Kulturelle Vielfalt birgt in der Arbeitswelt eine Quelle der Inspiration und Innovation, jedoch auch die eine oder andere Challenge.
Claudia Krakowitzer wirft einen Blick auf die Herausforderungen und Chancen des kulturellen Zusammenpralls. Sie wird das im Zuge des HR-Kongresses Art of Recruiting tun (18+18april2024, Salzburg, www.art-of-recruiting.com) und gibt uns hier schon einen Vorgeschmack:
Interview-Partnerin
Mag. Claudia Krakowitzer, Director Human Resources – Miele Austria, ist seit November 2020 Mitglied der Geschäftsführung von Miele Österreich und verantwortet den operativen und strategischen HR-Bereich. Ihr Fokus liegt auf der Gestaltung und Implementierung von Personalstrategien, der Mitarbeiterentwicklung, dem Talentmanagement, der betrieblichen Gesundheitsförderung sowie der Förderung einer positiven Unternehmenskultur.
Culture Clash – Was verstehen Sie darunter?
Für mich ist das dann der Fall, wenn Kulturen im Unternehmen aufeinanderprallen, diese Kulturen betreffen nicht nur klassische Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Jung und Alt, Innen- und Außendienst … der Clash betrifft auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, unser Verständnis für ein „richtiges Verhältnis“ zwischen Beruf und Freizeit, die beste Art, miteinander zu kommunizieren, und vieles mehr!
Aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen sind wir tagtäglich mit vielen Meinungen, Werten, Anschauungen konfrontiert, die das Zusammenarbeiten auf den ersten Blick nicht immer einfach machen.
Was tun Sie bei Miele dagegen?
Der erste Schritt ist mit Sicherheit, sich diese Unterschiede bewusst zu machen und das Positive daraus zu ziehen – ein einfaches Beispiel: Ich benötige oft viel Zeit, um mich mit einem neuen IT-Tool vertraut zu machen. Jüngere Teammitglieder gehen mit weniger Scheu an die Dinge heran und versuchen mutig ihren Weg durch die technologischen und digitalen Herausforderungen zu finden. Hier können wir voneinander lernen, uns austauschen und gemeinsam gute Lösungen finden.
Auf der anderen Seite kommen jüngere Generationen nach, bei denen die Frage nach dem Purpose, dem Sinn, viel höher gereiht ist. Da kann es mitunter auch sehr herausfordernd sein, wenn dieser Sinn zunächst nicht klar erscheint. In diesem Fall können wir erfahrene Mitarbeitende dann jedoch Gelassenheit und Struktur weitergeben. Wir haben das mehrfach erlebt und bewiesen, dass wir nicht jedes Detail von Anfang an kennen müssen, um trotzdem erfolgreich ans Ziel zu kommen. Diesen Mut und das Durchhaltevermögen sind für mich Werte, die wir gerne an die jüngeren Generationen weitergeben und sie dabei auf der Suche nach Sicherheit und Zuversicht unterstützen.
Wie ist denn Miele in dieses Dilemma geraten?
Warum beschäftigen wir uns jetzt so intensiv mit diesem Thema, dass wir unsere Erkenntnisse und Erfahrungen sogar in einem Vortrag bei der ART of Recruiting zur Verfügung, aber gerne auch zur Diskussion stellen?
Lassen Sie mich einen kurzen Blick darauf werfen, woher wir kommen. Bei Miele arbeiten knapp 50% der Belegschaft im Bereich Kundendienst als Servicetechnikerinnen und Servicetechniker. Ein hoch qualifiziertes Jobprofil, in dem Erfahrung und Betriebszugehörigkeit bedeutsame Werte sind. In den letzten Jahren sind wir als Miele Österreich stark gewachsen – wir haben 4 Generationen in diesem Bereich vertreten: von den Babyboomern bis zur Generation Z finden sich in allen 4 Gruppen maßgebliche Anteile. Und in den nächsten Jahren kommt die 5. Generation auch noch mit ins Spiel – die Alphas.
Der Großteil der Führungskräfte im technischen Bereich sind späte Babyboomer bzw. frühe Gen-X-ler. Mit gerade mal einer Führungskraft aus der Gen Y und – richtig geraten – keiner einzigen Führungskraft aus der Gen Z ergibt sich somit schon ein erster Clash. Traditionelle, langjährig erprobte Führungskonzepte stehen scheinbar plötzlich auf dem Prüfstein.
Konnten Sie diese Entwicklung erwarten?
Natürlich, wir haben eine Demografieberatung durchgeführt und präsentieren jährlich die wichtigsten KPIs, wie z. B. Betriebszugehörigkeit und Durchschnittsalter. Aber wir haben doch noch jede Menge Zeit, engagierte Mittfünfziger stabilisieren unser Führungsteam.
Doch eines haben wir übersehen. Durch strukturelle Änderungen, persönliche Bedürfnisse, etc. änderte sich auch das Führungsverständnis der Babyboomer – der Generationenmix gestaltet die tägliche Führungsarbeit immer diverser und das wirtschaftliche Umfeld und die generelle Entwicklung der Gesellschaft zu einer kritischeren Position tragen ebenso zu dieser veränderten Kultur bei. Junge Technik-Fachleute sind nicht gefeierte Alltagshelden – älteren traut man im Bereich Digitalisierung nicht mehr die nötige Kompetenz zu. Vorurteile machen sich breit – und dies nicht nur außerhalb des Unternehmens. Die veränderte Arbeitsmoral der unterschiedlichen Generationen schürt zusätzlich Sorgen, Ängste und Zweifel. Die Frage nach Freizeit nimmt einen extrem hohen Stellenwert in der Gen Y und Gen Z ein und führt gleichzeitig zu Unverständnis bei den Babyboomern und der Gen X, deren Arbeitseinsatz in der heutigen Generation eher abschreckend wirkt.
Wie wirken Sie dem entgegen?
Wir haben gemeinsam ein internes Entwicklungsprogramm auf die Beine gestellt, das diese Trends fördert und unsere Kollegenschaft in ihrer fachlichen Führungsverantwortung, aber auch ihrer persönlichen Entwicklung unterstützt. Jedoch kam auch hier wieder der Clash – als extern hinzugekommene Personalverantwortliche übersah ich wichtige Zeichen aus der Organisation: durch die Möglichkeit einer offenen Bewerbung für das Programm fand eine Intervention statt, die viele Führungskräfte überraschte.
Beförderungen wurden über die Jahre hinweg nach einem bekannten und für diese Zeit auch erfolgreichen Schema umgesetzt: Früh zeigte sich das Potenzial der Mitarbeitenden, die weiterkommen wollten. Klassische Karrierewege wurden beschritten – von der Servicetechnik-Fachkraft zur Leitung, welche aufgrund der fachlichen Kompetenz mit Rat und Tat zur Seite stand und bei schwierigen Fällen zur Hilfe eilte. Schnell war auch klar, dass es eine „logische“ Nachfolge geben wird. Grundvoraussetzungen waren nicht definiert und kommuniziert, gleichzeitig aber doch transparent und spürbar: Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren aufwärts sowie ein erwünschtes Mindestalter. All diese Faktoren führten zu einer Nachfolgeplanung, die wenig Platz für Neues bietet und jüngeren Generationen gefühlt die Tür vor der Nase zuschlägt. Und hier kommt das nächste Dilemma – Gen Y und Gen Z erheben einen Führungsanspruch und dies meist schon nach geringer Betriebszugehörigkeit.
Mit unserem maßgeschneiderten Tech2Lead-Programm, mit dem wir motivierte Technik-Fachleute auf ihrem Weg zu Leadern begleiten, hoffen wir, den Spagat zwischen den Generationen und den damit einhergehenden Culture Clash zu verringern. Weg vom Clash – hin zum gemeinsamen Verständnis.
Wie setzen Sie das im Betrieb um?
Wir fokussieren uns einerseits darauf, den Mitarbeitenden fachliche Kompetenz zu vermitteln, die für die Wahrnehmung einer Führungsaufgabe nötig ist. Parallel dazu unterstützen wir mit einem Buddysystem, bei dem erfahrene Führungskräfte als Sparringpartner und Mentorinnen zur Seite stehen. Um die Ausbildung abzurunden, vermitteln wir gemeinsam mit einem erfolgreichen Trainingsanbietenden Führungs- und soziale Kompetenzen. Das Programm findet „on the job“ statt, damit Erlerntes umgesetzt und ausprobiert werden kann. Regelmäßige Feedbackrunden mit den Vorgesetzten, HR und den Mitarbeitenden selbst helfen, die Trainings kurzfristig nachzujustieren und auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen.
In meinem Vortrag bei der Art of Recruiting am 17.4.2024 ermögliche ich einen tieferen Einblick in dieses spannende Thema.