Es gibt viele Gelegenheiten, um über Stress am Arbeitsplatz zu sprechen. Manchmal geht es um eine schlecht laufende Projektorganisation, manchmal um aggressive Gesprächskultur oder um stressende Abgabefristen.
Egal ob als Personalentwickler, Führungskraft oder externer Berater, psychische Arbeitsbedingungen bilden die Grundlage für viele Gespräche. Auch die Rahmenbedingungen können sehr unterschiedlich sein: Sei es eine Ergebnisbesprechung zur Evaluierung psychischer Belastungen, ein Meeting zu den Statistiken der Mitarbeiterbefragung, die Einführung von standardisierten Mitarbeiterjahresgesprächen oder bei einem Einzelgespräch nach einem konkreten Anlassfall.
Letztendlich geht es oft darum, mit Führungskräften die psychischen Arbeitsbedingungen in ihrem Bereich zu besprechen und Verbesserungen zu erzielen.
Wie kann dies am besten gelingen? Wie kann man Führungskräfte zu einer Verhaltensänderung bewegen?
Wovon reden wir eigentlich?
Starten Sie ein Gespräch mit einer Führungskraft zu dem Thema damit, welchen Hintergrund die Besprechung hat. Wer ist Auftraggeber? Was ist das Ziel der Besprechung? Gegebenenfalls: Wie kam das Projekt zustande? Wie wurden die Daten erhoben?
Die Führungskraft sollte die Möglichkeit haben alle Fragen zu stellen, die für sie offen sind. So kann potentielle Skepsis, die vor allem bei unternehmensweiten Projekten vorhanden sein kann, ausgeräumt werden.
Werden sofort Zahlen präsentiert ohne vorher ein Gespür dafür zu haben, wie die Führungskraft emotional zum Projekt steht, besteht noch keine Gesprächsbasis. Und ohne diese Basis können keine Veränderungen erzielt werden.
Wer ist anwesend?
Die Teilnehmer bei einer Besprechung der psychischen Arbeitsbedingungen können unterschiedlich sein, je nach Projektverlauf und vorhandenen Ergebnissen. Oft macht es Sinn, neben dem Moderator und der Führungskraft, auch ein bis zwei Mitarbeiter einzuladen um Diskussionen zu ermöglichen und eine konkrete Veränderungsplanung. Bei manchen Projekten wird sogar eine größere Runde zu solchen Gespräche eingeladen mit Personen wie dem Betriebsrat.
Sollten Sie jedoch Ergebnisse haben, die kritisch sind gegenüber der Führungskraft, kann ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch mehr bewirken und weniger sozialen Druck erzeugen.
Beispiel: „Es gab ja einen großen Streit vor 1 Jahr zwischen Ihnen und drei Mitarbeitern im Pausenraum wegen einer Organisationsänderung. Damals haben Sie, laut den Mitarbeitern, viele wüste Beschimpfungen ausgesprochen und einem Mitarbeiter mit einer Ohrfeige gedroht. Wissen Sie welche Situation ich anspreche?“
Vertrauen ist gut. Ein umfassender Eindruck ist besser!
Die Grundlage der Gespräche, vor allem im Rahmen der Evaluierung psychischer Belastungen, liefern oft Daten von Mitarbeiter: Befragungsergebnisse oder Beschreibungen aus Workshops.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang für Moderatoren neutral zu bleiben und sich gegebenenfalls nicht nur auf die Beschreibungen der Mitarbeiter zu verlassen, sondern sich auch vor Ort ein Bild zu machen bzw. die Einschätzung aller Beteiligten einzuholen. Nur so kann ein umfassendes Bild der Situation entstehen.
Die Begutachtung vor Ort ist natürlich einfacher bei Arbeitsbedingungen wie Ausstattung oder Software. Bei „weicheren“ Themen wie Arbeitsorganisation oder Sozialklima sind die unterschiedlichen Sichtweisen der Betroffenen notwendig um keine einseitige Sichtweise zu erhalten.
Beispiel – Sichtweise der Mitarbeiter: „6 von 8 Personen sehen Gestaltungsbedarf im Bereich Mitspracherecht. Man wird zwar angehört, aber hat kein Mitspracherecht bei der Aufgabenverteilung in der Abteilung. Wir werden nicht miteinbezogen, wenn neue Aufgaben zugeteilt werden. Wir wollen, dass unsere Interessen berücksichtigt werden, wenn die Aufgaben neu aufgeteilt werden zum Beispiel aufgrund einer Karenz.“
Beispiel – Sichtweise des Abteilungsleiters: „Ich habe gewisse dienstrechtliche Schranken bei der Verteilung der Aufgaben. Zusätzlich ist die Auslastung aller Mitarbeiter vom einzelnen Mitarbeiter für die anderen schwerlich beurteilbar. Aus meiner Sicht kann ich die Interessensgebiete nur äußerst eingeschränkt berücksichtigen. Und nach meinem Verständnis ist die Gestaltung von Arbeitsplätzen hinsichtlich der Aufgaben Sache des Vorgesetzten.“
Feedback geben
Auch bei scheinbar „objektiven Daten“ wie Befragungsergebnissen ist es wichtig, diese nicht als „Wahrheiten“ hinzustellen, sondern als Einschätzungen wiederzugeben. Der Moderator sollte auf keinen Fall generalisieren, sondern die Ergebnisse relativieren ohne sie herunterzuspielen.
Beispiel: „7 von 9 Mitarbeitern der Abteilung geben in der Befragung an, dass die direkte Führungskraft Kritik unsachlich äußert.“
statt
„Sie kritisieren unsachlich. Sie sind kein guter Feedbackgeber.“
Idealerweise können Sie als Moderator Beispiele bringen für konkrete Verhaltensweisen und Vorgänge. So kann sich die Führungskraft leichter die Sichtweise der Mitarbeiter vorstellen und die Beschreibungen werden weniger als direkte Angriffe oder emotionale Befindlichkeiten angesehen.
Beispiel: „Die kaufmännische Auftragsbearbeitung erhält 3 bis 4 unspezifische Kundenanfragen pro Tag. Fr. Huber muss die E-Mail dann an alle 4 technischen Abteilungen weiterleiten und diese um Rückmeldung zu bitten, welches Angebot hier gestellt werden kann. Die Antworten der Abteilungsverantwortlichen dauern unterschiedlich lang und sind nicht immer einheitlich. Das ist für Fr. Huber ein großer zeitlicher Aufwand und hindert sie am kontinuierlichen Abarbeiten.“
statt
„Fr. Huber ist genervt von Kunden, die nicht wissen, was sie wollen. Der Bestellprozess ist offensichtlich einfach nicht gut geplant.“
Nehmen Sie die Führungskraft und deren Sichtweise genau so ernst wie die Sichtweise der Mitarbeiter. Auch dadurch kann sich ein umfassenderes und genaueres Bild der Situation ergeben. Zeigen Sie Verständnis, dass die Leitung eines Bereichs auch voller stressiger Arbeitsbedingungen ist und man sich daher manchmal zwischen Pest und Cholera entscheiden muss (z.B. Projektbericht fertig schreiben und keine Zeit haben für dringende Mitarbeitergespräche vs. Mitarbeiter gut betreuen und dafür Deadlines beim eigenen Chef versäumen).
Lassen Sie sich auf keinen Fall in die Rolle des „zusätzlichen/ externen Betriebsrats“ drängen. Dramatisieren Sie keine Ergebnisse, die eine normale Arbeitsbedingung darstellt und hinterfragen Sie schon in der Erhebung kritisch. (siehe Artikel: https://www.hrweb.at/2016/10/gruppenmoderation-gruppendiskussionen-moderieren-belastungen-loesungsorientiert-ermitteln/ )
Wissenschaftlich begründen
Oft haben Führungskräfte andere Prioritäten als Mitarbeiter und können nicht nachvollziehen, warum beispielsweise Anerkennung als so wichtig wahrgenommen wird und deren Fehlen einen Stressfaktor darstellt.
Stellen Sie in so einem Fall wissenschaftliche Studien bereit, die die Wichtigkeit dieser Arbeitsbedingungen belegen. Vor allem zu Anerkennung und Handlungsspielraum gibt es eindeutige wissenschaftliche Belege für deren Zusammenhang mit körperlicher und psychischer Gesundheit.
Zeigen Sie einerseits die Vorteile einer Veränderung auf (z.B. schneller Bearbeitung von Projekte, zufriedenere Kunden, …) bzw. die direkten Nachteile, wenn es keine Veränderung gibt (z.B. Fehlerquote erhöht sich, Absenzen und Fluktuation steigen, …).
Hier ein Beispiel wie so ein Gespräch verlaufen kann: https://www.veronikajakl.at/blog/item/60-2016-langeweile
Erfahrungen wertschätzen und Vorbildwirkung aufzeigen
Bei der Planung von Veränderungen ist es wichtig, die Ideen der Führungskraft anzuregen bzw. einzufordern. Auch wenn in einem Workshop die Mitarbeiter sich schon Gedanken über Maßnahmen gemacht haben, bilden diese ja oft lediglich die Diskussionsbasis.
So überlegen Sie mit der Führungskraft: Sind die Ergebnisse überraschend? Wenn nein: Hat sie schon Ideen zu möglichen Verbesserungsmaßnahmen? Gab es in der Vergangenheit schon Anläufe etwas zu verändern?
Lassen Sie sich als Moderator nicht abwimmeln, wenn ihr Gegenüber meint: „Ich kann ja hier nichts machen. Ich kann hier eh nichts wirklich allein entscheiden.“ Machen Sie der Führungskraft klar, welche Vorbildwirkung ihr Handeln auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter und andere hat. So kann niemand ernsthaft einen „respektvollen Umgang in der Abteilung“ einfordern, wenn man selbst gleichzeitig in stressigen Situationen herumschreit: „Bin ich denn der einzige Erwachsene hier? Das ist ja wie im Kindergarten!“.
Daher haben Führungskräfte auch große Eigenverantwortung die Arbeitsbedingungen in ihrer Abteilung oder bei ihrem Team zu gestalten. (Linktipp: https://www.veronikajakl.at/blog/item/91-schaffen-sie-top-arbeitsbedingungen-fuehren-heisst-verbessern)
Konkrete Handlungsplanung
Je konkreter Sie die nächsten Schritte bereits hier mit der Führungskraft planen, desto besser. Die Besprechung sollte möglichst nicht nur aus einer reinen Rückmeldung von Ergebnissen bestehen, sondern die Grundlage für Verbesserungen schaffen.
Lassen Sie die Führungskraft nicht alleine mit den Ergebnissen, sondern machen Sie sie handlungsfähig, zeigen Sie mögliche nächste Schritte auf und holen Sie sich das Commitment für die Zukunftsplanung.
Seien Sie auch später noch verfügbar für Nachfragen und zeigen Sie damit ehrliches Interesse an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen!
Belastungen am Arbeitsplatz | Belastungen mit Führungskräften verändern