HR-Tagung 2017, Veranstalter: Netzwerk HR, 1märz2017, Tabakfabrik Linz
Der Weg von der Industrie- zur Wissensgesellschaft wird flankiert durch Innovationen in der Arbeitswelt. Für die meisten Unternehmen bedeutet es einen radikalen Wandel in ihrer Arbeitskultur und dem täglichen Denken und Handeln. Das Netzwerk Humanressourcen bietet dazu gemeinsam mit erfahrenen Experten und Praktikern einen wertvollen Überblick. Eventbericht von Clemens Widhalm.
Vor 200 Jahren Textilfabrik, vor 100 Jahren Tabakfabrik – jetzt ein dynamischer Coworking Space voll der Beispiele für das sogenannte neue Arbeiten. Der passende Tagungsort zum Thema. Denn die Industriegesellschaft weicht zunehmend der Wissensgesellschaft.
Die neue Arbeitswelt charakterisiert zeitliche, räumliche und organisatorische Flexibilität. Neues Arbeiten bedeutet aber nicht nur ein modernes Bürogebäude zu bauen, es bedeutet vielmehr den Wandel hin zu einem selbstbestimmteren, eigenverantwortlichen, vertrauensorientierten Arbeiten zu unterstützen. Voraussetzung für Veränderungen auf diesen Ebenen ist ein wesentliches Umdenken im Bereich der Führung. Wie steht es aber um eine neue Zusammenarbeitskultur in Unternehmen? Sind Mitarbeiter dafür bereit und passen derartige neue Konzepte zu „unserer Organisation“? Flexibilität, Mobilität und Individualität bergen enormes Potenzial für Kreativität, Wachstum und Innovation in sich.
Ein Streifflug über die HR-Tagung 2017
Gastgeber Netzwerkleiter Stefan Promper (Netzwerk Humanressourcen) umreißt die Bedeutung des Themas so: Beim neuen Arbeiten geht es um einen Wandel des Selbstverständnisses und um eine neue Kultur. Daher muss auch die Rolle von HR neu gedacht werden.
Die ersten inhaltlichen Impulse bringt Marcus Izmir, Begründer der Plattform „DNA – Das neue Arbeiten“. Marcus Izmir (Visionärer Impulsgeber) z.B. mit dem Slogan von Bodo Janssen „Wertschöpfung durch Wertschätzung“, oder den zwei Thesen: „Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert, und alles was automatisiert werden kann, wird automatisiert.“ Izmir zitiert Eric Handeler, der Kondratjew so interpretiert, dass der derzeitige Engpass des wirtschaftlichen Erfolges nicht mehr beschränkte Rechenleistungen wäre, sondern vielmehr die Kultur der Zusammenarbeit. Activity based working zones, wo Menschen das, was sie tun, auch noch besser tun können, liefern hier einen möglichen Beitrag. Und schon folgt ein brandaktuelles Praxisbeispiel:
Bernhard Reisner (Vice President Human Capital der MIBA AG) gibt Einblicke in die Kulturveränderung des traditionellen eigentümergeführten Industriebetriebes, in dem Personen z.T. schon in der vierten Generation mitarbeiten. Inspiriert vom Porsche-Museum in Stuttgart machte man sich auf die Suche für ein Bürokonzept, das Gedankenräume öffnet. Der Fokus lag auf ca. 100 Personen vor allem in Headquarter-Funktionen. Diese neuen Ideenräume sollen Kollaboration und auch emotionale Identifikation fördern und sind somit in line mit der aktuellen people growth strategy von MIBA.
Petra Filsegger-Wernbacher (Human Capital Manager der MIBA AG) teilt Learnings und Erfolgsfaktoren des Projektes. Sehr hilfreich war ein Projektteam aus Freiwilligen, das alle Bereiche repräsentierte. Zwar hat man sich best practice von, Microsoft, Erste Campus, Mondi und Ikea angesehen, entscheidend war es, einen eigenen Weg zu finden, der zur eigenen Unternehmung passt. Widerstände am Weg gab es immer wieder. Baustellenführungen und Testmöglichkeiten von neuen Büromöbeln wirkten da entgegen. Wir drücken die Daumen für die geplante Eröffnung des MIBA Forums Ende Mai…
Nicht jede Organisation ist reif für einen derartigen Wandel. Daher hat die Plattform „DNA“ gemeinsam mit dem der FHWien der WKW die DNA Reifegradmessung entwickelt. Barbara Covarrubias-Venegas (Forscherin & Projektleiterin am Institut für Personal & Organisation) zeigt damit auf, wo Unternehmen unterschiedlicher Größe und verschiedener Branchen in Bezug auf die Erfolgsfaktoren des Neuen Arbeitens stehen. Das betrifft u.a. die Offenheit gegenüber allen Generationen, unternehmerisches Denken und Handeln, flexible Strukturen, Unabhängigkeit vor Ort und Zeit, Unternehmenserfolg und Freude, aber auch zeitadäquate Technologien. Alle diese Aspekte sind kulturgetrieben.
Sven Franke ist Mitinitiator und Mitglied des Kernteams von AUGENHÖHE. Eines Film-Projektes, das die Werte der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts aufzeigt. In den Lebens- und Arbeitswelten der Zukunft skizziert Franke ein Bild von Organisationen als soziale Systeme in denen durch wertschätzende und kooperative Arbeitsformen viel mehr geleistet und innoviert werden kann, als durch strikte Hierarchien oder klassische Managementpraktiken. Neue Glaubenssätze und Werte wie Selbstständigkeit, Freiheit und Partizipation führen zu einem Auflösen von Führungsebenen und einer neuen Art der Mitarbeiterorientierung in Organisationen.
Heute ist TELE wendig, schnell und effizient, mit Spaß und Eigeninitiative jedes Mitarbeiters und frei von klassischer Hierarchie. Vor einigen Jahren war es noch ein klassisches familiengeführtes Familienunternehmen mit 50-jähriger Tradition. Michaela Pichler-Lele (HR bei Tele Haase Steuergeräte), legt dar wie schrittweise Machtinseln fallen und Tabus gebrochen werden. Zu Beginn werden Mitarbeiter provoziert und aus der Komfortzone geholt, Gremien für Entscheidungsfindungen gebildet neue Spielregen entwickelt, Statussymbole wie Autos oder Titel auf Visitenkarten entfernt. Der Weg war durchaus auch steinig. Über 20% der Mitarbeiter haben das Unternehmen verlassen. Ein Learning: Wenn das erforderliche Mindset einmal erreicht ist, macht die Entwicklung richtig Spaß. Als wichtige Erfolgsautoren sieht sie Mut, Vertrauensvorschuss der Eigentümer, Authentizität, Ehrlichkeit und Transparenz – nach innen und außen.
Zwei Statements aus dem INNOVATIONSTALK am hochkarätigen Podium: Wirtschaftslandesrat Michael Strugl antizipiert, dass die Digitalisierung alles verändern wird, was wir gewöhnt sind, insbesondere in der Produktion, bei Arbeitsmodellen, Führungs- und Managementansätzen. Die Menschen am Arbeitsmarkt sind hier und jetzt darauf vorzubereiten, ebenso wie eine flächendeckende Breitbandinfrastruktur. Strugl begrüßt Antreiber, denn von alleine ist die Politik oft nicht rasch genug in ihrem Vorgehen. Denn die aktuellen Regulierungen aus dem vorigen Jahrhundert bieten zu wenige Antworten auf die Fragen der Zukunft. Hausherr Chris Müller (Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden der Tabakfabrik Linz) brennt dafür, dass sich die kreative und die klassische Industrie gegenseitig befruchtet. Es benötigt vor allem auch eine neue Denke und Haltung, nicht nur technisches Wissen. Dazu wird es auch neue Worte brauchen. Beispielsweise sind die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Freizeit“ von vorneherein limitierend, wenn es um Modelle der Zukunft geht.
Mit Zeit und Raum für Interaktion klingt der Tag aus. Neben einer Führung durch die Tabakfabrik Linz, Sven Franke präsentiert seinen inspirierenden Film „Augenhöhe“, und in der Coworking Loft gibt es modernste Kollaborationstechnologie zum Anfassen.
v.l.n.r: Iris Mayr / My Playstore – Axis Linz – Coworking Loft) Sven Franke / CO:X UG haftungsbeschränkt i. Gr., Michaela Pichler-Lele / Tele Haase Steuergeräte Ges.m.B.H., Chris Müller / Tabakfabrik Linz, Andreas Berger / NHR-Beiratssprecher, Rosenbauer International AG, Elke Schüßler / JKU Linz, Irene Bouchal-Gahleitner / Netural GmbH, Wirtschaftslandesrat Michael Strugl, Stefan Promper / Netzwerk Humanressourcen
Schlussgedanke
Insgesamt ein wirklich lohnender Tag – Gratulation an das Netzwerk Humanressourcen! Und eine der Kernerkenntnisse lautet: Bei aller Dynamik und Aktivität bleibt es immer noch wesentlich, immer wieder geplant auch offline zu gehen.
Event-Bericht: HR-Tagung 2017 | Morgen wird alles anders. Was tun?