Achtsamkeitsübungen sollen der allgegenwärtigen Automatisierung und KI gegenwirken. Welche Tools – zusätzlich zu Achtsamkeitstraining – gibt es noch und worin kann KI – aus Sicht von Coaching – zu einer besseren Work-Life-Balance beitragen?

Links der HR-Branche Coaching (Business Coaching & C. Ausbildungen)
⇒ Anbieter-Vergleich
⇒ Redaktion
Experten-Interview
Achtsamkeitsübungen & Co um KI & Digitalisierung gegenzusteuern
In welcher Form kann Achtsamkeitstraining dazu beitragen, dem Übermaß an KI-Technologien & Digitalisierung im Berufsalltag gegenzusteuern?
Mag. Dagmar Grafeneder (KICK OFF)
Künstliche Intelligenz generiert sich aus einer nahezu unendlichen Menge vorhandener Daten und ist damit ein mächtiges Werkzeug zur Mustererkennung und Problemanalyse. Solange jedoch keine sogenannte Superintelligenz geschaffen ist, die durch die Verbindung und Interaktion von Maschinen tatsächlich Neues kreieren könnte, bleibt KI vergangenheitsbezogen und datenfixiert. Das bedeutet, dass sie lediglich bestehende Informationen neu kombiniert, ohne die kreative Dynamik eines Menschen zu erreichen.
Im Coaching setzen wir bewusst auf Achtsamkeitsübungen, die den Fokus auf den Menschen und seine Gefühle legen. Diese fördern nicht nur eine tiefere Selbstwahrnehmung, sondern schaffen auch einen Raum, in dem echte Verbindung und Entwicklung möglich werden. Damit stellen sie ein wichtiges Gegengewicht zur datengetriebenen Logik der KI dar. Die Fähigkeit, sich in den Moment einzulassen, Intuition zu nutzen und emotionale Resonanz herzustellen, ist ein zentraler Bestandteil unserer hyposystemischen Ansätze. Diese Qualitäten sind entscheidend, um im Coaching individuelle Wege und Lösungen zu gestalten, die weit über das hinausgehen, was KI leisten kann.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO)
Achtsamkeitstraining helfen dabei, digitalen Stress zu reduzieren, indem sie den Geist beruhigen und die kognitive Überlastung durch ständigen Informationsfluss und Multitasking mindern. Durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen entwickeln Menschen eine bessere Selbstwahrnehmung, wodurch sie bewusster entscheiden können, wann und wie sie digitale Technologien nutzen, anstatt sich von ihnen steuern zu lassen. Gleichzeitig fördern Achtsamkeitstraining die Fokus- und Konzentrationsfähigkeit, sodass Ablenkungen durch digitale Medien reduziert und Aufgaben mit mehr Tiefe bearbeitet werden können. Dies führt zu einer bewussteren Nutzung von Technologie, bei der gezielt Pausen eingelegt werden und die digitalen Werkzeuge sinnvoll zum Einsatz kommen. Darüber hinaus stärken Achtsamkeitstechniken zwischenmenschliche Beziehungen, indem sie Empathie und soziale Präsenz fördern, was besonders in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt von Bedeutung ist.
Insgesamt ermöglicht Achtsamkeit einen reflektierten und nachhaltigen Umgang mit digitalen Technologien und KI-Systemen, sodass deren Vorteile genutzt werden können, ohne dass das Wohlbefinden darunter leidet.
Welche weitern Praktiken & Tools eignen sich vielleicht noch besser?
Mag. Dagmar Grafeneder (KICK OFF)
Achtsamkeitsübungen, die sich besonders gut für das Coaching und als Gegengewicht zur datenfixierten Logik der KI eignen, sind vor allem solche, die den Klienten helfen, in den Kontakt mit sich selbst und ihren Umwelten zu treten. Dazu zählen beispielsweise Atemübungen, die nicht nur zur Beruhigung, sondern auch zur Fokussierung auf den gegenwärtigen Moment beitragen. Bodyscans sind eine weitere wirkungsvolle Technik, die Klienten dabei unterstützt, ihre körperlichen Empfindungen bewusst wahrzunehmen und Emotionen besser zu verstehen.
Im hyposystemischen Coaching nutzen wir ergänzend spezielle Techniken, die Achtsamkeit fördern und gleichzeitig systemische Zusammenhänge berücksichtigen. Dazu gehört die Arbeit mit inneren Bildern, bei der Klienten ihre innere Welt visualisieren und erkunden. Diese Methode schafft Klarheit über unbewusste Muster und ermöglicht neue Perspektiven.
Ebenso hilfreich sind lösungsorientierte Tranceübungen, die Klienten in einen ressourcenvollen Zustand versetzen und ihnen Zugang zu unbewussten Kompetenzen verschaffen. Ein weiteres Beispiel ist das „Time Line Coaching“, bei dem Klienten bewusst innere Zeitreisen unternehmen, um Ressourcen aus der Vergangenheit zu integrieren oder Visionen für die Zukunft zu entwickeln.
All diese Techniken fördern die Selbstregulation und die persönliche Kreativität – Qualitäten, die über die rein analytischen Fähigkeiten der KI weit hinausgehen.
Peter Schäfer (Schäfer Digital)
Es gibt viele andere Ansätze und Tools, die sich besser eignen als Achtsamkeitsübungen, beispielsweise Zeitmanagementmethoden wie die Pomodoro-Technik oder Time-Blocking. Diese Zeitmanagementmethoden sollen Mitarbeitenden Personen als Hilfestellung angeboten werden, um Struktur in den Tag zu bringen und Multitasking zu minimieren.
Auch Digital-Detox-Praktiken, wie Tech-freie Zonen können hier eingesetzt werden, um der Digitalisierung gegenzusteuern. Praktiken wie „Mindful tech use“ sollen Notifikationen minimieren und ununterbrochene Arbeitszeiten, ohne digitale Ablenkung, fördern.
FH-Prof. Mag. Dr. Christina Schweiger (FHWien der WKW)
Neben den klassischen Achtsamkeitsübungen gibt es eine Reihe weiterer Praktiken und Tools, die die digitale Balance fördern können. Eine interessante Methode ist „Digital Detox“, bei dem man gezielt längere Phasen ohne digitale Geräte verbringt – sei es über das Wochenende oder auch nur für einen Abend. Das schafft Raum für echte Offline-Erlebnisse und kann helfen, den „immer-online“-Zustand zu hinterfragen. Ebenso können strukturierte Journaling-Techniken helfen, Gedanken zu ordnen und Stress abzubauen. Tools wie „The Five-Minute Journal“ bieten eine einfache, aber effektive Methode, den Tag mit positiven Gedanken zu starten und abzuschließen.
Achtsamkeitstrainings sind aber für jeden individuell: es kann der wöchentliche Tanzkurs sein, die Yogastunde oder der Spieleabend mit der Familie. Letztlich geht es darum, ein Gleichgewicht zu finden und immer wieder neu zu justieren – je nachdem, wie digital unser Alltag ist.
Corinna Ladinig, MBA (CTC)
Folgende Möglichkeiten haben wir u.a., um KI Technologien und Digitalisierung nicht überhand kommen zu lassen:
- Bewusst entscheiden, ob man digitale oder analoge Arbeitsmethoden verwendet. Den Einsatz von Flipcharts und Pinwänden wieder bewusst forcieren
- Mikropausen etablieren: Kurze, regelmäßige Pausen ohne Bildschirmkontakt (z. B. für Stretching oder einen kurzen Spaziergang) einplanen und monitoren – sich belohnen, wenn es gelingt
- Monotasking anstatt Multitasking: Fokussiertes Arbeiten an einer Aufgabe ohne ständigen Wechsel zwischen digitalen Plattformen
- Echte Kommunikation in Begegnungen fördern, Interessensfragen stellen und aktiv zuhören. Wieder mehr Interesse am Gegenüber aufbauen.
- Weniger, aber gehaltvollere Meetings abhalten und sich von oberflächlichen (wo geht) fernhalten.
- Bewusste Abschaltzeiten einführen: digitale Arbeitszeit bewusst beenden und Regeln für den Gebrauch von digitalen Tools überlegen. Zum Beispiel am Samstag digital detoxen oder ab 22h oder im Urlaub digitale Tools erheblich reduzieren.
Kreative Offline-Aktivitäten: gemeinsam wieder mehr spielen (Gesellschaftsspiele) oder Sport machen oder kreative Aktivitäten wie malen, töpfern, schnitzen oder handletterin beginnen oder wieder aufnehmen.
KI für bessere Work-Life-Balance
Wie kann KI – aus Sicht von Coaching – zu einer besseren Work-Life-Balance beitragen?
Miglena Doneva-Doncheff (ITO):
KI kann durch Personalisierung und Datenanalyse dabei unterstützen, Stressmuster und Belastungsspitzen frühzeitig zu erkennen. Diese Informationen können als Ausgangspunkt für die Arbeit mit einem professionellen Coach genutzt werden. Digitale Coaching-Tools oder KI-gestützte Wellbeing-Apps analysieren Arbeitsgewohnheiten und geben individuell zugeschnittene Empfehlungen, um Erholungspausen effektiver zu gestalten oder ungünstige Verhaltensweisen zu verändern.
Corinna Ladinig, MBA (CTC):
KI-basierte Anwendungen können helfen, Routinetätigkeiten zu automatisieren, wie zB. die Planung von Meetings, das Verwalten von E-Mails oder die Auswertung von Daten, wodurch wertvolle Zeit für Wesentlicheres frei wird.
KI-Coaching-Tools wie Chatbots können niedrigschwellige Unterstützung bei der Selbstreflexion bieten, indem sie Fragen stellen, Fortschritte analysieren und personalisierte Empfehlungen geben.
Darüber hinaus kann KI durch die Analyse von Workload und Stresslevel frühzeitig Überlastungssignale erkennen und gezielte Handlungsempfehlungen geben, wie z. B. Pausenzeiten einplanen oder Reminder für Achtsamkeitsübungen bzw. Bewegung schicken.
Wichtig ist, KI nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu persönlichem Coaching zu sehen. Sie hilft, repetitiven Stress zu minimieren und Kapazitäten für das Wesentliche zu schaffen
FH-Prof. Mag. Dr. Christina Schweiger (FHWien der WKW):
Das ist eine spannende Frage und wenn ich gut in mich hinein höre, dann merke ich, dass diese eine Ambivalenz in mir auslöst. Auf der einen Seite können Intelligente Assistenzsysteme wie KI-gesteuerte Kalender oder Task-Management-Apps dabei helfen, Arbeitszeiten besser zu strukturieren, Prioritäten zu setzen und Überlastung zu vermeiden. Sie können auch dabei unterstützen, regelmäßige Pausen einzuplanen oder Erinnerungen zu senden, die an Achtsamkeit und Selbstfürsorge erinnern.
KI kann sogar als Coaching-Tool dienen, indem sie maßgeschneiderte Reflexionsfragen oder Übungen anbietet, die dabei unterstützen, seine Work-Life-Balance regelmäßig zu überprüfen und zu optimieren. Auf der anderen Seite sollten meiner Erfahrung nach Achtsamkeitsübungen zur persönlichen „offline“-Routine werden, um ihre Wirksamkeit voll zu entfalten. Vor allem vor dem Hintergrund der digitalen Erschöpfung ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit KI-Tools zur Entwicklung einer individuellen Achtsamkeitspraxis sinnvoll und zielführend sind.
Peter Schäfer (Schäfer Digital):
KI kann im Coaching auf vielfältige Weise dazu beitragen, die Work-Life-Balance zu verbessern. Durch die Analyse von Zeitfressern und Stressoren sowie die Automatisierung von Routineaufgaben entlastet sie Mitarbeitende und schafft Freiräume. KI-gestützte Tools wie digitale Assistenten oder Coaching-Plattformen bieten personalisierte Empfehlungen für Zeitmanagement, Achtsamkeit und Erholung. Zudem unterstützen sie die Selbstreflexion, fördern gesunde Routinen und helfen dabei, Arbeitslast und Freizeit besser zu organisieren. Indem KI langfristige Muster erkennt und individuelle Strategien entwickelt, ermöglicht sie nachhaltige Verhaltensänderungen für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben.
Fazit: Achtsamkeitsübungen & gezieltes Achtsamkeitstraining
Achtsamkeitsübungen und gezieltes Achtsamkeitstraining wie Meditation, Atemübungen oder Digital Detox bieten einen wertvollen Gegenpol zur zunehmenden Automatisierung und KI-getriebenen Arbeitswelt, indem sie Selbstwahrnehmung und bewusste Technologie-Nutzung fördern. Ergänzend dazu helfen Zeitmanagement-Methoden wie Pomodoro-Technik oder strukturierte Pausen dabei, digitale Erschöpfung zu vermeiden.
KI kann ihrerseits zur Work-Life-Balance beitragen, indem sie Stressmuster erkennt, Routinetätigkeiten automatisiert und personalisierte Empfehlungen für Erholung und Selbstreflexion gibt.
Wichtig bleibt jedoch, KI als Unterstützung und nicht als Ersatz für echte zwischenmenschliche Interaktion und bewusstes Erleben zu betrachten. Ein hybrider Ansatz aus Technologie und Achtsamkeit schafft – wenig verwunderlich – langfristig die beste Balance.
Interviewte Personen: Achtsamkeitstraining und Achtsamkeitsübungen
Achtsamkeitsübungen gegen digitalen Stress: Wie KI und Achtsamkeitstraining sinnvoll zusammenwirken & im Einklang sind
FH-Prof. Mag. Dr. Christina Schweiger
- Head of Study Programs Human Resources & Organization
- FHWien der WKW
- Unternehmens-Profil
- www.fh-wien.ac.at

- Geschäftsführung
- CTC Academy OG
- Unternehmens-Profil
- www.ctc-academy.at

Miglena Doneva-Doncheff
- Coach, Programmleiterin Coaching
- ITO Individuum Team Organisation GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.ito.co.at

Peter Schäfer
- CEO
- Schäfer Digital
- www.schaefer-digital.de

- Managing Partnerin
- KICK OFF Management Consulting GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.kick-off.com
