Das Neue Arbeiten (DNA): Geänderte Rahmenbedingungen, bedingt unter anderem durch technologischen Fortschritt, Internationalisierung und einen Wandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, verändern die Arbeitsweisen und Arbeitsprozesse. Teamarbeit, Projektorientierung und interdisziplinäre Zusammenarbeit gewinnen an Bedeutung.
Aber auch die Mitarbeiter selbst fordern neue Arbeitsweisen ein. Mitbestimmung, Work-Life-Balance sind hier gängige Schlagworte – insbesondere der Flexibilisierungsaspekt wird GROSS geschrieben. Auch wenn der Ruf seitens der Arbeitnehmer und sogar Unternehmen hin zu flexiblen Organisationen und Strukturen groß ist, ist die Frage wie flexibel hier unser österreichisches Arbeitsrecht ist.
Interview
Zu diesen Herausforderungen interviewte Mag. Barbara Covarrubias Venegas (FHWien) Dr. Anna Mertinz (Rechtsanwältin und Arbeitsrechtsexpertin bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH).
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Los geht’s:
Das Neue Arbeiten DNA, New Way of Working und Flexibilisierung ist ja in aller Munde. In Wien findet sich dazu fast jeden Monat eine Veranstaltung, die neue Arbeitsweisen propagieren und für flexible Arbeitswelten aufrufen. Was ist Ihr erster spontaner Kommentar hierzu als Rechtsanwältin und Arbeitsrechtsexpertin?
Dass das österreichische Arbeitsrecht weniger flexibel ist, als es sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wünschen. Realität und Gesetzeslage klaffen auseinander. Die Rechtslage hinkt dem Wandel der Arbeitswelt nach. Nach dem Grundkonzept des österreichischen Arbeitsrechts gibt es starre Arbeitszeiten. Ein Arbeitnehmer wird bezahlt für das Zurverfügungstellen seiner Arbeitskraft während eines bestimmten Zeitraumes, nicht für das Herbeiführen eines Erfolges oder einer konkreten Leistung. Der klassische Arbeitnehmer schuldet sorgfältiges Bemühen, aber kein bestimmtes Arbeitsergebnis. Das österreichische Arbeitszeitrecht ist zwar schon weit flexibler als es in seiner Stammfassung 1969 war. Die Praxis, und zwar sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberseite, fordern aber mehr Flexibilisierungsmöglichkeiten. Das zeigt ja auch der von dir geschilderte Umstand, dass neue Arbeitsweisen und flexible Arbeitswelten propagiert werden. Arbeitgeber, die neue Arbeitsweisen und flexible Arbeitswelten ermöglichen wollen, dürfen nicht vergessen, dass dabei zahlreiche gesetzliche Rahmenbedingungen einzuhalten sind. Das ist, wie sich in meiner Beratungspraxis zeigt, für viele Arbeitgeber eine Herausforderung. Aus Sicht der Rechtsanwältin eine spannende Herausforderung, die zur Ermöglichung von neuen, flexiblen Arbeitsweisen auch auf sich genommen werden sollte.
Arbeiten wann und wo man will ist einer der Hauptpfeiler, von dem wir immer hören. Was sind hier die wichtigsten Aspekte, welche es auch rechtlicher Sicht zu berücksichtigen gilt?
Da gibt es viele Aspekte, die aus rechtlicher Sicht berücksichtigt werden müssen. Das Konzept „arbeiten wann und wo man will“ sollte keinesfalls ohne rechtliche Beratung umgesetzt werden. Das Konzept ist im österreichischen Arbeitsrecht derzeit schlichtweg nicht vorgesehen. Vielmehr sind im Dienstvertrag oder Dienstzettel der Arbeitsort sowie die Arbeitszeit zwingend anzugeben. Andere Aspekte sind Fragen im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen. Wenn ein Mitarbeiter arbeitet, wann und wo er will, steht der Arbeitgeber unter anderem vor der Herausforderung, dass er weniger bis keine Kontrolle über die Mitarbeiter hat. Das österreichische Arbeitsrecht legt dem Arbeitgeber jedoch, wenn auch versteckt, umfassende Kontrollpflichten auf. Insbesondere muss, bis auf wenige Ausnahmen, die Arbeitszeit kontrolliert und dokumentiert werden. Das Konzept der Vertrauensarbeitszeit gibt es als gesetzlich geregeltes und anerkanntes Modell in Österreich nicht, zumindest noch nicht. Das soll aber nicht heißen, dass Vereinbarungen über disloziertes Arbeiten wie beispielsweise Home-Office gar nicht möglich sind. Arbeitgeber müssen jedoch dafür sorgen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen auch bei disloziertem Arbeiten eingehalten werden.
Ein weiterer Trend neuer Arbeitswelten ist eine oftmals von den Arbeitnehmern geforderte „Bring your own device“ Policy. Wo sehen Sie hier die größten Herausforderungen?
Zu Bring your own device gibt es, wie zu so vielen Bereichen neuer Arbeitswelten, keine klaren gesetzlichen Regelungen. Das ist Segen und Fluch zugleich. Vom Grundsatz her hat der Arbeitgeber die Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen. Die größten Herausforderungen bei diesem Trend liegen in meiner Beratungspraxis im Datenschutzrecht und in der Frage der Haftung für Verlust, Beschädigung etc von zur Verfügung gestellten „devices“. Es ist daher ratsam, in einer auf das Unternehmen abgestimmten Policy Regelungen zu Fragen wie „Welche devices werden zur Verfügung gestellt?“, „Wie kann die Sicherheit der Daten des Unternehmens einerseits und die Sicherheit der persönlichen Daten des Mitarbeiters andererseits gewährleistet werden?“, „Gibt es einen Kostenersatz?“, „Was passiert im Fall von Verlust oder Beschädigung?“ etc. einheitlich geregelt werden. Bring your own device sollte nicht „schleichend einreißen“, sondern mit klarem Bekenntnis der Geschäftsführung und klaren Richtlinien eingeführt und umgesetzt werden.
Flexible Organisationsstrukturen wie bspw. Holacracy beschreiben einen „konstanten“ Wechsel der Rolle einer Person: also die Möglichkeit, dass ich heute als Mitarbeiter in einem Projekt arbeite, nächsten Monat jedoch eine Führungsrolle in einem anderen Projekt übernehme. Ich nehme an, dass es hier aus arbeitsrechtlicher Perspektive auch zu Problemen kommen kann?
Da liegst du richtig. Allerdings ist es nicht erforderlich, dass die Aufgaben eines Mitarbeiters starr und in Stein gemeißelt sind. Es ist wichtig, schon bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages für Flexibilisierungsmöglichkeiten zu diesem Bereich zu sorgen, dabei aber nicht übers Ziel hinaus zu schießen. Das – auch in diesem Punkt wenig flexible Arbeitsrecht – geht davon aus, dass die vorgesehene Verwendung eines Mitarbeiters möglichst konkret ist. Eine Rolle spielt bei solchen Konzepten aus rechtlicher Sicht auch die kollektivvertragliche Einstufung, die sich ja weitgehend nach den tatsächlich vom Mitarbeiter ausgeübten Tätigkeiten richtet. Aus der Einstufung ergibt sich ein Mindestgehalt und etwaige weitere Entgeltbestandteile. Ist die Einstufung falsch, kann Unterentlohnung und somit Lohn- und Sozialdumping vorliegen. Fragen der Einstufung und der Bezahlung sind daher hier besonders zu prüfen. Außerdem kann bei Wechseln in der Rolle und der Position eines Mitarbeiters eine Versetzung im arbeitsrechtlichen Sinn vorliegen. Das ist dann in gewissen Fällen nur mit Zustimmung des Mitarbeiters und/oder des Betriebsrates zulässig. Die arbeitsrechtlichen Grenzen und Risiken im Zusammengang mit flexiblen Organisationsstrukturen müssen bedacht und geprüft werden, damit nicht sehenden Auges Gesetzesverstöße passieren.
Fazit – es ist doch nicht ganz so leicht, aber…
Das österreichische Arbeitsrecht bietet nicht den optimalen flexiblen Rahmen, den man sich für eine (eben!) flexible, sich schnell verändernde Welt wünschen würde. Es gilt u.a. einige Aspekte zu berücksichtigen, welche vielleicht in einem ersten Moment als vernachlässigbar erscheinen, doch ist eben eine gute Vorbereitung hier alles. Wichtig scheint an dieser Stelle, dass die Prozesse und Regeln so klar und gut durchdacht sein müssen, dass diese nicht zu einer Verkomplizierung führen, sondern mehr Klarheit und Transparenz schaffen und zwar für beide Seiten: Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Wie passen „Das Neue Arbeiten“ (DNA) und Arbeitsrecht zusammen? Ein Interview.