Wie wäre es … rein hypothetisch … wenn das Teambuilding genau dann stattfindet wenn sich das Team bildet? Also vorab, ex-ante anstatt später, ex-post, zu spät, wenn’s eher um Schadensbegrenzung geht als um konstruktives Teambuilding?
Interview
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In Dr. Herbert Strobl, MC fand ich genau den richtigen Gesprächspartner. Er ist über mein „ich überlege wie es wäre wenn“ weit hinaus und zählt Teambuilding zu einer seiner Kernkompetenzen.
Los geht’s:
Herr Strobl, Sie sagen, Teambuilding „ex-ante“ ist einem Teamtraining „ex-post“ vorzuziehen. Was meinen Sie damit und in welchen Situationen sollte Teamentwicklung am besten ansetzen?
Dr. Herbert Strobl, MC: Vereinfacht gesagt geht es beim Teambuilding „ex-ante“ um eine Art Schutzimpfung und nicht um eine komplizierte und ergebnisunsichere Behandlung, wenn der Patient schon schwer krank ist. Gerade wenn sich Teams neu formieren, werden im Innenverhältnis entscheidende Weichen gestellt, die für die Kooperationsfähigkeit nach innen und über die Teameffizienz insgesamt entscheidend sind. Wenn diese Weichen einmal falsch gestellt wurden, ist es unverhältnismäßig schwierig, den Zug wieder in die richtige Richtung zu bringen – wenn es überhaupt noch möglich ist. Echte Hochleistungsteams können entstehen, wenn sich die Menschen in einem Team wertschätzen lernen und einander vertrauen. Das hat überhaupt nichts mit irgendwelchen sozialromantischen Überlegungen zu tun. Es ist einfach viel effizienter und macht auch allen Beteiligten mehr Spaß, wenn man gleich von Anfang an gut zusammenarbeiten kann. Dazu bedarf es eines gemeinsamen Zielbilds im Team, wie die konkrete Form einer guten Zusammenarbeit nach innen ausschaut und wie man das nach außen verankern kann. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Einvernehmen über die vorhandenen Rahmenbedingungen geschaffen wird und dass klare, innere Spielregeln vom Team gemeinsam definiert werden.
Gerade wenn Teams neu aufgestellt werden, ist ein idealer Zeitpunkt mit einem sehr geringen Aufwand belastbare und gut funktionierende Teamstrukturen aufzubauen. Das sehe ich ganz besonders bei Umstrukturierungen und bei Change Prozessen oder auch einfach wenn Teammitglieder wechseln oder neue dazu kommen. Es ist kontraproduktiv einfach zu warten bis sich irgendwelche, möglicherweise dysfunktionale, Teamstrukturen herausgebildet haben, die dann im Reparaturmodus wieder mühsam verändert werden sollen.
Worin unterscheidet sich ex-ante-Teambuilding von ex-post-Team-Reparatur?
Beim ex-ante Teambuilding geht es zuerst einmal darum sich wertschätzend als Mensch kennenzulernen. „Differenzieren kommt vor Integrieren“ d.h. es geht zuerst einmal darum, die vorhandenen Unterschiede im Team wertschätzend und als Ressource für alle sichtbar zu machen. Schon allein damit kann man für die Zukunft eine ständige Quelle für Missverständnisse und Konflikte ganz gut in den Griff kriegen. Weiters muss manches von Anfang an besprechbar gemacht werden: Wie soll bei uns in der Gruppe das Geben und Nehmen von gutem Feedback ausschauen? Woran werden wir das Entstehen von Konflikten frühzeitig erkennen und welche Regeln wollen wir uns dann dafür geben, damit sie nicht weiter eskalieren? Was heißt Selbstorganisation für uns konkret oder wie machen wir uns die aktuelle Teamkultur immer wieder bewusst? Ein ex-ante Teambuilding hat also viele Aspekte von einem Teamcoaching, das die wesentlichen Funktionalitäten in einem Team im Grundsätzlichen anspricht.
Klassische ex-post-Team-Reparaturen erscheinen mir dem gegenüber oft als Symptombehandlung in scheinbaren Sachfragen also z.B. nicht funktionierende Strukturen oder Prozesse. Man beschäftigt sich dann wieder mit der Spitze des Eisbergs. Bekanntlich stoßen aber Eisberge immer zuerst unter der Wasserlinie zusammen!
Es ist mir aber wichtig zu betonen, dass auch dieses ex-ante Teamcoaching kein „abgehobenes Psycho-Ding“ ist, sondern dass wir immer mit den ganz konkreten Aufgaben, Prämissen und Rahmenbedingungen des jeweiligen Teams arbeiten.
Ich vermute, Unternehmen geben leichter Geld aus wenn ein Problem bereits besteht (zB. unrundes Team), dass es Unternehmen jedoch schwieriger fällt, präventiv in Teambuilding zu investieren. Was zeigt Ihre Erfahrung?
Obwohl Teamarbeit das Rückgrat fast jeder Organisation ist, vernachlässigt man oft die Art und Weise wie Menschen besser zusammenarbeiten können. Dabei ist es für jede Firma effizienter und effektiver, wenn die gestellten Aufgaben von den Teams gut erfüllt werden können. Teambuilding wird oft als lästiger Kostenfaktor und nicht als nützliche Investition angesehen. Bei manchen Unternehmen muss schon erst „der Hut brennen“, bevor man bereit ist, dafür Geld auszugeben. Ich war selbst 20 Jahre in Managementfunktionen und weiß, wie unökonomisch eine solche Sichtweise ist. Was ist günstiger? Die Erstbefüllung des Motors mit einem Leichtlauföl oder die vollständige Reparatur des Motors, weil sich die Kolben allmählich bis zum völligen Stillstand festgefahren haben? Vielleicht ist der Motor dann sogar komplett unbrauchbar geworden?
Ich kann nur sagen, dass gerade die minimale Zeit- und Geldinvestition möglichst am Anfang der Formierung eines Teams eine ganz enorme Hebelwirkung in Richtung Produktivität aufweist. Mit sehr wenig Aufwand werden rasch handlungsfähigere und belastbarere Teamstrukturen aufgebaut. Viele wiederkehrende und vor allem unsichere Team-Reparaturversuche kann man sich dann auch gänzlich ersparen. Natürlich schadet später ein gelegentlicher Team Check-up, also eine Art „Ölstandsmessung und Nachfüllung“ in keinem Fall, aber es macht einen fundamentalen Unterschied in welchem Grundzustand sich das Team vorher befindet.
Etliche Firmen haben den Nutzen von einem ex-ante Teamcoaching bereits erkannt und setzen es auch dann immer wieder, wenn sie den Nutzen in der Realität einmal gespürt haben.
Sie bieten 1-2tägige Workshops an. Was kann man in so kurzer Zeit tatsächlich bewegen?
Gerade wenn sich die Teammitglieder noch nicht so gut kennen, ist die positive Hebelwirkung besonders groß. Je leerer das Blatt noch ist, desto einfacher lässt es sich gemeinsam beschreiben. Es sind ja noch kaum eingefahrene Muster und Routinen im neuen Team vorhanden. Natürlich kann das zunächst nur das Schaffen einer Basis sein, aber es macht einen fundamentalen Unterschied, ob das in der Atmosphäre von Vertrauen und Wertschätzung passieren kann oder nicht. Damit der „Garten“ Team wachsen kann, muss zuerst der Boden gut aufbereitet und mit Nährstoffen angereichert sein. Nehmen Sie allein die ganze Verunsicherung der Mitarbeiter während bzw. nach tiefgehenden Change Situationen: Soll der Neustart im aktuellen Team gelingen, muss das Frühere würdig verabschiedet werden können und gleichzeitig ein neues, lohnendes Zielbild herausgearbeitet werden. Da lässt sich auch in nur zwei Tagen intensiver Arbeit sehr viel bewegen und die Wirkung ist in den allermeisten Fällen sofort und unmittelbar spürbar. Natürlich steigt die Wirkung, wenn man in der Folge mehr ins Detail gehen kann, aber es braucht vor allem eine gesunde Basis. Je früher diese geschaffen wird, desto leichter geht es in der Folge.
Welche Inhalte kommen in diesen Workshops auf jeden Fall vor, welche sind optional?
Jeder Workshop wird nach intensiven Vorgesprächen mit den Verantwortlichen individuell geplant. Jede Teamkonstellation hat ja eine eigene Geschichte und ihre Besonderheiten. Allerdings haben sich einige Workshop-Module schon besonders bewährt, weil sie sich vor allem dem schon erwähnten Eisberg in seinen Tiefen nähern. Z. B. ist es hilfreich, die Phasen einer Teamentwicklung auf eine bewusste Ebene zu rücken, weil damit eine Art Normalisieren der zwangläufig entstehenden Reibung während der Bildung eines Teams erfolgen kann. Insbesondere wenn damit einfache Werkzeuge der Konfliktbearbeitung und gemeinsam geschaffene Spielregeln der Kooperation verbunden sind. Hilfreich ist auch ein spielerischer Dialog über die Logik von Emotionen in Teamsituationen oder wie wir uns eigentlich Meinungen bilden, usw. Manchmal gibt es echte Aha-Erlebnisse in der Gruppe und der Blickwinkel verändert sich dann schlagartig. Es gibt da eine große Kombinationsmöglichkeit an Modulelementen, die wir an Hand der Vorgespräche abklären. Diese Gespräche sind auch deshalb wichtig, weil ich zusammen mit meinen Kollegen immer versuche, möglichst nah an den ganz konkreten und aktuellen Sachthemen des Teams zu bleiben.
Wie gehen Sie damit um, dass manchmal in einem Unternehmen mehrere Teams gleichzeitig in einer ähnlichen Umbruchssituation sind?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Teamfähigkeit geht ja nicht nur nach innen, sondern auch nach außen, insbesondere wenn es Schnittstellen – eigentlich spreche ich ja lieber von Nahtstellen – zu anderen Team gibt. Die sind auf Grund von allgemeinen Umstrukturierungen etc. möglicherweise ja selbst in einer sehr ähnlichen Situation. Hier hat sich bewährt, dass man diese ex-ante Workshops parallel mit den einzelnen Team fährt und zusätzlich immer wieder den Austausch der Teams untereinander fördert z.B. in strukturierten Dialogen von Teamrepräsentanten oder in einer moderierten Großgruppenveranstaltung. Auch das muss an Hand der konkreten Situation durchdacht und geplant werden.
Interview-Partner:
„Aktives Teambuilding statt Teamreparatur“
Dr. Herbert Strobl, MC ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter. Er hat sich auf die Themen Führung, Veränderung (persönliche und organisationale) sowie Unternehmenskultur spezialisiert. Nach 20 Jahren eigener Führungserfahrung in internationalen Konzernen wie Chase Manhattan Bank, OMV und RWE arbeitet er seit vielen Jahren als Führungskräfte-Coach, Berater und Trainer nun lieber mit den „weichen“ Faktoren im Bewusstsein und voller Kenntnis welche „harten“ Auswirkungen das auf Mensch und Organisation hat. Nach einem Jus- und Übersetzerstudium und dem Absolvieren der Diplomatischen Akademie hat er später noch einen post-graduate Abschluss in Coaching und Organisationentwicklung gemacht. Neben seiner Lehrtätigkeit an verschiedenen FHs ist er eingetragener Wirtschaftsmediator und akkreditiert beim ACC, dem österreichischen Coachingdachverband. www.herbertstrobl.cc
Aktives Teambuilding statt Teamreparatur