlungen.
Sind Sie jemals einem Menschen gegenübergesessen, der Sie angeschwiegen hat? Wenn Schweigen herrscht, obwohl jemand etwas sagen sollte, ist es für alle Beteiligten äußerst unangenehm. Die meisten Menschen reagieren auf das Schweigen des Gegenübers mit Reden, um diese bedrückende Stille zu füllen. Viele verlaufen sich dann in sinnloses Schwafeln und reden sich teilweise um Kopf und Kragen. Wirklich mächtig ist, wer die Kunst des Schweigens beherrscht.
Bewusstes Schweigen hat viele Vorteile
Machen Sie bei der nächsten Gehaltsverhandlung folgenden Versuch: Wenn Ihr Gegenüber seine Forderung geäußert hat, sagen Sie 5 bis 7 Sekunden lang nichts. Einfach gar nichts. Wenn Ihnen selbst die Stille zu lange dauert, können Sie eine Hand an Ihr Kinn legen, als würden Sie nachdenken. Beobachten Sie, was Ihr Schweigen beim Gegenüber auslöst.
Diese Methode hat zahlreiche Vorteile für Sie:
Zeit zum Nachdenken
Das Schweigen bremst den Schwung des Gegenübers und gibt Ihnen Zeit, Ihre nächsten Worte weise zu wählen. Es gibt Ihnen die Möglichkeit, die Informationen zu verarbeiten und sich selbst vor unbedachten Impulsreaktionen zu schützen. Indem Sie schweigen, können Sie mehrere Varianten abwägen und sich dann für die beste Wahl entscheiden.
Spannung aufbauen
Eine bewusste Pause baut die Spannung beim Gegenüber auf und erhöht seine Aufmerksamkeit, wie Ihre Antwort darauf lauten wird. Besonders wenn Sie Führungskraft sind, dürfen Sie sich so viel Zeit für Ihre Entscheidung lassen, wie Sie brauchen. Nehmen Sie sich diese Zeit, um eine möglichst gut überlegte Entscheidung zu treffen und die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Emotionale Regulierung
Wenn Sie das Anliegen emotional aus dem Konzept gebracht hat, bringt eine Pause die Möglichkeit, sich wieder zu fangen. Wenn das Schweigen allein nicht reicht, nehmen Sie einen Schluck Wasser. Schließlich ist jedem klar: Wer trinkt, kann nicht gleichzeitig antworten. In konfliktreichen Situationen können Sie eine aufgeladene Situation durch Schweigen auch deeskalieren, bevor ein hitziges Wort zum nächsten führt.
Ernsthaftigkeit und Respekt
Wenn Sie als Führungskraft von einem Mitarbeitenden mit einer Forderung nach einer Gehaltserhöhung konfrontiert werden, lassen Sie sich Zeit, bevor Sie antworten. In vielen Versuchen mit Studierenden habe ich immer wieder festgestellt, dass eine sofortige Ablehnung des Gehaltswunschs so interpretiert wird, dass Sie gar nicht ernsthaft darüber nachgedacht haben. Wenn Sie sich ein paar Sekunden Zeit nehmen, zeigt es Ihrem Gegenüber, dass Sie den Vorschlag überdacht haben. Die kurze Pause wird als respektvoller wahrgenommen, selbst wenn die Forderung abgelehnt wird.
Schweigen als Machtinstrument
Von einigen Führungskräften wird Schweigen bewusst eingesetzt, um Macht zu demonstrieren. Wer sich in der Königsrolle befindet, besonders im Vorstand oder in der Geschäftsführung, darf sich so viel Zeit nehmen, wie er möchte. Viele im Topmanagement haben die Angewohnheit, lange zu schweigen und dann über ein ganz anderes Thema zu sprechen. Ihre hierarchische Stellung gibt ihnen das Recht dazu, doch für ihre Untergebenen mag ihr Schweigen Gefühle der Machtlosigkeit auslösen.
Gegenstrategie
Wenn Sie als Mitarbeitender ihrer Führungskraft gegenübersitzen, Ihren Wunsch nach einer Gehaltserhöhung formuliert haben und nun eine gefühlte Ewigkeit auf eine Antwort warten, gibt es eine gute Strategie: Sie hören alles mit dem Sachohr. Viele Menschen deuten nämlich das Schweigen als Störung der Beziehung und denken sich: „Mein Gegenüber mag mich nicht“. Hören Sie stattdessen auf das Sachohr, das Ihnen bewusstmacht: „Meine Führungskraft hat ja noch gar nichts gesagt.“
Solange das Schweigen des Gegenübers auch dauern mag: Halten Sie es einfach aus. Eine Studentin fragte mich neulich: „Wie lange muss ich denn das Schweigen aushalten? Mein Chef redet schon seit einem Jahr nicht mehr mit mir.“ Wenn Ihnen die Pause doch übermäßig lange vorkommt, können Sie immer fragen: „Was meinen Sie dazu?“
Fazit
Das bewusste Einsetzen von Schweigen als Kommunikationsmittel birgt eine erstaunliche Macht, die sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitenden dienlich sein kann. Es geht nicht darum, den Redefluss des anderen zu unterbrechen oder Gespräche zu manipulieren, sondern auch um den Aufbau von Spannung und eine sorgfältige Reflexion des Gesagten. Setzen Sie Schweigen in verschiedenen Gesprächssituationen ein, wie etwa bei schwierigen Gehaltsverhandlungen, zur Deeskalation von Konflikten oder, falls notwendig, um Macht, Respekt und Ernsthaftigkeit zu zeigen. Indem Sie die Kunst des Schweigens meistern, stärken Sie nicht nur Ihre eigene Position, sondern erzielen auch eine tiefere Verbindung und ein besseres Verständnis in wichtigen Gesprächen.