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Lohntransparenz und Zufriedenheit der Belegschaft

28Jun2024
4 min
Lohntransparenz

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Die jüngste Gehaltsdebatte rund um den ORF hat hohe Wellen geschlagen. Doch jenseits der emotionalen Reaktionen lohnt es sich, die Mechanismen und Wahrnehmungen von Gehältern aus Sicht der Beschäftigten genauer zu betrachten.

Wann ein Gehalt als fair und gerecht empfunden wird, ist subjektiv und hängt von vielen Faktoren ab. Wenn es öffentlich diskutiert wird, ist ein Gehalt jedenfalls eins: Zu hoch.

Gehaltsdiskussion und Neiddebatte

Gehaltsdiskussionen sind oft emotional und schnell von Neid geprägt. Sobald Gehälter öffentlich werden, wird von den Kritisierenden selten konkretisiert, was denn aus ihrer Sicht ein angemessenes Gehalt wäre. Stattdessen werden die veröffentlichten Gehälter pauschal als zu hoch bewertet, ob bei Lehrkräften, Beamten, Politikern oder Medienstars. Eine rationale Bewertung ist kaum möglich, da die Diskussionen meist von emotionalen Reflexen dominiert werden.

Ähnlich verhält es sich in Unternehmen. Firmen, die die Gehälter aller Mitarbeitenden von der Geschäftsführung bis zur Reinigungskraft ans Schwarze Brett gehängt haben, haben durch die völlige Transparenz nicht etwa die Zufriedenheit in der Belegschaft gesteigert. Im Gegenteil, in der Praxis nehmen die Diskussionen oft unerwartet große Ausmaße an. Gier und Neid sind die häufigsten Emotionen bei vollständigem Wissensstand über die Gehälter. Völlige Transparenz in Gehaltsfragen ist hierzulande in den meisten Fällen keine gute Wahl.

Gerechtigkeit und Marktgerechtigkeit

Eine objektive Gerechtigkeit bei Gehältern gibt es nicht, es lässt sich nur von Marktgerechtigkeit sprechen. Die emotionale Diskussion über das Gehaltsthema kann daher am ehesten durch Marktvergleiche objektiviert werden. Der Marktvergleich zeigt, wie viel ähnliche Mitarbeitende in vergleichbaren Positionen in passenden Branchen am jeweiligen Standort verdienen. Insofern wird der objektive Wert eines Mitarbeitenden durch einen Vergleich mit dem Markt bestimmt.

Unternehmen sollten klar definierte Gehaltsbandbreiten haben, um faire und nachvollziehbare Gehälter zu zahlen. Dabei ist empfehlenswert, die Gehaltsbereiche in grüne, gelbe und rote Zonen zu unterteilen.

  • Der grüne Bereich ist der marktübliche Verhandlungsspielraum, bei dem sich Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden jedenfalls einigen können.

  • Im gelben Bereich kann unter gewissen Umständen mehr bezahlt werden, etwa wenn besonders hohe Anforderungen an die Ausbildung des Mitarbeitenden gestellt werden oder der Verantwortungsbereich überdurchschnittlich komplex ist.

  • Hingegen markiert der rote Bereich eine klare Obergrenze, die unter keinen Umständen überschritten werden sollte. Jede gute Gehaltsstruktur sollte auch eine absolute Obergrenze haben, denn ohne Grenzen entsteht aus jedem gut gemeinten Gehaltssystem Chaos.

Demografische Entwicklungen und Arbeitsmarkt

Neben den Marktbedingungen spielen auch persönliche Forderungen und die Bereitschaft des Unternehmens, diese zu erfüllen, eine entscheidende Rolle. Die demografische Entwicklung hat in den letzten Jahren kurzfristig zu höheren Gehältern geführt, da weniger Arbeitskräfte verfügbar sind und die Nachfrage besonders in den Jahren 2021 und 2022 enorm hoch war. Langfristig beeinträchtigen jedoch die hohen Personalkosten zunehmend die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen. Die junge Generation legt zudem mehr Wert auf Work-Life-Balance, was zu neuen Herausforderungen für Unternehmen führt, da zwar hohe Gehälter bezahlt werden, aber die Arbeitsleistung oftmals nicht mehr im Verhältnis stimmt.

Verhältnis und soziale Rollen

Ein Gehalt steht niemals für sich allein, denn die Gehälter müssen immer ins Verhältnis zueinander gesetzt werden. Höhere Gehälter sind etwa dann gerechtfertigt, wenn unverzichtbare Mitarbeitende Spitzenleistungen erbringen. Besonders brisant waren daher die hohen Gehaltsforderungen der jungen Generation in den Jahren 2021 und 2022, als Neueinsteigende deutlich mehr verdienten als das langjährig beschäftigte Team.

Soziale Rollen spielen auch eine große Bedeutung, vor allem bei Männern: Ein Mann, der wenig verdient, gilt oft als Verlierer, während ein hoher Verdienst schnell als Gier wahrgenommen wird. Diese sozialen Erwartungen beeinflussen die Gehaltsdiskussionen und erschweren eine objektive Betrachtung. Personalverantwortliche müssen daher nicht nur die absoluten Zahlen, sondern auch die relativen Gehälter innerhalb des Unternehmens im Blick behalten. Wenn eine Gruppe an Mitarbeitenden unsachlich bevorzugt wird, regt sich eine andere Gruppe berechtigterweise darüber auf.

EU-Richtlinie zur Lohntransparenz

Die neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz fordert von Unternehmen ein transparentes Gehaltssystem. Das bedeutet nicht, dass alle Gehälter offengelegt werden müssen, sondern dass klare Kriterien festgelegt werden, nach denen die Gehälter bemessen werden. Für Personalverantwortliche bedeutet das, dass sie nachvollziehbare und faire Gehaltsstrukturen schaffen müssen, die auch den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Anforderungen an ein faires Gehaltssystem werden daher in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach weiterhin steigen.

Zufriedenheit und Gehalt

Transparenz über das Gehaltssystem mag gewisse Vorteile bringen. Die Zufriedenheit im Beruf hängt jedoch nicht immer nur von der Höhe des Gehalts ab, sondern vor allem davon, inwiefern die eigenen Erwartungen übertroffen werden. Ein Gehalt von 60.000 Euro kann sehr zufriedenstellen, wenn das persönliche Ziel bei 50.000 Euro liegt. Umgekehrt kann selbst ein hoher Bonus von 250.000 Euro unzufrieden machen, wenn die Kollegenschaft eine halbe Million Euro erzielt haben.

Fazit

Die Gehaltsdebatte, wie sie angesichts der hohen Inflation in den letzten Jahren in vielen Unternehmen geführt wird, zeigt deutlich, dass Gehälter weit mehr sind als bloße Zahlen. Sie spiegeln gesellschaftliche Werte, individuelle Erwartungen und Marktbedingungen wider. Marktvergleiche und klar definierte Gehaltsbandbreiten sind die objektive Grundlage, um faire und marktgerechte Gehälter zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen Führungskräfte auch die emotionale Dimension berücksichtigen, wenn sie die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden fördern wollen. Das Thema gerechte Vergütung bleibt jedenfalls auch in den nächsten Jahren hoch aktuell. Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz stellt zwar zusätzliche Anforderungen an die Personalabteilungen, eröffnet ihnen aber auch Chancen für eine gerechtere Vergütung.

Lohntransparenz und Zufriedenheit der Belegschaft

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