Zu viele Aspekte und Variablen sind involviert, um eine internationale Zusammenarbeit in einem multikulturellen Kontext vorhersehbar und friktionsfrei zu machen. Welche Rolle eine Corporate Culture dabei spielt, wollen wir hier näher betrachten.
Autorin: Dr. Karin Schreiner ist interkulturelle Consultant und Coach (www.iknet.at)
Auch wenn internationale Zusammenarbeit heute gang und gäbe ist, wirft sie dennoch immer wieder neue Fragen auf. Folgende Themenbereiche erwarten Sie:
- Bedeutung von Unternehmenskultur ganz allgemein
- Wenn zwei starke Unternehmenskulturen aufeinandertreffen
- Corporate Culture im multikulturellen Kontext
Bedeutung von Corporate Culture ganz allgemein
Jedes Unternehmen hat eine so genannte DNA, eine Unternehmenskultur, die idealerweise das Unternehmen wie eine Klammer zusammenhält und aus gemeinsamen Sichtweisen, Glaubenssätzen und Normen sowie zugrundeliegenden Wertehaltungen besteht. Eine Unternehmenskultur prägt die Art der internen Zusammenarbeit, hat Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft und Motivation der Beteiligten, auf deren Engagement, Zufriedenheit und Qualität der Zielerreichung.
Die Herausforderung besteht darin, alle Mitarbeitenden in diese Unternehmenskultur zu integrieren. Das ist in erster Linie eine Management-Aufgabe und liegt bei den Führungskräften, die die Unternehmenskultur verkörpern und als Role Model auftreten sollten.
Der Spagat zwischen erwünschter und gelebter Unternehmenskultur ist immer wieder eine Herausforderung, vor allem wenn neue Mitarbeitende ins Unternehmen kommen oder neue Akzente in der Unternehmenskultur gesetzt werden.
Einige Aspekte, die es bei Corporate Culture zu berücksichtigen gilt:
- Die postulierten Unternehmenswerte und Normen sollten sich im realen Arbeitsalltag im Unternehmenskontext widerspiegeln
- Die Unternehmenswerte sollten in allen Unternehmensbereichen sichtbar und erkennbar sein
- Angehende Mitarbeitende sollten zur Unternehmenskultur passen
- Die Corporate Culture sollte die Unternehmensstrategie unterstreichen
Wenn 2 starke Unternehmenskulturen aufeinandertreffen
Es ist bekannt: Je stärker die Unternehmenskultur, desto erfolgreicher das Unternehmen. Der Zusammenhang zwischen Effizienz und starker Corporate Culture liegt auf der Hand: Alle ziehen an einem Strang, die Kommunikationsregeln und Normen für Arbeitsabläufe, Entscheidungsprozesse und deren Transparenz sind klar und verbindlich und werden von den Mitarbeitenden geteilt. Daraus folgt, dass die Identifikation mit dem Unternehmen bei der Belegschaft groß ist.
Was passiert, wenn bei einem internationalen Joint Venture zwei starke Corporate Cultures aufeinandertreffen? Wie kann der Prozess der interkulturellen Annäherung gesteuert werden?
Beispiel
Nehmen wir als Beispiel ein Joint Venture zwischen Deutschland und Japan in einem technischen Unternehmenskontext. Im Zuge der Zusammenarbeit traten in der Initialphase kulturelle Unterschiede im Entscheidungsfindungsstil, im Verständnis und der Gestaltung von Arbeit zutage. Weiters im Rollenverständnis und Spannungen in Bezug auf die Verwendung von Englisch als gemeinsamer Sprache und Japanisch waren deutlich. In diesen Problembereichen führten die kulturell unterschiedlichen Verhaltensweisen zu Spannungen, da das Verhalten von den jeweiligen deutschen oder japanischen Erwartungen abwich. In der Folge waren die betroffenen Führungskräfte dazu gezwungen, diese Unterschiede anzuerkennen und darüber zu verhandeln, wie man sich aneinander anpassen und das Verständnis füreinander wachsen kann und in welchen Bereichen ein Unterschied bestehen bleibt.
Folgende Fragen sind bedeutend, wenn zwei starke Corporate Cultures aufeinandertreffen:
- Wie entsteht eine gemeinsame Arbeitskultur in einer multikulturellen Organisation (z.B. nach einem Joint Venture)?
- Welchen Einfluss haben der jeweilige Arbeitskontext und die involvierten Mitarbeitenden auf das Management generell und auf den Prozess des Schaffens einer neuen Kultur?
- Wie bringen sich in dieser neuen Arbeitssituation die beteiligten Mitarbeitenden mit ihrem jeweiligen kulturellen Hintergrund ein?
- Was wird ausgehandelt?
Heute wird unter Kultur eine Reihe von Symbolen, Bedeutungen und Praktiken verstanden, die durch die Interaktion von Gruppenmitgliedern geschaffen und reproduziert werden. Zum Beispiel bei einem Joint Venture entsteht eine neue Kultur durch die Verständigung der Mitarbeitenden beider Unternehmen, indem diese sich auf bestimmte Weisen der Zusammenarbeit einigen. Dieser Prozess wird auch Aushandlungsprozess genannt.
Das Ergebnis ist immer abhängig von den jeweiligen Akteuren und den jeweiligen Corporate Cultures der beteiligten Unternehmen.
Corporate Culture im multikulturellen Kontext
Eine Unternehmenskultur in einem kulturell diversen Setting lässt sich daher nicht im Vorhinein bestimmen. Eine Corporate Culture ist jedoch in der internationalen Zusammenarbeit, gerade bei Joint Ventures, wichtig, um einen inneren Zusammenhalt zu gewährleisten und Mitarbeitenden eine Orientierung zu geben.
Sie ist immer von mehreren Faktoren abhängig: von
- den beiden Unternehmen und dem Kontext, in dem diese stehen
- den involvierten Personen und deren kulturellen Hintergründen
- den beteiligten Nationalkulturen und deren Image
- des a priori vorhandenen interkulturellen Verständnisses und Kulturwissens sowie der internationalen Erfahrungen der Beteiligten
Eine Corporate Culture bei einer internationalen Zusammenarbeit oder in einem multikulturellen Kontext entsteht in einem längeren Aushandlungsprozess. Dabei geht es um eine gegenseitige Annäherung, um Aufbau von Kulturwissen, ein Kennenlernen und ein Akzeptieren von kulturellen Unterschieden sowie der Entwicklung eines tieferen Verständnisses füreinander durch die Kenntnis von Basiswerten. Das nennet man auch Aufbau von interkultureller Kompetenz in der Zusammenarbeit.
Ein solcher Prozess, eine Corporate Culture zu schaffen, braucht Zeit und Raum. Interkulturelle Interventionen können diesen Prozess begleiten. Bikulturelle Personen, die beteiligt sind, können als kulturelle Brückenbauer vermitteln.
Corporate Culture | Unternehmenskultur im multikulturellen Kontext
Autorin
Dr. Karin Schreiner ist interkulturelle Consultant und Coach (www.iknet.at) für interkulturelles Management &kulturelle Diversität. Sie ist Ihre Ansprechpartnerin für interkulturelle Trainings in Österreich und europäischen Länder sowie Indien, China, Japan, Süd-Korea.

Quellen
Mary Yoko Brannen, Jane E. Salk, Partnering across Borders. Negotiating Organizational Culture in a German-Japanese Joint Venture. Human Relations, Tavistock Institute, London, Vol. 53 No. 4, pp. 451-487, June 2000
Agnieska Knap-Stefaniuk, Beata Domanska-Szaruga, The Importance of Organisational Culture in a Multicultural Work Environment, 2023, http://orcid.org/0000-0001-7290-4197
Erin Meyer, Build a Corporate Culture that Works, in: Harvard Business Review 08/2024