Veranstaltungs-Bericht
sept2012, Dr. Matthias Ennenbach
„Heilsame Veränderungen“, das möchte Dr. Matthias Ennenbach bewirken, wenn er über buddhistische Prinzipien für das Leben hier und jetzt in unserem Kulturkreis spricht. „Die Probleme gleich mal halbieren“ und einfache, aber nicht unbedingt leichte Übungen für Menschen in und außerhalb von Organisationen bot er bei seinem Vortrag Mitte September 2012 in Wien an.
Dr. Matthias Ennenbach (Psychologe und Psychotherapeut) hat die Prinzipien des Buddhismus in seine Arbeit mit Menschen integriert, weil für ihn so heilsamere Veränderungen möglich werden. Im Seminarzentrum Mandalahof (Foto unten), einem architektonisch wunderbaren Platz über den Dächern der Innenstadt Wiens, sitzt er ruhig und konzentriert auf einem Sitzkissen vor seinen Zuhören. Er bittet sie die Augen zu schließen und fragt sie, was für ein Objekt vorne neben ihm steht, ob es Vorhänge an den Fenstern gibt und welche Farbe die Hose des Sitznachbarn hat. Eine kleine Demonstration in Achtsamkeit… Es geht nicht darum, alles rundherum „aufzusaugen“, aber mit einem aufmerksamen Geist im Hier und Jetzt zu sein.
Buddhistischer Pessimismus oder Optimismus?
Das erste Prinzip, dass er vorstellt, erweckt den Eindruck von Pessimismus, oder ist es gerade das Gegenteil? Probleme und Schmerz sind ein universelles Phänomen. Es ist normal, dass man Schwierigkeiten mit dem Vorgesetzten hat, dass man krank wird, dass es Konflikte in der Familie gibt. Solche Dinge passieren. Menschen hadern dann oft: „Warum passiert gerade mir das?“ „Sinnlos!“ meint Dr. Ennenbach. Die optimistische Perspekte daran ist, dass man Probleme gleich halbieren kann, wenn man die Universalität von Problemen akzeptiert. Was bleibt ist die andere Hälfte: das subjektive Leiden; die Art und Weise, wie wir mit den Problemen umgehen. Hier setzt die Geistesschulung des Buddhismus an und zeigt einfache (und gleichzeitig schwierige) Methoden, wie der jeder Einzelne Leiden überwinden kann und sich mitten in seinem Leben befreiter fühlen kann.
Die Autobahn ins Unglück
Dr. Ennenbach (Foto) illustriert einfach und anschaulich, wie unsere neurophysiologischen Vorgänge im Gehirn dazu führen, dass wir in schwierigen Situationen dazu neigen, immer auf diesselbe Art zu reagieren. Alle Erregungsmuster (z.B. Denkprozesse, Emotionen, Erinnerungen abrufen) hinterlassen zwischen den vernetzten Gehirnzellen Spuren, Wege. Jene, die wir öfters wiederholen werden zu Autobahnen, wo wir in unglaublicher Geschwindigkeit bei gleicher Ausgangslage (gleichem Reiz) wieder den selben Weg fahren. Ganz automatisch. Zum Beispiel: Mein Kollege sagt etwas „Typisches“, dass mich an etwas erinnert, wo ich zornig (oder traurig) geworden bin und schon bin ich wieder zornig (oder traurig) und entgegne wieder…
Achtsamkeit und Meditation helfen, diese Automatismen zu unterbrechen um bewusst eine andere Entscheidung fällen zu können. Um einen neuen, kleinen Pfad einzuschlagen, den wir zu einer sinnvolleren Schnellstrecke ausbauen können, wenn wir ihn wiederholen. Um Geisteszustände zu kultivieren, die uns im Leben stärken: Liebe, Mitgefühl, Gelassenheit und Freude sowie die Fähigkeit der Selbststeuerung, d. h. in Ruhephasen wirklich zur Ruhe zu kommen und in aktiven Phasen über genügend Energie und Tatkraft zu verfügen, um die Ziele verfolgen zu können.
Achtsamkeit als Schlüssel zu einem klaren, ruhigen Geist
Achtsamkeit ist eine geweitete Aufmerksamkeitshaltung im Gegensatz zur Aufmerksamkeitsfokussierung, der Konzentration. Man könnte es auch „Panorama-Bewusstheit“ nennen. Beispiele sind eine klare Sicht ohne Wertung, Gegenwärtigkeit ohne Fixierung, Bewusstheit ohne analytisches Denken, Annahme ohne Abwehr.
Achtsamkeit kann man entsprechend dem Buddhismus auf mehrere Aspekte lenken: Ganz zentral dabei ist die Wahrnehmung der eigenen Körpersignale (z.B. Verspannungen, Druckgefühle, Begehrlichkeiten). Sich auch zu fragen, was mute ich meinem Körper zu? Womit „füttere“ ich mich jeden Tag (welches Essen, Trinken, welcher Konsum, welche Informationen…) und was macht das mit mir?
An zweiter Stelle stehen die eigenen Gefühle. Welche Gefühle nehme ich wann an mir wahr? Kann ich sie benennen? An dritter Stelle folgen die Gedanken („Autopiloten enttarnen“) und an vierter Stelle die Geistobjekte, z.B. übergeordnete Gesetzmäßigkeiten. Trainiert wird Achtsamkeit vor allem durch regelmäßige Meditation und durch folgende Anregungen des Netzwerks „Achtsame Wirtschaft“:
Annäherung an eine achtsame Unternehmenskultur
Wie wäre es heute mit…?
- Gehmeditation: am Weg zur Arbeit bewusst jeden Schritt zu setzen und die kleinen Kostbarkeiten v.a. der Natur ringsherum wahrnehmen
- Edles Schweigen: die Kraft und Schönheit der Stille wiederentdecken, in der Stille kann man ganz im Kontakt mit sich selbst sein. Also mal alle Geräuschquellen und Ablenker für ein paar Minuten ausschalten und die Ruhe genießen – durchaus auch gemeinsam.
- Tiefes Zuhören: Unsere inneren Kommentare beim Zuhören liebevoll aber konsequent abstoppen, tief und ruhig atmen, die ganze Aufmerksamkeit dem Gegenüber schenken und nur zuhören.
- Achtsames Essen: In gemeinsamen, angenehmen Schweigen mit den Kollegen eine gesunde Mahlzeit langsam und bewusst zu sich nehmen.
- Mikropause: Sich mehrere Anker/Erinnerungen für die Mikropause setzen (z.B. Glockenschlag, das Telefonklingeln beim Kollegen, jedes Ampelrot, jede kleine Warteschlange, beim Lift fahren…) und sobald die Anker eintreffen: geistig innehalten, 3-4 ruhige und tiefe Bauchatemzüge nehmen und ein Mal mit Wärme lächeln.
Achtung: Für positive, die Umwelt überraschende, erhellende und konfliktklärende Nebenwirkungen kann die Autorin leider keine Haftung übernehmen 😉
Weiterführende Links:
- Homepage von Dr. Matthias Ennenbach mit Buchtipps: www.buddhistischepsychotherapie.de
- „Ursache/Wirkung“ – die Plattform für spirituell interessierte Menschen“: http://www.ursachewirkung.com/
- „Netzwerk Achtsame Wirtschaft“: www.achtsame-wirtschaft.de
Achtsam. Ein Veranstaltungs-Bericht.