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Endlich Führungskraft – und jetzt?

09Jul2015
5 min
KLassiker

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Eine Beförderung ist nicht nur ein Zeichen des Erfolges, sie ist auch eine große Herausforderung. Auf dem Weg der neuen Führungskraft liegen typische Fallen, zu deren Bewältigung Coaching einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Hier eine Übersicht über einige „Klassiker“.

Das Hamsterrad

Führungskraft wird man, wenn man Aufgaben gut, schnell, zuverlässig und meist alleine gelöst hat. Viele neue Führungskräfte versuchen genau dieses Erfolgsrezept weiterhin anzuwenden. Sie machen viel zu viel selber, haben Schwierigkeiten zu delegieren und zu priorisieren.

Von der „Herzerl-Brille“ zur professionellen Rolle

Erschwert wird das noch durch etwas, das ein Kollege von mir einmal die „Herzerl-Brille“ genannt hat. Oft hat der direkte Vorgesetzte die junge Führungskraft gefördert und für die neue Position ausgewählt. Dankbarkeit und das Gefühl das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen zu wollen führt zu ganz besonderem Einsatz, manchmal unter starker Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und einer gesunden Work Life Balance. Langfristig ist das sowohl für die junge Führungskraft als auch für das Unternehmen von Nachteil.

Vorgesetzte, auch die wohlmeinendsten, sind nicht nur väterliche Mentoren. Sie haben zuerst im Interesse der Firma zu handeln und nicht im Interesse der jungen Führungskraft. Wenn das nicht rechtzeitig klar wird, kann es zu schweren Enttäuschungen und zu Demotivation kommen.

Vernachlässigung der Führungsaufgaben

Vom „den Job gut machen“ ist es oft ein steiniger Weg hin zu „dafür sorgen, dass die anderen den Job gut machen (können)“. Viele neue Führungskräfte haben ein ausgeprägtes „Spezialisten-Gewissen“, das sie nicht zur Ruhe kommen lässt, wenn sie etwas nicht selber gemacht haben. Team Building, Gespräche mit einzelnen Mitarbeitern, Strategie und Planung, Koordination mit anderen Gruppen und Abteilungen, beobachten was läuft, delegieren und priorisieren, vieles davon wird am Anfang als Störung der Arbeit gesehen anstatt als zentraler Teil der Arbeit.

Ungeklärte Rollenerwartungen

Selbst wenn die Aufgabenprofile festgeschrieben sind, bleibt noch viel Platz für die Gestaltung der Führungsrolle. Jeder Mitarbeiter und jede Führungskraft hat eigenen Vorstellungen davon, wie das „richtig“ zu machen ist. Diese unterschiedlichen Erwartungen betreffend das „richtige“ Rollenverhalten werden oft nicht kommuniziert. Alle meinen, dass der andere etwas „falsch“ macht.

Beziehung zum Team – Kränkung, Konkurrenz, Einsamkeit

Wenn die neue Führungskraft früher Mitglied im Team war, sind alte eingespielte Verhaltensmuster jetzt vielleicht nicht mehr passend. Fast nie ist das, was die ehemaligen Kollegen jetzt erwarten, genau das, was die neue Führungskraft als ihre Rolle sieht, oder auch nur tun kann.

Darüber zu sprechen, um ein neues tragfähiges Miteinander zu gestalten braucht Zeit. Je weiter diese Aufgabe hinausgeschoben wird, desto mehr muss die Führungskraft selber machen, und desto weniger Zeit bleibt ihr – ein Teufelskreis.

Der Beziehung zu ehemaligen Konkurrenten im Team muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es ist notwendig aus der Beziehung „Konkurrenz von Teammitgliedern“ in die Beziehung „Führungskraft und Mitarbeiter“ hineinzuwachsen. An dysfunktionalen Bewältigungsversuchen durch überforderte neue Führungskräfte konnte ich hier schon beobachten: sich dafür entschuldigen, dass man vorgezogen wurde; dämonisieren; Kontakt vermeiden; hinter dem Rücken reden; schlecht machen; sich auf fruchtlose Rechtfertigungen und Argumentationen einlassen.

Führungskraft zu sein entfremdet ein Stück weit vom Team, nicht weil die neue Führungskraft das will, sondern weil sie muss. Nicht alle Informationen können weiter gegeben werden. Auch schmerzhafte Entscheidungen müssen getroffen werden. Nicht immer ist es leicht mit dieser Distanz umgehen zu lernen.

Organisationsblindheit

Der Fokus der neuen Führungskräfte liegt meist auf Vorgesetztem und Team. In diesem Bereich sind die großen Herausforderungen zu bewältigen. In der ersten Zeit des Anpassungsprozesses besteht dadurch die Gefahr, die Umwelt völlig aus dem Auge zu verlieren. Umstrukturierungen, manchmal sogar die Existenz ganzer Abteilungen, Änderungen am Markt, neue Gesetzgebung all das kann völlig aus dem Auge verloren werden. Gefahren und Chancen werden übersehen. Die Interessen der anderen Personen und Abteilungen liegen im Nebel. Alles wird als unerklärlich, verwirrend oder als persönliches Fehlverhalten der anderen interpretiert.

Interventionen aus meiner Schatzkiste

  • Die Organisation als System sichtbar und damit besprechbar Das geschieht durch das Darstellen der Organisation als Zeichnung, mit Bauklötzen, Knöpfen etc. Bei dieser Reflexion ist die Passung der subjektiven Organisationsbilder mit den Strukturen und Aufgaben der Organisation ein wesentlicher Teil.
    Und es stellen sich die Fragen: Wo sind die Grenzen? Welche Gebote und Verbote gelten? Wie sehen die Beziehungen aus?
  • Die Erwartungen von Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzen an die neue Führungsrolle Die eigenen, im Laufe des Lebens erworbenen Bilder bewusst machen und mit den Erwartungen vergleichen.
  • „Ich bin der Chef. Sie sind der Mitarbeiter“ – organisationale Tatsachen in kurzen Aufstellungssequenzen ansprechen und an Körperhaltung und Ausdruck arbeiten.
  • Eine Aufgabentorte erstellen: Wieviel Prozent Ihrer Arbeitszeit verwenden Sie für welche Aufgaben? Und welche davon sind Führungsaufgaben?
  • Dem Coachee das eigene Kommunikationsverhalten bewusst machen. Wo liegen die Fallen beim Sprechen und wo beim Hören?
  • Rollenspiele gestalten unter anderem zu den Themen: Delegieren von Aufgaben, Priorisieren der erhaltenen Aufgaben, Abstimmung der Planung mit dem Vorgesetzten, Führen von Mitarbeitergesprächen.
  • Gemeinsam mit dem Coachee Hausaufgaben definieren und die Umsetzung im Arbeitsalltag vereinbaren.
  • Die Arbeitsfähigkeit (wieder) herstellen. Oft muss der Coach vorab Arbeitsfähigkeit und Belastbarkeit durch Coaching steigern. Sonst kann Coaching besonders bei einem Coachee, der schon sehr unter Druck steht, als zusätzliche Belastung und nicht als Unterstützung empfunden werden.
  • Abklären, wohin es im Leben gehen soll. Beim Coaching neuer Führungskräfte kommt manchmal der Verdacht hoch, dass hier jemand mit ganzer Kraft und ganzem Einsatz eine Leiter hochklettert, die an einer Wand lehnt, die er gar nicht erklimmen will. Zur Abklärung hilft es oft in einer Coachingsitzung mit dem Coachee möglichst weit in die Zukunft zu gehen und zurückzuschauen auf ein erfolgreiches glückliches Leben. Dabei werden Werte und Wünsche bewusst und die Gegenwart kann mit diesem Wissen neu bewertet werden.

Ein paar Coachingeinheiten und Arbeit an den richtigen Themen erleichtern es der neuen Führungskraft in ihre Rolle hineinzuwachsen und hilft die Fallen zu vermeiden. Ein erfahrener Coach kennt die Herausforderungen und hat Techniken und Methoden, um zu unterstützen.


alder_elisabeth_oaggGastautorin: DI Elisabeth Alder ist Unternehmensberaterin, Supervisorin und Coach (ÖVS/ÖAGG). Seit vielen Jahren arbeitet sie in Österreich und CEE Ländern auf Deutsch, Englisch und, wenn sinnvoll mit Übersetzung. Ihr Netzwerk umfasst Kollegen und Kolleginnen in USA und Europa (Schwerpunkt CEE). Ihre Klientinnen und Klienten kommen aus der ganzen Welt. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Veränderung, Netzwerken und interkulturelles Arbeiten. Nach dem Studium an der TU Wien hat sie Erfahrungen als Spezialistin und Führungskraft in den Bereichen Banken, Versicherungen und internationale Organisationen gesammelt.
Kontakt: Tel.: +43 / 664 / 3906922, alder.consult@gmail.com, http://www.alder.at

Endlich Führungskraft – und jetzt?

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