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Arbeitszeitgesetz Österreich – Realität versus Gesetz. Nicht so ganz deckungsgleich.

08Jul2015
5 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

# Arbeitszeitgesetz Österreich, Arbeitszeit Österreich

Manche Arbeitnehmer vertreten die Ansicht, Arbeitszeit sei der Verkauf von Lebenszeit an Arbeitgeber gegen Geld. Andere leben für die Arbeit und ziehen kaum Grenzen zwischen Arbeitszeit und Privatleben. Die Ansichten variieren auch stark von Generation zu Generation. Während der Generation Y „Work-Life-Balance“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ wichtig sind, scheinen für die kommende Generation Z „Work-Life-Separation“ und klare Arbeitszeitgrenzen wieder mehr im Vordergrund zu stehen.

Das österreichische Arbeitsrecht beschäftigt sich (auch historisch bedingt) intensiv mit dem Thema Arbeitszeit. Arbeitszeit ist ein komplexes Gebiet. Regelungen finden sich nicht nur im Arbeitszeitgesetz Österreich, sondern auch in Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen und Einzelverträgen. Nach dem Günstigkeitsprinzip gilt stets jene Regelung, die für den Arbeitnehmer am günstigsten ist.

Das Arbeitszeitrecht Österreich hat öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Komponenten. Beispielsweise sind Fragen der Einhaltung von Höchstarbeitszeitgrenzen öffentlich-rechtlicher Natur und werden vom Arbeitsinspektorat überprüft. Ansprüche von Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber auf Ersatzleistung für Überstunden hingegen sind privatrechtlicher Natur und vor dem Gerichten auszutragen. Der Arbeitgeber muss beide Aspekte beachten – so schützt das beste Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer über ein Arbeitszeitmodell, das gegen das Arbeitszeitrecht Österreich verstößt, nicht vor Strafen der Verwaltungsbehörden (oder Nachforderungen des Arbeitnehmers und der Sozialversicherung im Fall einer Auseinandersetzung).

Arbeitszeitgesetz Österreich – Begriffsdschungel

Die relevanten Begriffe zu Arbeitszeit (Österreich) werden in der Praxis immer wieder vermischt, was eine Fehlerquelle darstellt und Arbeitgeber teuer kommen kann. Eine kurze Auffrischung kann also nicht schaden. Arbeitszeit Österreich:

  • Arbeitszeit ≠ Normalarbeitszeit ≠ Höchstarbeitszeit ≠ Wegzeit ≠ vereinbarte Arbeitszeit
  • Arbeitszeit = Zeit von Beginn bis Ende der Arbeit ohne Ruhepausen
  • Wochenarbeitszeit = Arbeitszeit von Montag bis einschließlich Sonntag
  • Normalarbeitszeit laut Arbeitszeitgesetz Österreich: 40h/Woche und 8h/Tag (Achtung: der anwendbare Kollektivvertrag kann – und tut dies auch meist – eine abweichende wöchentliche Normalarbeitszeit vorsehen)
  • Höchstarbeitszeit laut Arbeitszeitgesetz Österreich: 50 h/Woche und 10 h/Tag
  • Teilzeit = jede Beschäftigung unter der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen NAZ
  • Mehrarbeit = Differenzstunden zwischen kollektivvertraglicher Normalarbeitszeit (zB 38,5 Wochenstunden) und gesetzlicher Normalarbeitszeit (40 Wochenstunden)
  • Überstunden = Stunden außerhalb der täglichen bzw. wöchentlichen gesetzlichen Normalarbeitszeit (maximal 5 h/Woche; zusätzlich 60 h/Jahr bei erhöhtem Arbeitsbedarf, insgesamt nicht mehr als 10 h/Woche
  • Werktage = Montag bis inklusive Samstag ≠ vereinbarte/betriebliche Arbeitstage
  • Leitende Angestellte = Arbeitnehmer, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind (sind aus dem Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen, Einzelfallbeurteilung nach dem Gesamtbild)

Flexible Arbeitszeiten Österreich

Das Arbeitszeitrecht Österreich kennt den Begriff „flexible Arbeitszeit“ nicht. In der Praxis hingegen ist es ein nicht mehr wegzudenkendes Schlagwort. Von flexibler Arbeitszeit spricht die Praxis typischerweise, wenn Dauer, Verteilung und/oder räumliche bzw. zeitliche Lage der Arbeitszeit dauerhaft veränderbar ist.

In der Praxis haben sich viele Modelle der Arbeitszeitflexibilisierung entwickelt. Das Arbeitszeitgesetz Österreich hinkt da ein wenig nach. Es wäre allerdings falsch zu behaupten, dass das Arbeitszeitrecht Österreich keinerlei Flexibilisierungsmöglichkeiten regelt: Sowohl das Arbeitszeitgesetz also auch fast alle Kollektivverträge sehen Flexibilisierungsmodelle vor. Nachstehend ein Auszug:

  • Vereinbarung von Zeitausgleich statt Überstundenentgelt (§ 10 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Wochendurchrechnung (§ 4 Abs 2 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Jahresdurchrechnung (§ 4 Abs 4 bis 7 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Einarbeiten von Feiertagen (§ 4 Abs 3 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • 4-Tage-Woche (§ 4 Abs 8 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Gleitzeit (§ 4b Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Schichtarbeit (§ 4a Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Vereinbarung von Arbeitsbereitschaft (§ 5 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Erweiterung der Höchstgrenzen für Vor- und Abschlussarbeiten (§ 8 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • Erweiterung der Höchstgrenzen bei erhöhtem Arbeitsbedarf (§ 7 Abs 4 Arbeitszeitgesetz Österreich)
  • weitere Modelle im anwendbaren Kollektivvertrag

Für die einzelnen Flexibilisierungsmodelle gelten jeweils unterschiedliche Voraussetzungen und Grenzen. Die Einführung sollte nie übers Knie gebrochen werden, da sonst oft nur mehr Probleme entstehen als man zu vermeiden versucht. Zahlreiche rechtliche, aber auch kulturelle und organisatorische Aspekte, müssen überprüft, beachtet und umgesetzt werden.

Typische Fehler sind die Vereinbarung einer Durchrechnung ohne Zulassung durch den anwendbaren Kollektivvertrag, die Einführung von Gleitzeit ohne korrekte Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung, 10-Stunden-Arbeitstage ohne Vereinbarung eines zulässigen Modells (Gleitzeit oder 4-Tage-Woche) oder Übertragungen von Zeitguthaben über Übertragbarkeitssalden hinaus.

Hinweis: Vertrauensarbeitszeit ist (derzeit) kein gesetzlich geregeltes Arbeitszeitmodell (Verweis auf meinen Aufsatz Vertrauensarbeitszeit). Auch die Vereinbarung eines All-In-Gehalts oder einer Überstundenpauschale ist kein Modell zur Arbeitszeitflexibilisierung. Solche Vereinbarungen sind Fragen der Bezahlung, nicht primär der Arbeitszeit.

Arbeitszeit und Reisezeit

Als Grundsatz gilt: Reisezeit ist Arbeitszeit. Dabei wird jedoch zwischen aktiven und passiven Reisezeiten unterschieden. Passiv ist Reisezeit nur dann, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit keinerlei (!) Arbeitsleistung erbringt, also beispielsweise im Schlafwagen im Zug reist und dabei Musik hört, schläft oder ein Magazin liest (und dies nicht Teil seines Aufgabenbereiches ist). Für echte passive Zeiten kann eine niedrigere Entlohnung vereinbart werden, die Höchstgrenzen der Arbeitszeit überschritten und die täglichen Ruhezeiten verkürzt werden.

Im Dienstvertrag sollten unbedingt klare Regelungen zum Thema Reisezeiten aufgenommen werden. Das reicht aber alleine nicht aus: Die Einhaltung der Vereinbarung durch den Vorgesetzten und den Arbeitnehmer muss kontrolliert werden. Sagt der Vorgesetzte „Die Präsentation kannst ja dann im Zug überarbeiten“ oder erledigt der Arbeitnehmer im Wissen des Vorgesetzten Kundentelefonate während der Zugfahrt, ist die Reisezeit beispielsweise nicht mehr passiv.

Lenkt der Arbeitnehmer ein (Dienst)Fahrzeug im Interesse oder Auftrag des Arbeitgebers, liegt übrigens generell keine passive Reisezeit vor.

Arbeitszeitkontrolle

Teil eines funktionierenden Compliance-Systems ist eine effektive Arbeitszeitkontrolle. Die Strafen und Konsequenzen im Fall von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz Österreich sind umfassend. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist, um fehlendes Verschulden glaubhaft zu machen, nicht nur die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich (was an sich schon aufwändig ist), sondern auch die Darlegung, welche konkreten laufenden Maßnahmen getroffen werden.

Welche typischen Maßnahmen der Arbeitszeitkontrolle gibt es?

  • Einhaltung der Aufzeichnungspflicht und Kontrolle der Aufzeichnungen (Verweis auf meinen Aufsatz Änderungen Arbeitszeitaufzeichnungen): Zeiterfassungssysteme, Ampelsysteme, automatische Warnung etc.
  • systematische Kontrollen der Einhaltung von Arbeitszeit und Arbeitszeitgesetz (Achtung: möglicherweise Zustimmungspflicht des Betriebsrates)
  • „Ad hoc“ Kontrollen bei konkretem Verdacht von Überschreitungen oder Nichteinhaltung des Arbeitszeitgesetzes
  • Schulungen der Führungskräfte im Bereich Arbeitszeit und Arbeitszeitgesetz
  • Nachweisliche Anweisungen (nicht bloß Hinweise!) an Arbeitnehmer und Führungskräfte, dass die keine Arbeitsleistungen außerhalb der zulässigen Arbeitszeitgrenzen zu erbringen bzw. anzuordnen/entgegenzunehmen sind
  • Klare Zurückweisung von Arbeitsleistungen, die außerhalb der zulässigen Arbeitszeit erbracht werden.

Arbeitszeitgesetz Österreich – Ausblick

Das Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für 2013 bis 2018 sieht im Bereich Arbeitszeit einige spannende Maßnahmen vor, etwa die Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeit bei Gleitzeit und aktiver Reisezeit auf 12 Stunden oder die Verminderung des gesetzlichen Mehrarbeitszuschlags.

Ob, wann und in welcher Form diese Maßnahmen umgesetzt werden, steht noch in den Sternen. Daher gilt: die bestehenden gesetzlichen Regelungen im Bereich Arbeitszeit möglichst lückenlos einhalten sowie unter Beachtung rechtlicher, kultureller und organisatorischer Aspekte das passendste Arbeitszeitmodell finden und korrekt umsetzen.

Arbeitszeitgesetz Österreich – Realität versus Gesetz. Nicht so ganz deckungsgleich.

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