Viele Unternehmen setzen auf digitale Tools, um ihre HR-Prozesse zu optimieren. Doch der Erfolg bleibt oft aus, weil das nötige Wissen fehlt. Der Knowledge-Gap hemmt nicht nur die Einführung moderner Technologien, sondern sorgt auch für enttäuschte Erwartungen.
Wie viel digitales Know-how braucht HR wirklich – und wie kann dieser Gap geschlossen werden?
Gast-Autor: Martin Sulzbacher, pemundo GmbH
Warum der Knowledge-Gap entscheidend ist
Die Digitalisierung der HR ist für viele Unternehmen ein strategisches Ziel, doch die Ergebnisse bleiben oft hinter den Erwartungen zurück. Der pemundo Digital HR Report zeigt, dass über die Hälfte der befragten Unternehmen (54 %) angeben, nicht über die nötigen Kompetenzen zu verfügen, um ihre HR-Prozesse sinnvoll zu digitalisieren.
Dabei geht es einerseits um den fehlenden Überblick, welche von den (inzwischen wirklich unübersichtlich vielen) HR-Tools am Markt wirklich die richtigen für den eigenen Bedarf sind und die Hilfe bringen, die sie versprechen. Und andererseits aber auch darum, dass man die schon im Unternehmen eingesetzte HR-Software (wir erinnern uns – 88% nutzen bereits eine HR-Software, 52% sogar für viele Prozesse) nicht gut genug kennt.
Diese Wissenslücke – der sogenannte Knowledge-Gap – führt dazu, dass Potenziale ungenutzt bleiben, selbst wenn die entsprechende Software bereits implementiert ist.
Persönliche Erfahrung: Wenn Wissen fehlt, bleibt Potenzial ungenutzt
Als neuer Personalleiter eines mittelständischen Unternehmens war die Ausgangslage herausfordernd: Die knapp 200 Mitarbeitenden auf 6 Standorten betreute ich alleine, zu Beginn unterstütz von einer Teilzeit-Assistentin und unserer externen Lohnverrechnung. Bisher hatte der Finanzleiter im Unternehmen „HR mitgemacht“ und eine gut funktionierende Verwaltungsstruktur auf Basis sehr umfangreicher Excel-Listen aufgebaut.
Der Vorstand hatte grundsätzlich erkannt, dass eine HR-Software sinnvoll wäre, und kurz vor meinem Einstieg eine umfassende HR-Softwarelösung eingekauft – alle Module der Software, über die auch die Lohnverrechnung lief. In den 2,5 Jahren, die ich dort war, habe ich operativ alles abgearbeitet was mir so zugeworfen wurde und ein paar wichtige strategische Projekte umgesetzt. Aber von der Software habe ich tatsächlich nur ein Modul wirklich zum Laufen gebracht (ich glaube es war das für MA-Gespräche). Recruiting hatte ich getestet, mir aber schnell eine eigene Lösung gesucht und diese implementiert. Die übrigen Module, obwohl bezahlt, wurden nie in Betrieb genommen. Die Gründe dafür? Operativer Druck, wenig Unterstützung durch den Anbieter und ein System, das mich in seinen Möglichkeiten nicht überzeugt hat, sehr altmodisch war und sich wenig an unsere eigenen Prozesse anpassen ließ.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur die Technologie zu kaufen, sondern einerseits vorher den Bedarf und die strategische Ausrichtung wirklich gut zu kennen – aber anderseits auch die nötige Zeit und Kompetenzen im Team zu haben, um sie sinnvoll zu nutzen. Ohne ausreichendes Wissen über die Möglichkeiten und den Nutzen bleibt der Erfolg von Digitalisierungsprojekten oft aus.
Der Knowledge-Gap in der Praxis: Drei zentrale Herausforderungen
Unsere Studie und meine Erfahrungen zeigen, dass der Knowledge-Gap sich in verschiedenen Bereichen bemerkbar macht:
Fehlendes Verständnis für digitale Prozesse
Viele HR-Teams haben Schwierigkeiten, die Möglichkeiten moderner Tools zu erkennen und diese in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren. Ohne ein grundlegendes Verständnis bleiben die neuen Systeme oft ungenutzt oder werden ineffizient eingesetzt.
Überzogene Erwartungen an die Software
Unternehmen investieren in teure Lösungen, erwarten jedoch, dass diese automatisch alle Probleme lösen. Wenn das Know-how fehlt, wie die Software optimal genutzt wird, entsteht Frustration – und oft wird die Schuld allein den Tools gegeben.
Widerstand gegen Veränderung
Fehlende digitale Kompetenzen führen oft zu Unsicherheiten und Widerständen im Team. Viele Mitarbeitende sehen Digitalisierung als Bedrohung (es gibt eine große und sicher nicht ganz unbegründete Angst bei der administrativen HR, durch Tools wegrationalisiert zu werden) oder zusätzliche Belastung, anstatt als Chance, ihre Arbeit zu erleichtern. Dabei könnte gerade an dieser Stelle so viel Zeit gewonnen werden, um sie in andere HR-Themen zu investieren. Unsere Studie zeigt auch, dass der Wunsch danach sehr groß ist.
Wie Unternehmen den Knowledge-Gap schließen können
Auch hier will ich natürlich nicht nur auf das Problem eingehen, sondern auch Ideen liefern, wie man sich dem Thema nähern kann – denn auch hier steht man nicht vor einem unlösbaren Dilemma. Hier sind einige Vorschläge dazu:
- Regelmäßige Weiterbildung
Digitale Kompetenz ist keine einmalige Schulung, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Micro-Learning-Einheiten, praxisnahe Workshops und regelmäßige Updates zu neuen Funktionen können helfen, Wissen nachhaltig aufzubauen. - Early Adopters einbinden
Identifizieren Sie im Team/Unternehmen digitale „Botschafter und Botschafterinnen“, die technikaffin sind und neue Tools schnell adaptieren. Diese können als Multiplikatoren wirken und das gesamte Team unterstützen. - Erwartungsmanagement klären
Setzen Sie klare, realistische Ziele für neue Tools und kommunizieren Sie diese im Team. Das hilft, überzogene Erwartungen zu vermeiden und die Akzeptanz zu fördern. Auch das Thema sollte eher ein laufendes denn ein einmaliges sein. - Einfache, intuitive Tools bevorzugen
Wählen Sie Softwarelösungen, die eine benutzerfreundliche Oberfläche haben und ohne intensives Training genutzt werden können. Einfache Tools erhöhen die Akzeptanz und verringern Widerstände. - Anbieter stärker einbinden
Viele Softwareanbieter bieten umfassende Schulungen, Tutorials und Support an. Nutzen Sie diese Angebote aktiv, um Ihr Team fit zu machen – und fordern Sie gezielt Unterstützung ein. Wichtig bei der Implementierung, aber auch laufend – viele Unternehmen kennen gar nicht die laufend neuen Features und Möglichkeiten ihrer Lösungen, weil auch dafür im Alltag oft die Zeit fehlt. - Ängste vor Veränderung abbauen
Um Vorbehalte und Unsicherheiten zu mindern, zeigen Sie Ihrem (HR-)Team konkret auf, was gewonnen wird: Studien sprechen von ca. 10 Stunden pro Woche, die eine HR-Admin-Kraft durch Automatisierung manueller Prozesse einsparen kann. Diese Zeit kann für strategische Themen wie Talententwicklung oder Employer Branding genutzt werden – eine Chance, die HR als gestaltende Kraft im Unternehmen zu stärken.
Fazit: Wissen als Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung
Der Knowledge-Gap ist eine der größten Hürden für die erfolgreiche Digitalisierung in der HR. Unternehmen müssen erkennen, dass digitale Kompetenz keine nette Zusatzqualifikation, sondern eine grundlegende Fähigkeit ist. Wer in die Entwicklung seines Teams investiert, schafft nicht nur die Basis für den Erfolg moderner Tools, sondern steigert auch die Zufriedenheit und Effizienz der Mitarbeitenden.
DOWNLOAD der Studie
Gast-Autor
Martin Sulzbacher ist Mitgründer und Geschäftsführer der pemundo GmbH. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Personal- und Organisationsberatung sowie in leitenden Funktionen in HR-Tech-Startups bringt er umfassendes Fachwissen in den Bereichen HR-Prozesse, Digitalisierung und den Vertrieb innovativer Lösungen mit. Seine besondere Leidenschaft gilt der Optimierung von HR-Prozessen und der Unterstützung von Unternehmen bei der Implementierung effizienter HR-Softwaresysteme. Darüber hinaus ist er ein erfahrener Lehrbeauftragter, ein engagierter Netzwerker und ein geschätzter Redner.