Ambitionierte Ziele formulieren, auf den Weg bringen und entschlossen umsetzen – notfalls auch gegen Widerstände. Leadership zu zeigen, ist für viele Führungskräfte eine echte Bewährungsprobe. Ganz besonders gilt dies in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation. Um die Mitarbeiter von der Notwendigkeit der geplanten Maßnahmen zu überzeugen, braucht es vor allem eines – eine ehrliche und offene Kommunikation.
Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das oft ganz anders aus. Vor allem seit dem Beginn der Wirtschaftskrise 2008. Denn auch nach 8 Jahren wirtschaftlicher Stagnation sind die Kommunikationsstrategien in den Unternehmen vielerorts geprägt von Phrasendrescherei, Beschwichtigungen oder sonstigen „business-as-usual“-Floskeln. Und über alldem scheint als oberstes Kommunikations-Dogma „Die Wahrheit ist nicht zumutbar“ zu schweben.
Leadership-Sprache ≠ Beratersprache
Dabei wurde in den letzten Jahrzehnten in vielen Organisationen kaum einem Bereich mehr Zeit und Geld gewidmet, wie jenem der innerbetrieblichen Kommunikation. Richtigerweise wurde erkannt, dass die Kommunikationsqualität in der Führung ein lebensnotwendiges Schmiermittel für funktionierende Organisationen darstellt. Und so wurden unzählige Medien-Coaches und PR-Berater ins Rennen geschickt, um das Kommunikationsverhalten im Management zu optimieren.
Mit dem Ergebnis, dass nun viele Entscheidungsträger eine Sprache verwenden, die eher an Berater als an Manager erinnert. Gepflegt in der Ausdruckweise, aber unverbindlich im Inhalt. Und geprägt von einer Haltung, die da lautet: „Über Unangenehmes spricht man nicht“. Dieses Credo ist ein Relikt aus den „fetten Jahren“. Damals hat man im Management auch begonnen, negative Begrifflichkeiten einfach auszublenden – weil das in den Kommunikationstrainings so erlernt wurde. Aus Schwierigkeiten wurden Herausforderungen und Probleme zu Chancen.
In schwierigen Zeiten wird man mit dieser Art der Kommunikation allerdings nicht weit kommen. Eine Restrukturierung mit inkludiertem Personalabbau lässt sich weder in der Öffentlichkeit und schon gar nicht bei der betroffenen Belegschaft als Herausforderung verkaufen. Und eine Führungskraft, die Mitarbeiter kündigen muss, wird diese Gespräche wohl kaum als Chance für einen persönlichen Reifeprozess sehen. Sondern als das, was es ist – eine emotionale Ausnahmesituation für alle Beteiligten.
Leadership lebt von Glaubwürdigkeit
Natürlich macht es Sinn, auch dann besonnen und achtsam in der Kommunikation zu agieren, wenn es wirtschaftlich mal nicht so toll läuft. Denn Krisen kann man auch herbeireden. Wenn allerdings – so wie derzeit – ganze Branchen im Umbruch sind und jedes Monat neue Rekorde in der Arbeitslosigkeit-Statistik gemeldet werden, dann wäre es endlich an der Zeit, auch in den Unternehmen Klartext zu sprechen. Das ist man den Betroffenen auch schuldig.
Es würde schon genügen, einfach mal zu sagen, dass nach vielen Jahren des Wachstums nun der Gürtel enger geschnallt werden muss. Und fairerweise sollte hinzugefügt werden, dass nicht mehr jeder Arbeitsplatz garantiert werden kann. Gleichzeitig könnten die Mitarbeiter in die Mitverantwortung geholt werden, indem man sie einlädt, durch Engagement und Leistung gemeinsam die Vorwärtsperspektive des Unternehmens zu sichern.
Zugegeben – keine einfachen Botschaften. Nur, wenn es nicht gesagt wird, passiert es trotzdem. Tagtäglich hören wir Meldungen über Kündigungen in den Unternehmen. Oft kommt das für die Belegschaft überraschend und nicht selten erfahren sie darüber aus den Medien. Daher wenig verwunderlich, wenn den Schalmaienklängen der Manager in vielen Unternehmen nicht mehr geglaubt wird.
Der Verlust der Glaubwürdigkeit, ist für die Unternehmensführung allerdings der worst case. Das führt unweigerlich dazu, dass viele Mitarbeiter in Widerstand gehen oder innerlich kündigen. Und damit hat man eine selbsterfüllende Prophezeiung geschaffen: Denn ohne dem Commitment der Belegschaft gerät jedes Unternehmen in Schieflage.
Leadership heißt authentisch kommunizieren
Nichts fürchtet der Mensch mehr als Kontrollverlust. Und nichts verabscheut er mehr, als das Gefühl, bewusst hintergangen zu werden. In vielen Unternehmen sind diese Stimmungsbilder heute omnipräsent. Entweder weil vom Top-Management gar kein Statement kommt, oder weil die Mitarbeiter die ewiggleichen Plattitüden Ihrer Leader nicht mehr hören können. Schön formuliert, aber ohne Inhalt, ohne Orientierung und ohne Klarheit.
Es scheint höchst an der Zeit, dass die Dinge beim Namen genannt werden. Und auch, dass man Schwierigkeiten und Probleme wieder offen als solche benennen darf, ohne Gefahr zu laufen, damit als Schwarzmaler und Pessimist gebrandmarkt zu werden. Das hätte den Vorteil, dass dadurch die Glaubwürdigkeit und Authentizität im Management wieder steigen würde. Und das sich die Mitarbeiter besser orientieren könnten.
Denn: Die Wahrheit ist immer zumutbar. Sie ist es auch, die uns vor Kontrollverlust schützt.
„Damit die Menschen eine Türe öffnen,
müssen sie wissen, wer davor steht.“
(Anke Maggauer-Kirsche, dt. Lyrikerin)
Leadership – Wenn die Klarheit in der Sprache fehlt