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Stärkenorientierte Führung – aber wie?

11Okt2024
5 min
Potenzialanalyse

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Stärkenorientierte Führung setzt darauf, individuelle Talente und Potenziale der Mitarbeitenden zu erkennen. Potenzialanalysen bieten dabei eine wertvolle Grundlage, um Stärken sichtbar zu machen und gezielt zu fördern – für mehr Leistung, Teamzusammenhalt und Unternehmenserfolg.

Gast-Autorin: Susanne Schäfer, Iventa

Potenzialanalysen als Werkzeug zum Entdecken verborgener Stärken

Es sind die handelnden Menschen, die ein Unternehmen erfolgreich machen, und Menschen streben nach persönlichem Erfolg, wenn auch durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Strategien. Damit eine Person ihre Talente und Potenziale optimal in die Organisation einbringen kann, ist es hilfreich, wenn sie selbst Klarheit bezüglich ihrer persönlichen Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten hat. Die organisatorischen Rahmenbedingungen bilden darüber hinaus die Voraussetzung, um die Entwicklung der Potenziale zu stützen. Aber eins nach dem anderen.

Die Entwicklung des beruflichen Selbstbildes ist maßgeblich für das Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen. Daraus entwickelt sich das „Selbstbewusstsein“. Dieses Bewusstsein unterstützt dabei, den passenden Platz im Unternehmen zu finden und die psychologische Sicherheit im Team zu fördern.

Denn eines ist klar: Offenheit über Stärken und Schwächen steigert die Teamperformance und fördert den Zusammenhalt. Daher ist das Wissen um die eigenen Stärken maßgeblich.

Stärkenorientierte Führung ist daher das Gebot der Stunde, denn dabei unterstützt die Führungskraft im Erkennen und im Einsatz der jeweiligen Talente und Stärken der Mitarbeitenden. Kim Cameron, als „Positive-Leadership-Gründungsvater“ bekannt, hat die Merkmale positiven Führens ursprünglich durch die Untersuchung von Unternehmen in Krisensituationen identifiziert. Er verweist auf Studien, die zeigen, dass Positive Leadership zu höherer Arbeitszufriedenheit, mehr Engagement, besseren Leistungen und auch zu einem höheren familiären Wohlbefinden der Mitarbeitenden führt, die von stärkenorientierten Führungskräften geleitet werden.

Doch wie können Führungskräfte die Stärken und Talente ihrer Mitarbeitenden erkennen? Gut, hervorstechende Leistungen werden häufig erkannt, immer dann, wenn Erwartungen übertroffen werden. Dr. Markus Ebner empfiehlt, zwischen dem Ergebnis einer Stärke, wie gutem Kundenkontakt, und den zugrunde liegenden Faktoren wie schnellem Vertrauensaufbau, Humor oder Geduld zu unterscheiden, um diese gezielt in der Organisation weiter zu fördern und einzusetzen.

Dazu benötigt die Führungskraft eine gute Beobachtungsgabe und die Fähigkeit zur Reflexion, denn es können sich immer Verzerrungen wie Urteilsheuristiken einschleichen. Ist mir die Person ähnlich? Entspricht das Verhalten meinem persönlichen Wertesystem? Genießt die Person bereits ein gutes Standing in der Organisation? All dies kann zu Verzerrungen führen. Daher ist eine Potenzialanalyse ein großartiges Instrument, um objektiv Talente, Stärken und Potenziale zu erkennen.

Potenzialanalysen zum Aufzeigen verborgener Talente und Potenziale

Potenzialanalysen sind Werkzeuge, die dazu dienen, die Fähigkeiten, Stärken, Entwicklungsbedarfe und zukünftigen Potenziale der Mitarbeitenden zu identifizieren. Eine Potenzialanalyse unterstützt zudem dabei, ein objektives Bild über die Person zu generieren. Der Markt ist groß und die Entscheidung, welches Tool das richtige ist, ist nicht einfach zu beantworten. Es gibt verschiedene Arten von Potenzialanalysen, die sich in ihrer Methodik und ihrem Fokus unterscheiden. Am häufigsten finden psychometrische Verfahren (Persönlichkeitsanalysen und kognitive Verfahren) und verhaltensbasierte Assessments Anwendung in der Praxis.

5 Tipps für die Einführung von Potenzialanalysen

Damit die erwünschten Effekte in der Organisation erzielt werden können, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

1. Berücksichtigung der Ausgangssituation der Person

Es ist wichtig, die jeweilige Situation der betroffenen Person zu berücksichtigen. Je nachdem, an welchem Punkt der Candidate & Employee Journey sich die Person befindet, kann der Prozess der Potenzialanalyse unterschiedliche Emotionen auslösen. Daher ist es entscheidend, wie ein solcher Prozess erlebt wird und was das Tool vom Bewerbenden verlangt.

Für den Erfolg ist entscheidend, dass das Verfahren einen erlebbaren Mehrwert bietet und Vertraulichkeit und Anonymität zugesichert werden. Dadurch kann eine hohe Akzeptanz sowohl bei der Durchführung als auch bei der anschließenden Ableitung von Personalentwicklungsmaßnahmen erzielt werden.

2. Auswahl des geeigneten Tools

Angesichts der Vielzahl von verfügbaren Analysetools ist es wichtig, im Vorfeld die eigenen Ziele und Prioritäten zu klären.

Persönlichkeitsorientierte Verfahren eignen sich für die persönliche sowie die Teamentwicklung, da sie zu tieferen Verständnis, verbesserter Zusammenarbeit und Zusammenhalt führen. Kompetenzorientierte Verfahren eignen sich in der Auswahl, für eine Standortanalyse des Führungsteams sowie für das Onboarding, da ein starker Bezug zum Verhalten und Einstellungen im arbeitsrelevanten Kontext gegeben ist.
Verhaltensorientierte Assessments simulieren Arbeitssituationen und beobachten das Verhalten der Teilnehmenden direkt. Diese Verfahren sind eindrücklich, aber es fehlen Objektivitätsfaktoren, da Verhaltensbeobachtung stark von der Beobachtungskompetenz abhängt.

Daher sollte man das Kleingedruckte lesen: Welche wissenschaftlichen Gütekriterien erfüllt ein Verfahren? Wer ist die Normierungsgruppe? Auf welchem psychologischen Konzept basiert der Test? Diese Fragen lassen sich am besten mit Experten klären.

3. Raum für Dialog

Die meisten Tools verwenden ein geschlossenes Frageformat, was bei manchen Personen abwehrende Reaktionen auslösen kann. Diesem Bedürfnis sollte Raum gegeben werden. Ein begleitendes Interview durch Expertinnen und Experten kann helfen, mehr Hintergründe zu erfahren und ein tieferes Verständnis für das Gegenüber zu entwickeln. Auch hier werden wesentliche Erkenntnisse über die Persönlichkeitsstruktur des Gegenübers gewonnen und durch den Dialog entsteht Resonanz und Beziehung. Auch hier unterstützt Moderation eines Außenstehenden, um mögliche Barrieren zu überwinden.

4. Potenzialanalysen als Prozess verstehen

Potenzialanalysen sollten als Prozess betrachtet werden, der bereits mit der Ankündigung einer Analyse beginnt. Es ist wichtig, größtmögliche Transparenz zu bieten, die betroffenen Personen abzuholen, aufzuklären und Orientierung zu geben, um mögliche Unsicherheiten und Ängste entgegenzuwirken. Zudem sollte das Feedbackgespräch nicht als Endpunkt gesehen werden, sondern die Integration und der Transfer der Erkenntnisse in den Arbeitsalltag bestmöglich gewährleistet werden. Auch hierfür braucht es Unterstützung seitens der Organisation, um einen längerfristigen Transfer zu sichern.

5. Abgleich von Selbst- und Fremdbild durch Feedback

Unabhängig vom gewählten Analyseverfahren ist das Feedback an die Teilnehmenden von entscheidender Bedeutung. Studien zeigen, dass selbstbestimmtes Lernen besonders effektiv ist. Daher sollte das Selbstbild und das persönlich wahrgenommene Potenzial im Mittelpunkt stehen, während das Fremdbild oder Coaching lediglich unterstützende Funktionen haben.

Sollte die betroffene Person das Bedürfnis haben, über Schwächen zu sprechen, ist es wichtig, dieses Bedürfnis zu erkennen und ernst zu nehmen. In der Kommunikation sollte beachtet werden, dass Feedback und Entwicklungshinweise möglichst konkret gestaltet und durch Unterstützungsangebote begleitet werden. Damit der langfristige Transfer ins Unternehmen gesichert ist, sollten Führungskraft, HR und Teilnehmende an einem Tisch sitzen, am besten unterstützt durch Externe, um eine optimale Begleitung des Prozesses zu garantieren.

Fazit

Stärkenorientierte Führung ist ein kraftvolles Instrument, um die individuellen Talente und Potenziale der Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern. Durch gezielte Potenzialanalysen und einen strukturierten Prozess der Stärkenentwicklung können Führungskräfte dazu beitragen, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende wohlfühlen und ihr volles Potenzial entfalten können. So wird nicht nur die Leistung des Einzelnen und der Dialog gefördert, sondern auch die Teamperformance und das gesamte Unternehmensergebnis nachhaltig verbessert.

Stärkenorientierte Führung – aber wie?

Zitate

Jung-Gehling, C. (2023). Potenzialanalysen im Rahmen von Online-Assessments. In: Stulle, K.P., Justenhoven, R.T. (eds) Personalauswahl 4.0. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42142-7_8

Gast-Autorin

Mag. Susanne Schäfer, Senior Consultant Personal- und Organisationsentwicklung, Iventa

www.iventa.eu/brandingandculture/

Susanne Schaefer, Iventa

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