Die Nachricht kommt aus dem Nichts und sorgt zunächst für eine Schockstarre in der Belegschaft: Eine geschätzte Führungskraft wird in Zukunft einer anderen Tätigkeit nachgehen und verlässt das Unternehmen. Was jetzt?
Gast-Beitrag von Anna Konrad und Kerstin Tomancok, BDO Austria
Welche Herausforderungen bringt ein Führungswechsel mit sich?
Führungswechsel stellen Einzelpersonen, Teams und unter Umständen sogar ganze Unternehmen vor große Herausforderungen. Sie sind verbunden mit Ängsten und Unsicherheiten, die sich in Widerstand niederschlagen können. Vor allem Mitarbeitende, die eine enge Beziehung zur scheidenden Führungskraft hatten, befürchten möglicherweise, an Einfluss zu verlieren, und reagieren mit besonderer Ablehnung.
Hierbei kann ein mit der Angst vor einem drohenden Kontroll- bzw. Prestigeverlust zusammenhängender machtbasierter Widerstand entstehen. Dieser wird nur selten offen kommuniziert, was die Folgen von irrationalem Verhalten zur Machterhaltung schwer zu antizipieren und gefährlich macht. In weiterer Folge kann sich Widerstand in Zusammenschlüssen gegen die Veränderung oder in internen Konflikten manifestieren. Bildlich gesprochen: Das Boot, das davor sanft durch den Ozean geglitten ist, ist in einen Sturm geraten und das simple „Zurückrudern“ zum Status quo ist nicht mehr möglich. Weder die Entscheidung der Führungskraft, das Unternehmen zu verlassen, noch die Auswahl der neuen Teamleitung können rückgängig gemacht werden.
Sobald die Betroffenen das erkennen und die Gründe für den Abgang nachvollziehbar werden, sollte der rationale Widerstand schwinden. Dieser tritt in der Regel aufgrund fehlender logischer Begründungen und der Angst vor den kommenden Veränderungen auf. Wird durch gezielte Information und Kommunikation Klarheit geschaffen, wandelt sich der Widerstand in Akzeptanz. Formate wie Q&A-Sessions mit HR oder stellvertretenden Führungskräften sowie informelle Dialoge können wahre Wunder bewirken, um ein Team nach dem Verlust der Führungskraft wieder auf Kurs zu bringen.
Doch selbst wenn Verständnis dafür herrscht, warum die Führungskraft geht (z.B. verlockendes neues Jobangebot), kann sich das Team im Stich gelassen fühlen. Die Angst vor dem Neuen schürt den emotionalen Widerstand. Wie wird sich die Teamdynamik ändern? Wird die Zusammenarbeit mit der neuen Führungskraft gut funktionieren? Wer übernimmt all die Aufgaben? Dabei handelt es sich oft um subjektive und abstrakte Gefühle, die nicht durch rationale oder logische Argumente erklärt werden können, sondern auf andere Weise bearbeitet werden sollten.
Die Universalhelfer: Kommunikation und Partizipation
Um emotionale Akzeptanz zu fördern, sind vertrauensvolle Gespräche und eine schrittweise Auseinandersetzung mit den Vorbehalten essenziell. Das eröffnet die Gelegenheit, neue Lösungsansätze zu entwickeln und die Veränderung positiv zu gestalten. Eine klare Vision der Unternehmensführung sowie der neuen Führungskraft zum weiteren Vorgehen gibt dabei Halt und Orientierung. Mit den ersten Erfolgen kommt auch die Erkenntnis, dass Veränderung Chancen in sich birgt und Fortschritte ermöglicht, die in den alten Strukturen nicht denkbar gewesen wären: Wenn z.B. das erste Projekt unter der neuen Leitung zur vollsten Zufriedenheit der Kundschaft abgewickelt wird, das Team neue Möglichkeiten erhält, sich zu entfalten und vielleicht der frische Wind zur Lösung eines Problems führt, das schon seit Monaten auf der Agenda stand. Dadurch entstehen ein positives Kontinuum und Motivation, die innovativen Arbeitsweisen und neuen kulturellen Aspekte, die durch den Führungswechsel aufgekommen sind, in den Arbeitsalltag zu integrieren. Hat sich die neue Führungskraft etabliert, erreichen sowohl die Motivation der einzelnen Teammitglieder als auch der Teamgeist ein neues Level.
Wie beziehen Sie Mitarbeitende konkret mit ein?
Und sorgen für ihre psychologische Sicherheit?
Auf der Suche nach den Ursachen von Widerständen in Veränderungsprozessen kann von unterschiedlichen Ansatzpunkten ausgegangen werden. Neben aufkeimendem machtbasiertem, rationalem und emotionalem Widerstand kann eine zu geringe Einbeziehung der Betroffenen oder auch eine unzureichende bzw. mangelnde Kommunikationsarbeit der Entscheidungstragenden genannt werden. Wird die Belegschaft zu spät über den Abgang einer Führungskraft informiert, führt dies neben dem Vertrauensverlust zu Frustration und „Quiet Quitting“. Daher ist es wichtig, eine oder mehrere Ansprechpersonen – etwa eine Vertrauensperson aus der HR-Abteilung oder die Führungskraft aus dem nächstgelegenen Team – für die Übergangszeit zu definieren, an die etwaige Fragen und Sorgen herangetragen werden können.
Durch wertschätzenden Austausch, das offene Ansprechen unangenehmer Punkte sowie das Schenken von gegenseitigem Vertrauen zwischen Team und Führung lässt sich psychologische Sicherheit herstellen. Psychologische Sicherheit beschreibt den Konsens innerhalb eines Teams, dass Individuen beim Äußern von Ideen, dem Eingestehen von Fehlern oder dem Stellen von Fragen keine negativen sozialen oder beruflichen Konsequenzen befürchten müssen. Dadurch werden Kreativität, Zusammenarbeit, Engagement und Lernfähigkeit gesteigert. Für das Team maßgeschneiderte (Team-)Entwicklungsmaßnahmen fördern bei einem Führungswechsel zudem den Zusammenhalt und, durch das neu entstandene Teamgefüge, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Vertrauen kann wachsen, obwohl sich die Gruppe neu formieren muss und unweigerlich diverse Arten von Widerständen zu bewältigen hat.
Wie machen Sie Widerstände nutzbar und geben Orientierung?
Widerstände dürfen nicht ignoriert werden, denn in ihnen stecken häufig wichtige Informationen, deren Beachtung die gesamte Einheit weiterbringen kann. Aufgabe der Führungskräfte ist es, im Laufe des gesamten Prozesses Orientierung zu geben und ihr Team bei der Artikulierung und Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu unterstützen. So kann die Ablehnung der neuen Führungskraft auf berechtigten Einwänden fußen oder aber auch nur das Produkt irrationaler Sorgen sein. Da sich der ideale Umgang mit der Person abhängig von dem tatsächlichen Grund stark unterscheidet, ist es essenziell, ehrliches Interesse aufzubringen und den Ängsten und Widerständen auf den Grund zu gehen.
Eines der wichtigsten Elemente beim Führungswechsel ist die schnelle Orientierungshilfe. Getrieben von den unterschiedlichsten Ängsten brauchen Mitarbeitende Halt und Zuversicht (Scarf-Modell / David Rock, 2009). Gehen die verbleibenden Führungskräfte und das Topmanagement auf diese Ängste ein, indem sie Leistungen anerkennen und Aufmerksamkeit schenken (Status), klare Ziele setzen (Sicherheit), Flexibilität und Mitbestimmungsgelegenheiten fördern (Autonomie), Teamentwicklungsmaßnahmen vorantreiben (Verbundenheit) sowie Transparenz und offene Kommunikation leben (Fairness), fördern sie ganz konkret die Akzeptanz des Wandels.
Fazit
Verlieren Mitarbeitende im Zuge eines Führungswechsels die Freude an der Arbeit? Nicht zwingend. Denn wenn während des gesamten Prozesses beachtet wird, dass Orientierung geschaffen und Klarheit hergestellt wird, die Bedürfnisse und Widerstände der Beteiligten ernst genommen werden und durch ein starkes Teamgefüge eine Atmosphäre psychologischer Sicherheit etabliert wird, kann sich die Motivation langfristig sogar erhöhen. Veränderungen bergen Potenziale für intensive persönliche Weiterentwicklung und Entfaltung. Für Führungskräfte und HR geht es darum, wie sie einen Rahmen und eine Plattform schaffen können, damit Mitarbeitende diese Chancen auch nutzen können.
Die Führungskraft geht – und damit auch der Wille zu arbeiten?
Gast-Autorinnen
Kerstin Tomancok ist Managerin bei BDO, Unternehmensberaterin, Trainerin und Coach. Als Spezialistin für HR Change Management, Trennungsmanagement sowie New- bzw. Outplacement unterstützt sie Unternehmen, Teams und Einzelpersonen bei organisationalen wie personellen Veränderungsprozessen.
Anna Konrad arbeitet als Consultant bei BDO und begleitet Unternehmen in den Bereichen Change Management sowie Learning & Development. Dabei unterstützt sie bei Veränderungsprozessen in ganzen Organisationen sowie bei der Weiterentwicklung von Teams und Einzelpersonen. Ihr Ziel ist es, wirtschaftlichen Erfolg mit dem Wohl und der Zufriedenheit der Beteiligten zu verbinden.