Wissenschaftliche Tests haben den Gütekriterien Objektivität, Validität und Reliabilität zu folgen. Potenzial-Analysen sind wissenschaftliche Verfahren. Zweifelsohne. Doch wie sinnvoll ist es, diesen klar wissenschaftlichen Anspruch der Gütekriterien in der praktischen Wirtschaftswelt zu fordern?
Experten-Interview
Wissenschaftliche Gütekriterien – Definition lt. Wikipedia:
|| Objektivität: Bei guten Messinstrumenten sind die Messwerte unabhängig vom Messenden; dieses Gütekriterium heißt Objektivität oder Beobachterübereinstimmung.
|| Reliabilität: Auch liefern gute Messinstrumente zuverlässig von denselben Objekten dieselben Messwerte; dieses Kriterium heißt Reliabilität oder Reproduzierbarkeit.
|| Validität: Das dritte Gütekriterium, die Validität, ist ein Maß dafür, ob die bei der Messung erzeugten Daten wie beabsichtigt die zu messende Größe repräsentieren.
Nur dann können die Daten sinnvoll interpretiert werden. Die Validität wird durch Experten-Schätzung festgelegt. Die Gütekriterien bauen aufeinander auf; ohne Objektivität keine Reliabilität, ohne Reliabilität keine Validität.
Interview: PotenzialAnalysen & wissenschaftliche Gütekriterien
Welche dieser Gütekriterien sind für Ihre Potenzial-Analyse relevant?
Petra Schulte (USP-D Consulting): Aus unserer Erfahrung, geht es dem Kunden weitaus mehr um einen unternehmensspezifischen als um einen akademischen Zugang. Je näher das Übungsszenario und das Testinstrument an der Wirklichkeit der Organisation entlang gearbeitet ist, desto höher ist die Validität in Bezug auf die Aussagen der Passbarkeit des Teilnehmers für die Organisation. Gleiches gilt für die Identifikation der Entwicklungsfelder und Stärken im Rahmen dieser Organisation.
Potenzialanalysen, die nicht durch mehrdimensionale Testverfahren gestützt werden, können nicht objektiv sein. Die größtmögliche Objektivität wird durch die Vielzahl der Betrachtungen und Betrachtungswinkel ermöglicht. Es wird trotzdem nie eine endgültige Objektivität, sondern nur ein Näherungswert erreicht.
Unterschiedliche Subjektivitäten: die des Unternehmens, der Mitarbeiter und des Beratungssystems führen zu einer scheinbaren Objektivität, die aber für das Unternehmen die Passbarkeit darstellen.
Mag. Alfred Lackner (Lackner & Kabas): Die klassischen Gütekriterien Objektivität, Validität und Reliabilität stellen die Basis dar. Hinzu kommen auf der Instrumentenseite die Ökonomie (Kosten-Nutzen Relation) und die Nützlichkeit (für Teilnehmer, Entscheidungsträger und HR).
Die erfolgreiche Integration des Themas Potenzialanalyse in das Unternehmen erfordert die Beachtung von Akzeptanz, Transparenz, Relevanz und Verbindlichkeit („Gütekriterien für den Beratungsprozess“). Mit den besten Instrumenten und einem mittelmäßigen Beratungsprozess ist Scheitern wahrscheinlich. Mit durchschnittlichen Instrumenten und einem sehr guten Prozess kann eigentlich wenig schief gehen. Unser Ziel ist es mit sehr guten Instrumenten (die Wiener Potenzialanalyse ist wissenschaftlich fundiert & verwendet ein für die Potenzialdiagnostik geeignetes Messmodell) und einem sehr guten Prozess unsere Kunden zufrieden zu stellen.
Michael Herdlitzka (Inst.f. Soziale Kompetenz): Wie für jedes seriöse Testverfahren natürlich alle – daran kann man gute von eher „handgestrickten“ Verfahren unterscheiden.
Auf welchen Studien/sonstigen Erfahrungen basieren Ihre Ergebnisse?
Fritz Zehetner (SIZE Prozess): Wir haben die Evaluierung zur Gänze an Univ. Prof. Dr. Thomas Werani (Johannes Kepler Universität Linz) übergeben. Wir haben mit ihm gemeinsam den bestehenden Fragebogen von 2008 bis 2010 überarbeitet und wurden von ihm dabei wissenschaftlich beraten.
Mag. Alfred Lackner (Lackner & Kabas): Wir haben vor über 20 Jahren begonnen uns mit dem Thema Potenzialdiagnostik zu befassen. Die ersten Jahre arbeiteten wir mit einem Potenzialanalyseverfahren, das in den 80er Jahren am Max Plank Institut in München entwickelt wurde. Nach einigen Jahren Praxis haben wir den Ansatz gemeinsam mit der Universität Wien weiter entwickelt. Das Ergebnis ist die Wiener Potenzialanalyse – ein faktorenanalytisch und itemmetrisch begründetes Persönlichkeitsverfahren, dass die Kriterien der klassischen und modernen (Rasch-Homogenität) Testtheorie erfüllt. Dr. Kabas hat seine Dissertation darüber geschrieben. Die Wiener Potenzialanalyse® gibt es mittlerweile für verschiedenste Zielgruppen in unterschiedlich „feiner“ Auflösung (9/16/35 Faktoren). Die neueste Entwicklung ist ein Persönlichkeitstest der flexibel auf die Anforderungen der Kunden angepasst werden kann – damit wird die „Kluft“ zwischen in Unternehmen vorhandenen Anforderungsprofilen und „vorgefertigten“ Persönlichkeitstests überwunden.
Jens Neumann MTD (Hartig & Partners): Praxiserfahrungen aus sämtlichen Projekten bzw. die regelmäßige Überprüfung unserer in Verwendung befindlichen IT-Tools, die Anbieter selbst, die hinsichtlich Validität, Reliabilität regelmäßige Studien durchführen.
Sind diese Gütekriterien für Ihre Kunden von Interesse – wird es aktiv gefragt?
Petra Schulte (USP-D Consulting): Es wird nicht aktiv gefragt. In Briefinggesprächen wird das Thema Objektivität immer wieder angesprochen. Besonders für Neukunden und mögliche interne Zweifler (z.B. Betriebsrat) ist Objektivität relevant. Validität steht am ehesten im Kontext von Einzelappraisal, Management Appraisal oder Management Audit im Zentrum.
Michael Herdlitzka (Inst.f. Soziale Kompetenz): Leider viel zu selten – es handelt sich um Spezialistenwissen.
Jens Neumann MTD (Hartig & Partners): Oft nur für gut ausgebildete Personalentwickler ein Thema – letztlich zählt auch die Praktikabilität des Prozesses und dessen Ergebnisse sprechen für sich. Einmal probiert, oftmals wiederholt eingesetzt.
Die Gesprächspartner
PotenzialAnalysen & wissenschaftliche Gütekriterien
Mag. Alfred Lackner LACKNER & KABAS Fritz Zehetner SIZE PROZESS® Jens Neumann MTD Hartig & Partners GmbH Petra Schulte USP-D Consulting GmbH Michael Herdlitzka Institut für Soziale Kompetenz |