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Positive Leadership im Fokus | Forschung trifft auf Führungsalltag

14Mär2025
7 min
Positive Leadership

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Führung bedeutet mehr als Prozesse steuern – es geht darum, Menschen zu inspirieren und ihr Potenzial zu entfalten. Positive Leadership zeigt, wie das gelingt – fundiert, wirksam und alltagstauglich.

Gast-Autor: Markus Ebner, www.perma-lead.com

Die Welt der Führungskonzepte gleicht manchmal einem überfüllten Bücherregal: Ob Transformational, Servant, Situational oder Agil – die Auswahl ist schier endlos. Führungskräfte fühlen sich oft wie in einem Supermarkt der Leadershiptheorien.

Der Beitrag von Markus Ebner legt klar, wie Positive Leadership zur Potenzialentfaltung beiträgt und welche Aspekte dabei wichtig sind.

Kernaspekte des Positive Leadership

Positive Leadership zeichnet sich durch drei zentrale Aspekte aus. Zunächst stellt es eine klare Unterscheidung zwischen Management und Leadership heraus: Während Management Prozesse steuert, inspiriert Leadership Menschen und schafft ein Umfeld für Innovation und Engagement. Positive Leadership rückt den Menschen in den Mittelpunkt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Evidenzbasierung, also der Wirkungsnachweis durch wissenschaftliche Studien. Dieser Ansatz bietet Führungskräften somit klare Handlungsrichtlinien, die nachweislich wirken.

Schließlich fokussiert Positive Leadership auf Stärken anstatt auf Schwächen. Diese Haltung motiviert Teams, baut auf vorhandenen Potenzialen auf und schafft nachhaltige Erfolge. So verbindet Positive Leadership wissenschaftliche Fundierung mit praxisnaher Umsetzung.

Die Positive Psychologie als Grundlage für Positive Leadership

Die Positive Psychologie wurde vor ca. 25 Jahren begründet, um herauszufinden, was Menschen wachsen lässt und sie zu ihrem besten Selbst bringt. Als Grundlage für dieses Forschungsgebiet wurde das PERMA-Modell entwickelt (Seligman, 2012). Es beschreibt die fünf Schlüsselfaktoren für die Potenzialentfaltung von Menschen bzw. das „Flourishing“, wie es im Original heißt:

P: Positive Emotions (positive Emotionen), E: Engagement (sich einbringen können), R: Relationships (tragfähige Beziehungen), M: Meaning (Sinn erleben), A: Accomplishment.

PERMA liefert Bausteine, die menschliches Wachstum und Entfaltung fördern, ähnlich wie Nährstoffe eine Pflanze gedeihen lassen. Wenn dieses Modell nachweislich Potenziale entfaltet, sollte es auch die Basis für gutes Führungsverhalten sein. Doch in der Realität zeigt sich oft das Gegenteil: Führung ist häufig defizitorientiert. Feedback beschränkt sich meist darauf, Fehler zu benennen oder Defizite auszumerzen, statt Stärken sichtbar zu machen.

PERMA-Lead: Ein praktischer und evidenzbasierter Führungsansatz

Wie kann Führung also gestaltet werden, um das PERMA der Mitarbeitenden gezielt zu fördern? Mit dieser Fragestellung haben mein Team und ich vor einigen Jahren das PERMA-Modell zu einem Führungsmodell – dem PERMA-Lead-Modell – weiterentwickelt (Ebner, 2024b).

Positive Leadership PERMA-Lead
Abbildung 1: PERMA-Lead-Modell

P-Lead: Als Führungskraft zu Positiven Emotionen beitragen

In den letzten Jahrzehnten haben Studien gezeigt, wie stark eine positive Stimmung die Leistungsfähigkeit und Kreativität von Menschen beeinflusst.

Barbara Fredricksons „Broaden-and-Build-Modell“ zeigt, wie positive Emotionen die Wahrnehmung erweitern und den Aufbau von Ressourcen vorantreiben (Fredrickson, 2004). Beispielsweise wird eine neue Mitarbeiterin eher Kollegen ansprechen und tragfähige Beziehungen aufbauen, wenn sie sich in einer positiven Gefühlslage befindet.

Dabei helfen konkrete Maßnahmen wie: Jeden Morgen mit einem motivierenden Teambriefing starten oder regelmäßig kurze Erfolgsgeschichten im Team teilen. Solche kleinen Schritte können eine große Wirkung entfalten.

E-Lead: Stärkenorientiertes Führen

Im Organisationskontext zählen die Schnittmengen aus individuellen und für das Unternehmen relevanten Stärken. Studien zeigen, dass der Einsatz persönlicher Signaturstärken die Leistung steigert und positives Verhalten fördert. Führungskräfte sollten diese Vielschichtigkeit verstehen: Stärkenorientierung ist keine Alternative zu Schwächenmanagement, sondern ergänzt es sinnvoll.

Für Führungskräfte ergeben sich klare Maßnahmen, um stärkenorientiertes Führen in die Praxis umzusetzen: Regelmäßige „Stärken-Runden“, in denen Mitarbeitende konkrete Erfolge teilen, fördern gegenseitiges Lernen. Projektrotationen bieten die Möglichkeit, neue Stärken in ungewohnten Aufgabenfeldern zu entdecken.

R-Lead: Beziehungen im Team stärken

Nach den Anschlägen von 9/11 untersuchten Psychologen, warum einige Nachrichtendienst-Teams erfolgreicher waren als andere (Grant, 2013). Das Ergebnis: Der stärkste Faktor war gegenseitiger Support.

Teamkulturen werden stark durch den Führungsstil geprägt. Teams, in denen nur Einzelne für Erfolge gefeiert werden, entwickeln oft eine Nehmer-Kultur. Führungskräfte fördern eine Geber-Kultur, indem sie den Teamerfolg als Gemeinschaftsleistung würdigen.

Führungskräfte können die Beziehungsqualität mit verschiedenen Maßnahmen fördern: Interne Jobrotation ermöglicht Mitarbeitenden, sich bereichsübergreifend kennenzulernen. Offene Gesprächskulturen und gemeinsame Rituale stärken den Teamzusammenhalt.

M-Lead: Sinn in der Arbeit erleben

Der Faktor „Sinn“ ist eng mit den anderen PERMA-Elementen verknüpft. Wie sich Sinn konkret auswirkt, zeigt beispielhaft eine Studie an Fundraisern (Grant et al., 2007). Eine Gruppe lernte zehn Minuten lang Studierende kennen, die von den gesammelten Geldern profitierten, während andere Gruppen nur Briefe erhielten oder gar keinen Kontakt hatten. Das Ergebnis: Die Gruppe mit persönlichem Kontakt sammelte 171 % mehr Gelder ein als zuvor. Sinnhaftigkeit hat also messbare Auswirkungen.

Für Führungskräfte ergeben sich klare Handlungsfelder, nämlich Mitarbeitende dabei zu unterstützen, das „große Ganze“ zu sehen. Das kann durch regelmäßiges Nachfragen nach unsinnig erlebten Tätigkeiten, gemeinsame Zielerarbeitung und abteilungsübergreifenden Austausch erreicht werden.

A-Lead: Erreichtes sichtbar machen

Das Gefühl, durch eigenes Zutun Einfluss auf eine Zielerreichung nehmen zu können, ist essenziell für unser psychisches Wohlbefinden und die Motivation, sich zu engagieren.

Führungskräfte fördern die Selbstwirksamkeit, indem sie Erfolge sichtbar machen und Mitarbeitende aktiv dadurch begleiten, Erfahrungen des Gelingens zu sammeln. So können beispielsweise erreichte Ziele gemeinsam gefeiert werden, bevor zum nächsten Schritt übergegangen wird, oder auch persönliche Wachstumsziele mit Mitarbeitenden vereinbart werden.

PERMA-Lead zeigt Wirkung

Die Wirkung von PERMA-Lead wurde mittlerweile in zahlreichen Studien nachgewiesen (Ebner, 2024b). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von einem Positive Leader geführt werden, zeigen deutlich weniger Stresssymptome und eine messbar geringere Burnout-Gefährdung. Zwei unserer aktuellen Replikationsstudien zeigen diese Effekte bei Krankenhauspersonal und der Polizei. Die präventive Wirkung erstreckt sich dabei nicht nur auf die Mitarbeitenden, sondern auch auf die Führungskraft selbst.

Auch für die Führungskräfte selbst hat es einen Vorteil: Jene, die Positive Leadership praktizieren, sind resilienter, bewältigen stressige Situationen gelassener und kommen nach beruflichen Rückschlägen schneller wieder auf die Beine. In einer aktuellen Studie haben wir 2.504 Führungskräfte nach ihrer Resilienz und ihrem Führungsverhalten befragt (Selbsteinschätzung) und anschließend aus einer Auswahl dieser Gruppe von 1.822 Mitarbeitenden eine Fremdeinschätzung eingeholt. Die Ergebnisse, die Sie in Abbildung 2 sehen, zeigen deutlich: Sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdeinschätzung zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen dem PERMA-Lead-Führungsverhalten und der Resilienz von Führungskräften.

PERMA-Lead-Verhalten
Abbildung 2: PERMA-Lead und Resilienz Selbst - und Fremdeinschätzung

Letztendlich profitieren auch Organisationen direkt von diesem Ansatz: In Einzelhandelsfilialen, deren Filialleitung nach dem Prinzip von Positive Leadership führt, geben Kundinnen und Kunden mehr Geld aus. Und nicht zuletzt: Die Fluktuation in Teams, die einen Positive Leader haben, ist deutlich geringer als in jenen Teams, deren Führungskraft weniger nach diesem Prinzip führt.

PERMA-Lead in der HR-Praxis

Das PERMA-Lead-Modell hat längst den Weg von der Theorie in die Praxis gefunden. Zahlreiche Organisationen – von großen Unternehmen wie Verbund, Lidl, IKEA, Bosch, Neuroth, Aldi über Spitäler wie das Rudolfinerhaus in Wien bis zur Polizei oder auch Schulen – nutzen diesen Ansatz, um ihre Führungskultur und Organisationsentwicklung aktiv zu gestalten (Ebner, 2024a). Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt an praxiserprobten Messinstrumenten, die Führungskräften und Organisationen ermöglichen, die Wirkung von Positive Leadership sichtbar zu machen.

Der PERMA-Lead Profiler bietet Führungskräften eine fundierte Selbstreflexion und zeigt, wie ihre Führungspraktiken mit den PERMA-Elementen übereinstimmen. Weiters ermöglicht ein spezifisches 360-Grad-Feedback eine umfassende Perspektive durch die Einbindung von Teammitgliedern, Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten. Das fördert nicht nur eine realistische Selbsteinschätzung, sondern bietet auch konkrete Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung.

Für eine ganzheitliche Betrachtung auf Organisationsebene steht die Organisationskulturanalyse zur Verfügung. Sie beleuchtet, wie stark die Prinzipien von Positive Leadership in der Unternehmenskultur verankert sind und welche Bereiche gezielt weiterentwickelt werden können.

Die breite Anwendung dieser Instrumente spiegelt sich auch in der wachsenden Zahl an ausgebildeten Profis wider: Mittlerweile sind rund 1.500 Beraterinnen und Berater für PERMA-Lead zertifiziert. Sie bringen Positive Leadership in unterschiedlichste Branchen – von Gesundheitswesen über Bildung bis hin zur Industrie. Sie führen mit den Messinstrumenten Testungen durch und begleiten Führungskräfte und Organisationen dabei, das volle Potenzial ihrer Teams zu entfalten und gleichzeitig die Resilienz und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu fördern.

Positive Leadership nach dem PERMA-Lead-Modell verbindet evidenzbasierte Ansätze mit praxiserprobten Werkzeugen, um nachhaltige positive Veränderungen in der Arbeitswelt zu bewirken.

Gast-Autor: Positive Leadership

Dr. Markus Ebner ist Wirtschafts- und Organisationspsychologe und lehrt an den Universitäten Wien und Klagenfurt. Er hat die erste Gastprofessur für Positive Leadership an der Universität Konstanz inne und zählt zu den führenden Experten dieses Fachgebiets. Seit über 20 Jahren begleitet er als Coach und Organisationsentwickler Führungskräfte und Unternehmen. 2021 wurde seine Arbeit mit dem „Research to Practice Award“ der IPPA ausgezeichnet.

www.perma-lead.com

Markus Ebner

Literatur: Positive Leadership

  • Ebner, M. (2024b). Positive Leadership. Mit PERMA-Lead erfolgreich führen. Wien: Facultas.
  • Fredrickson, B. L. (2004). The broaden-and-build theory of positive emotions. Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences, 359(1449).
  • Grant, A. (2013). Givers take all: the hidden dimension of corporate culture. McKinsey Quarterly, 2, 52-65.
  • Grant, A. M., Campbell, E. M., Chen, G., Cottone, K., Lapedis, D., & Lee, K. (2007). Impact and the art of motivation maintenance: The effects of contact with beneficiaries on persistence behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 103(1), 53-67.
  • Seligman, M. (2012). Wie Menschen aufblühen: die positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel-Verlag.

Die aktuellen Bücher von Dr. Markus Ebner

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