Die ersten Burnout-Symptome sind erkannt (à la HRweb-Interview „Erste Burnout-Anzeichen“ vom feb2017). Jetzt steht schleunigst die Burnout-Behandlung an. Sofort, kurzfristig, jetzt! Und auch langfristig. Wie diese Sofort-Lösungen und langfristig-fundierten Möglichkeiten aussehen hinterfragte ich in einem Interview.
In HRweb-Manier fokussiert dieses Interview natürlich vor allem den beruflichen Kontext. Klar ist, dass Burnout immer Berufs- UND Privat-Leben betrifft. Daher sind die Anzeichen für Burnout auch in beiden Lebensbereichen zu finden.
Experten-Interview: Burnout Behandlung & Symptome
Interview-Happen
Ein langes Interview zum Thema Burnout erscheint hier bewährt in Einzel-Happen ⇒ hier werden alle Burnout-Themen gesammelt.
Erste Burnout-Symptome ⇒ KURZFRISTIGE Burnout-Behandlung
Welche KURZFRISTIGE Burnout-Behandlung empfehlen sie nachdem die ersten Burnout-Symptome spürbar werden?
Mag. Ulrike Kriener (AUMAIER COACHING | CONSULTING): Die auftretenden Burnout-Symptome unbedingt abklären lassen. Der beste Ansprechpartner dafür ist nicht der Arzt, sondern der Psychologe ist für Burnout-Symptome und Burnout-Behandlung zuständig. Erst wenn diagnostisch geklärt ist, worum es sich tatsächlich handelt, kann ein Behandlungsplan aufgestellt werden.
Eine Sofort-Maßnahme kann sein, seine eigenen Bedürfnisse wieder war nehmen, oder zu delegieren, bzw. sich abzugrenzen. Ein erster Schritt einer Sofort-Maßnahme kann auch ein halbstündiger täglicher Spaziergang an der frischen Luft und mentale Entspannung sein, wenn körperliche Erschöpfung bereits zu Arbeitsunfähigkeit und Isolation in den eigenen 4 Wänden geführt hat.
Mag. Carmel Lee Paul, MSc (ITO): Idealerweise gleich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen (Therapie, Coaching…); HRV-Messung und Speicheltest zur physischen Abklärung. Im Gespräch „Ventile“, Freiräume und Gegenstrategien entwickeln. In der Therapie bzw. im Coaching Stressoren und Stressverstärker ausfindig machen.
Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Zur Burnout Behandlung ist es ganz sicher sehr hilfreich, sich so zeitgerecht wie nur möglich, professionelle Hilfe zu holen – am Beginn hilft (noch) Coaching.
Eine Sofort-Maßnahme zur Burnout-Behandlung, die man selber gleich anwenden kann ist sein Pausenmanagement zu überdenken und Pausen einzubauen, Urlaub zu machen – sich zu zwingen, das Handy und den Laptop abzuschalten. Dabei ist es wichtig die eigenen Gedanken zu beobachten und die Größenfantasien wie „ohne mich geht es nicht“, „nur ich kann das am besten“, „wenn ich da nicht drauf schaue, dann passiert was schlimmes“ auszuhalten und trotzdem Pause zu machen. Im Coaching frage ich oft meine Coachees „angenommen Sie würden vorübergehend auf einen anderen Planeten entführt – wie ginge es in Ihrer Arbeit weiter?“ – Zumeist würde keine Katastrophe geschehen, also geht Pause machen, in den Urlaub fahren und abschalten ganz gefahrlos.
Noch welche?
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult): Das Problem ist leider, dass die Betroffenen das selten selber erkennen. Meistens merkt die Umgebung, dass etwas nicht stimmt und meldet Burnout-Symptome zurück. „Du arbeitest zu viel!“ „Gönne dir einmal eine längere Pause.“ „Du musst an deinem Arbeitspensum etwas ändern, du hast keine Erholungsphasen mehr!“ sind typische Aussagen. Betroffene sollten also zuerst einmal die Rückmeldungen aus ihrem Umfeld ernst nehmen und in die Eigenreflexion gehen. Sofortmaßnahme können außerdem sein:
- Minimieren des Überengagements
- Strikte(re) Trennung Beruf und Privat (ständige Erreichbarkeit einstellen – Telefon/Email)
- Soziale Isolation vermeiden
- Freizeitaktivitäten ausbauen (auch Bewegung integrieren)
- Auf ausreichend Schlaf und regelmäßige (gesunde) Ernährung achten
- Externe Unterstützung organisieren (Coaching, Entspannungstraining, etc.)
Mag. Regina Nicham (IBG): Das wichtigste für die Burnout Behandlung ist, erste Anzeichen oder Veränderungen ernst zu nehmen und so schnell wie möglich die Notbremse zu ziehen. Sich Hilfe holen – externe fachliche Unterstützung (z.B. bei ersten Warnsymptomen auch in Form eines Coachings oder eine psychologischen/therapeutischen Beratung) und/oder auch intern sich Unterstützung holen bzw. die Belastungsthemen mit der Führungskraft oder auch vertrauten Personen ansprechen und gemeinsam überlegen was es zur Entlastung brauchen würde. Erste Maßnahmen könnten in weiterer Folge sein:
- Was ist beruflich und privat jetzt wirklich wichtig und was weniger und kann aktuell zur Seite geschoben werden – Priorisieren; was ist wirklich wichtig;
- Erholung wieder mehr Platz geben; Überlegen was einem gut tun könnte oder auch einmal gut getan hat; sein persönliches Energiefass wieder befüllen
- Belastende/Energieraubende Situationen oder auch Menschen vermeiden – Zeitfresser und Stressmacher identifizieren und abschalten
- Überengagement vermeiden – „Genug ist genug“
- Mut zum „Nein“ und versuchen Aufgaben zu delegieren und sich Unterstützung suchen
- Isolation versuchen zu vermeiden und dagegen zu steuern
- Überprüfen der eigenen Ziele und Ansprüche auf Angemessenheit – was ist wirklich möglich und machbar
- Multitasking vermeiden – Ressourcenschonendes Arbeiten
LANGFRISTIGE Burnout-Behandlung der Burnout-Symptome
Welche LANGFRISTIGEN Maßnahmen sollten den Sofort-Maßnahmen folgen?
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): „Welche Veränderungen müsste ich in Angriff nehmen, um wieder leistungsfähig, emotional, mental und körperlich stabil in sozialen Austausch zu gehen?“ Die Beantwortung dieser Frage ergeben die langfristigen Maßnahmen zur Burnout-Behandlung.
Burnout hat viel mit Persönlichkeit zu tun, beispielsweise welche Antreiber wirken und wie gestalte ich mein tägliches Leben, wie gestalte ich meine sozialen Beziehungen und meinen sozialen Rückhalt. Problemlösungen, Entwicklungsprozesse und Einstellungsänderungen brauchen ihre Zeit. Dabei hilft die Begleitung von psychologischen Beratern.
Dr. Josef Krobath (bfi): Als erstes ist eine fachärztliche Abklärung der Burnout-Symptome angezeigt, weiterführende Maßnahmen zur Burnout-Behandlung sind eine psychotherapeutische bzw. eine klinisch-psychologische Behandlungen bei Experten. Präventiv haben sich Weiterbildungen, Unterstützung der Kollegen sowie begleitende Supervision oder Coaching bewährt.
DI Elisabeth Alder (Alder Consulting): Wer weiß, dass er Burnout-gefährdet ist, sollte am besten mit Hilfe eines Supervisors/Coach seine eigenen Fallen und Warnsignale kennen lernen und Gegenstrategien entwickeln. Dann wird man in Zukunft besser gerüstet sein. Trotzdem würde ich empfehlen, sich präventiv regelmäßige Coachingstunden vorab einzuplanen, wenn man weiß, dass eine Zeit mit starker beruflicher Belastung vor einem liegt.
Volker Sotzko, MSc (KICK OFF): Langfristig geht es um eine umfassende Lebensweiseänderung. Das betrifft nicht nur das Arbeitsleben, sondern auch das Privatleben (Beziehung, Hobbys etc.).
Welche noch?
Mag. Susanne Hickel (Health Consult): Erholung alleine reicht nicht als Burnout-Behandlung. Ganz gleich wie erholsam der Urlaub, die Kur war – ohne grundlegende Veränderungen ist man im Nu wieder im Hamsterrad. Es gilt, geeignete Strategien für den Arbeits- und Lebensalltag zu entwickeln. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Ursachen der Burnout-Symptome ebenso wie die Suche nach Lösungen. Letztere liegen gleichermaßen in der Entwicklung einer gesunden Arbeitshaltung, einem achtsamen Umgang mit sich selbst, wie auch in der Neu-Justierung der Arbeitsbedingungen. (Eine gesunde Lebenshaltung schließt sich an: „Wie viele Hüte setze ich mir gleichzeitig auf?“; „Wie viel Konsum brauche ich wirklich?“… „Was raubt mir Zeit und frisst Energie – und wo tanke ich auf?“; „Was kann ich verändern, was nicht?“ „Gehen oder bleiben?“) Je nachdem wie weit die Symptomatik bereits reicht ist eine fachärztlicher Behandlung, eine Psychotherapie oder begleitendes Coaching erforderlich.
In der Krise tritt die Frage nach der Wichtigkeit in den Vordergrund – das Entrümpeln des Alltags kann beginnen. Auf den Punkt bringt das ein chinesisches Sprichwort: „Die Weisheit des Lebens besteht im Ausschalten der unwesentlichen Dinge“.
Mag. Brigitta Giselbrecht (bGesundheitsmanagement): Um eine belastete Situation zu entlasten, ist es notwendig, Veränderung zu initiieren. Um Situationen erfolgreich und nachhaltig zu verändern, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- ich erkenne und verstehe den Sinn der Veränderung (einen Sinn für mich selbst oder einen höheren Sinn und somit einen Beitrag für die Gemeinschaft z.B. Team, Unternehmen)
- diese Veränderung ist umsetzbar, die mit der Veränderung verbundenen Ziele sind erreichbar und realistisch
- die Auswirkungen von Veränderungen brauchen auch unmittelbare Erfolge, um die Motivation aufrechtzuhalten
- ebenfalls darf man die soziale Komponente nicht vergessen, eine Veränderung soll sich positiv auf die sozialen Beziehungen auswirken
Noch etwas?
Roland Galler (Instahelp): Ich finde es zugegeben etwas schade, dass Unternehmen zum Thema Burnout meist die Folgen oder Nachbehandlung sehen. Ein Burnout entwickelt sich in mehreren Stufen über Monate oder sogar Jahre hinweg, salopp formuliert „Zeit genug“, sich dem Problem zu widmen. Meiner Meinung nach sollten die langfristigen Maßnahmen den Dauerzustand beschreiben, sodass es möglichst nie zu einem Burnout oder sonstigen Folgen der Dauerbelastung kommt. Je später man mit Maßnahmen beginnt, desto mehr Schaden nimmt der betroffene Mitarbeiter und in weiterer Folge das Unternehmen. Prävention ist hier der einzige Weg zur Vorbeugung. Nachdem Mitarbeiter keine Maschinen sondern Individuen sind, müssen auch individuelle Präventionsmaßnahmen gesetzt werden. Bei psychischen Themen sollten die Maßnahmen aufgrund der anhaltenden Tabuisierung und Stigmatisierung jedenfalls möglichst anonym sein, meinen 8 von 10 Arbeitnehmer in einer aktuellen Studie.
Die Gesprächspartner
Burnout-Symptome: Sofort-Maßnahmen & langfristige Lösungen zur Burnout-Behandlung
Mag. Sabine Prohaska seminar consult prohaska Mag. Ulrike Kriener AUMAIER COACHING CONSULTING GmbH DI Elisabeth Alder Alder Consulting Mag. Carmel Lee Paul, MSc ITO Individuum Team Organisation GmbH Volker Sotzko, MSc KICK OFF Management Consulting GmbH Dr. Josef Krobath bfi – Berufsförderungsinstitut Mag. Regina Nicham IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Mag. Brigitta Giselbrecht bGesundheitsmanagement Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Mag. Susanne Hickel Health Consult Gesellschaft für Vorsorgemedizin Ges.m.b.H. Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH Roland Galler Instahelp |