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Ein Praxisbericht | Lean Management & KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess)

28Aug2014
7 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Für High-Performance-Unternehmen gilt: Der Kunde ist König. Das geht nur mit einem Lean Management Konzept, und ein integraler Bestandteil ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess auf allen Gebieten. Denn ohne ihn kann kein Unternehmen auf Dauer aus Sicht seiner Kunden Spitzenleistungen erbringen. Wie eine solche Kultur in den Köpfen der Mitarbeiter eines Großunternehmens und in dessen Prozessen verankert werden kann, beschreibt der folgende Projektbericht.

 

Die meisten Unternehmen haben Initiativen ergriffen, um die Performance der Organisation kontinuierlich zu erhöhen – häufig mit durchwachsenem Erfolg. Denn es gelang ihnen nicht, das Streben nach Qualität so in den Köpfen ihrer Mitarbeiter und in den Prozessen zu verankern, dass dieses ein fester Bestandteil der Alltagsarbeit ist.

Ähnlich war die Ausgangssituation bei einem international tätigen Finanzdienstleistungskonzern aus Deutschland Anfang 2013. Auch er hatte schon zahlreiche Initiativen gestartet, um das Streben nach Verbesserung sozusagen in der DNA seiner Organisation zu verankern – unter anderem ein sogenanntes Excellence-Programm, um die Kompetenz der Mitarbeiter, Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und Verschwendung zu vermeiden, zu erhöhen.

Die Excellence-Aktivitäten hatten messbare Erfolge. Ein Manko war jedoch: Die Verbesserungen beschränkten sich auf die Abläufe in einzelnen Bereichen, obwohl die kundenrelevanten Leistungen bei dem Finanzdienstleister meist in cross-funktionalen Prozessen erbracht werden. Außerdem existierte kein bereichsübergreifendes Vorgehen beim Versuch, die Performance zu erhöhen. Das Hauptmanko war jedoch: Das Streben nach Verbesserung wurde vielfach nicht als integraler Bestandteil der Alltagsarbeit gesehen. Entsprechend unsystematisch war das Vorgehen.

Lean Management wird explizit eingeführt

Deshalb entschied der Vorstand im März 2013, aufbauend auf den Excellence-Aktivitäten, ein Lean Management Projekt zu starten. Die Zielpunkte waren, dass

  • das Streben nach Verbesserung ein integraler Bestandteil der Kultur und Alltagsarbeit des Unternehmens wird und
  • hierbei bereichsübergreifend ein einheitliches Verfahren praktiziert wird, sodass das wechselseitige Verstehen steigt und die Einzelinitiativen besser verzahnt sind.

Dabei ließ sich der Vorstand von folgenden Grundgedanken leiten: Top-Leistungen sind das Resultat „guter“ Prozesse, und diese sind das Ergebnis guter Mitarbeiter, die die Arbeitsprozesse beziehungsweise Wertströme pflegen. Damit die Mitarbeiter dies tun, ist auch eine Führungsarbeit nötig, die die Mitarbeiter ermuntert, fördert und fordert, also eine Unternehmenskultur, bei der die Führungskräfte auch eine Coachingfunktion haben.

Pilotprojekt in drei Bereichen gestartet

Der Vorstand entschied, zunächst ein Pilotprojekt in drei Bereichen durchzuführen – auch um zu prüfen, inwieweit sich der Lean Management Ansatz für Dienstleistungsunternehmen eignet. Als Pilot-Bereiche wurden ausgewählt

  • der Firmenkundenbereich,
  • der IT-Bereich und
  • als rein interner Dienstleister der Bereich Human Resources.

Als externen Unterstützer engagierte der Finanzdienstleister das Beratungsunternehmen Kudernatsch Consulting & Solution – wegen seiner Erfahrung mit ähnlichen Projekten.

Danach wurde ein Steuerungsausschuss für das Pilotprojekt eingerichtet. Ihm gehörte auch ein Vertreter des Vorstands an. Außerdem wurde ein Pilot-Kernteam gegründet, das das Lean-Projekt managen sollte. Es bestand aus dem Leiter des Excellence-Programms, der externen Beraterin Dr. Daniela Kudernatsch und den drei Excellence-Coachs, die die Teilprojekte in den drei Pilot-Bereichen betreuen sollten. Zudem wurde in jedem Pilot-Bereich ein Projektteam gebildet, dem neben der jeweiligen Linien-Führungskraft und der externen Beraterin ausgewählte Mitarbeiter des Bereichs sowie der für das Teilprojekt zuständige Excellence-Coach angehörten.

Im Juni 2013 fanden in den drei Pilot-Bereichen Auftaktmeetings mit der jeweiligen Linien-Führungskraft statt. In ihnen wurden anhand von zwölf Leitfragen die drei Wertströme definiert, die in den drei Teilprojekten optimiert werden sollten. An die Auftaktmeetings schloss sich stets ein weiteres Meeting an, an dem auch die beteiligten Mitarbeiter teilnahmen. In ihm wurde ihnen das Gesamtprojekt vorgestellt. Außerdem wurde mit Hilfe eines Formblatts das A3-Proposal, also der Projektauftrag inklusive der zu erreichenden Ziele formuliert.

Nach diesen Vorarbeiten wurde der Masterplan für das Pilot-Projekt erstellt  und im August 2013 dem Vorstand vorgestellt.

Trainingslager für die Pilot-Bereiche

Nachdem der Projektplan vom Vorstand abgesegnet war, begaben sich die Pilotteams in den Bereichen in zweitägige „Trainingscamps“. Dort befassten sie sich nochmals mit den Lean Management-Prinzipien – z.B. dass Leistungen, die Kunden keinen Nutzen bieten, Verschwendung sind. Erläutert wurde den Teilnehmern auch, wie künftig ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess verlaufen soll.

Danach folgte in jedem Pilot-Bereich der sogenannte Gemba-Walk. Bei ihm wurden Prozessbeteiligte und (interne) Kunden anhand von Leitfragen unter anderem danach befragt,

  • wie zufrieden sie aktuell mit dem Wertstrom und seinen Ergebnissen sind,
  • was aus ihrer Warte die zentralen Leistungselemente und Prozessschritte in ihm sind und
  • wo sie Verbesserungsmöglichkeiten sehen.

Die Ergebnisse der Gemba-Walks flossen in zweitägige Value Stream Mapping-Workshops ein, in denen die Projektteams die Wertströme analysierten und „Current state“, Problembereiche und „Future state“ visualisierten. Danach definierten die Projektteams jeweils drei Themenschwerpunkte („Focus areas“) in dem Wertstrom, bei denen sie im weiteren Projektverlauf Verbesserungen vornehmen wollten, um den „Current state“ dem „Future state“ anzunähern.

Führungskräfte als Kata-Coachs geschult

Diese Themenschwerpunkte wurden ab September 2013 von den Projektteams in drei Rapid-Improve-Workshops (RIW), die im Vier-Wochen-Turnus stattfanden, bearbeitet – und zwar in einem systematisierten, aus mehreren Analyse- und Arbeitsschritten bestehenden Verfahren:

  • Schritt 1: Die Projektmitglieder verstehen die von der Vision vorgegebene Richtung der langfristigen Entwicklung.
  • Schritt 2: Die Projektmitglieder analysieren den Ist-Zustand des ausgewählten Wertstroms.
  • Schritt 3: Danach wurde der neue Ziel-Zustand auf dem Weg zum Soll-Zustand definiert. Außerdem ermittelten die Projektmitglieder, welche „Hindernisse“ zu beseitigen sind, um den Ziel-Zustand zu erreichen.
  • Schritt 4: In ihm arbeiteten die Projektmitglieder im PDCA-Verfahren (Plan, Do, Check, Act) schrittweise auf das Erreichen des Ziel-Zustands hin.

Vor den Rapid-Improve-Workshops (RIW) durchliefen die Führungskräfte in den Pilot-Bereichen eine Schulung zum Kata-Coach, der seine Mitarbeiter unterstützt, Veränderungen zu planen und zu realisieren, indem er mit ihnen regelmäßig folgende Fragen bearbeitet:

  • Was ist der Ziel-Zustand des Prozesses?
  • Was ist der aktuelle Ist-Zustand?
  • Was hindert Sie daran, den Ziel-Zustand zu erreichen?
  • Welches Hindernis gehen Sie als nächstes an und was ist der nächste Schritt?
  • Bis wann können wir uns ansehen, was Sie aus dem letzten Schritt gelernt haben?

Nach der Kata-Coach-Schulung fand der erste RIW statt. In ihm befassten sich die Teams mit dem ersten „Focus area“. Die Projektteams versuchten nun zunächst gemeinsam, das Problem zu verstehen, um anschließend zu analysieren, was dessen Ursachen sind und den idealen Ziel-Zustand zu beschreiben, und schließlich in den PDCA-Zyklus einzusteigen.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess & PSCA-Zyklen

Nach einer ersten Planung wurden die Mitarbeiter aktiv (Plan- und Do-Phase). Dabei checkten sie regelmäßig, inwieweit ihr Vorgehen zielführend ist (Check-Phase), bevor sie es im Erfolgsfall in ihr Alltagshandeln überführten, so dass es zum neuen Standard wurde, auf dessen Basis weitere Verbesserungen erfolgen (Act-Phase).

Nach dem ersten RIW folgte das Umsetzen der Maßnahmen auf der Shopfloor-Ebene. Dabei wurden die Linien-Führungskräfte vom zuständigen Excellence-Coach gecoacht, der seinerseits von der externen Beraterin gecoacht wurde. In der Umsetzungsphase trafen sich die Arbeitsteams einmal wöchentlich an der Shopfloor-Tafel in ihrem Bereich, um gemeinsam zu analysieren:

  • Wurden die vereinbarten Maßnahmen durchgeführt?
  • Was hat davon (nicht) funktioniert? Und:
  • Inwieweit haben sich hierdurch die vorab definierten Leistungskennzahlen beziehungsweise Key Performance Indicator (KPI) verändert?

Im zweiten RIW wurde gecheckt: Haben sich die Maßnahmen, die wir beim ersten RIW beschlossen haben, bewährt? Wenn nein, wurden ergänzende Maßnahmen vereinbart. Wenn ja, wurde das veränderte Verfahren zum Standard erklärt. Danach wurde das nächste „Focus area“ analysiert und der nächste PDCA-Zyklus gestartet.  In dieser Umsetzungsphase bis November 2013 besuchten Mitglieder des Vorstands sowie des Excellence-Kernteams drei Mal die Pilot-Bereiche, um sich über den Projektfortschritt zu informieren.

Im Dezember waren die Pilotprojekte in den drei Bereichen beendet. Daraufhin fand jeweils ein halbtägiger Evalutionsworkshop statt. In den Workshops reflektierten die Teams in Anwesenheit ihres Excellence-Coachs und der externen Beraterin den Erfolg des Projekts unter anderem daraufhin:

  • Wurden die im A3-Proposal formulierten Ziele erreicht? Und:
  • Was haben wir im Projektverlauf gelernt?
  • Wie kann es weitergehen?
  • Was sind mögliche Ziele?
  • Was müssen wir tun, um diese zu erreichen?

Die Ergebnisse der Workshops wurden zusammengefasst und dem Excellence-Kernteam präsentiert.

Einstieg in eine Lean Management Kultur

In der nächsten Phase stellte sich das Excellence Kernteam dieselben Fragen wie die Projektteams – jedoch auf Organisationsebene. Es zeigte sich, dass  sich die Lean Management Methoden durchaus auf Dienstleistungsunternehmen übertragen lassen. Dies gilt auch für die Annahmen, dass

  • sich das Streben nach Verbesserung durch ein systematisiertes und weitgehend standardisiertes Vorgehen optimieren lässt und
  • sich im Projektverlauf bei den Mitarbeitern und insbesondere ihren Führungskräften, wenn sie systematisch gecoacht werden, eine Einstellungs- und Verhaltensveränderung vollzieht.

Das heißt, die Führungskräfte durchliefen in dem Lean Management Projekt folgende drei Stufen der Kompetenzentwicklung:

  • Stufe 1: Sie erweiterten ihre Kompetenz, ihr eigenes Führungsverhalten zu analysieren und weiter zu entwickeln.
  • Stufe 2: Sie erwarben die Kompetenz, Mitarbeiter zu coachen und zu entwickeln. Und:
  • Stufe 3: Sie bauten ihre Kompetenz aus, die Mitarbeiter ihres Bereichs beim täglichen Sich-Verbessern (Kaizen) zu unterstützen.

Noch nicht erreicht wurde jedoch die vierte Kompetenz-Stufe, bereichsübergreifend „eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen“, da das Pilotprojekt ja auf drei Bereiche und deren Führungskräfte beschränkt war.

Als zentrale Erfolgsfaktoren erwiesen sich das sehr systematische Vorgehen und das gezielte Schulen sowie systematische Coachen der Führungskräfte. Ein weiterer Erfolgsfaktor war, dass der Vorstand klar signalisierte: Wir erachten dieses Projekt für den künftigen Erfolg des Unternehmens als wichtig, und sind sehr daran interessiert, was hier geschieht.

Vor dem Hintergrund der gesammelten Erfahrungen gelangte das Top-Management des Finanzkonzerns zur Überzeugung: Die im Pilotprojekt genutzten Methoden eignen sich als Instrumente, um die Unternehmenskultur in Richtung Lean Management und die Führungskultur in Richtung Lean Leadership zu entwickeln. Deshalb beschloss der Vorstand im März 2014, den im Pilotprojekt genutzten Wertstromansatz auf breiter Ebene einzusetzen und ihn als Standard für das Verbessern kundenrelevanter Prozesse zu etablieren. Hierfür werden aktuell größere Wertströme ausgewählt, die gemäß dem beschriebenen Verfahren optimiert werden sollen. Außerdem werden die Excellence-Coaches im Bereich Lean Leadership weitergebildet, damit sie künftig die Führungskräfte in der Linie diesbezüglich unterstützend begleiten können.

Kudernatsch_DanielaGastautor: Dr. Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions, Staßlach bei München, die den Finanzdienstleister bei dem Lean-Projekt unterstützt. Sie ist Autorin des Buchs „Hoshin Kanri – Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Management-Tools“ (Tel +49/8170-92233, info@kudernatsch.com, www.kudernatsch.com).

Ein Praxisbericht | Lean Management & KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess)

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