Employer Branding möchte ich nochmal von Grund auf hinterfragen. Die Basics sind heute auf meinem Tablett: was versteht man konkret darunter, seit wann ist es Thema und wie viele Unternehmen betreiben mittlerweile professionelles Employer Branding?
Zum Auftakt unseres Employer-Branding-Schwerpunktes habe ich ein lockeres Einstiegs-Interview geplant. Getitelt mit „Die Basics“ hielt ich die Interview-Runde bewusst klein und freute mich auf ein entspanntes Interview. Doch schnell wird mir klar, dass ich mit diesen Interview-Partnern kein eindimensionales, dahinplätscherndes Interview führen kann, dafür kommen zu viele Antworten, zu spannende Inhalte, zu viele Erfahrungen. Also Strategie-Änderung meinerseits. Kein schlichtes Basic-Einstiegs-Interview sondern wieder mal ein Interview, das ich in mehrere Portionen teile, um es hinsichtlich Inhalt, Länge und Informations-Flut auch online lesbar zu gestalten.
Experten-Interview
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Was versteht man ganz konkret unter Employer Branding?
Karin Krobath (Identitäter): Employer Branding bedeutet: Attraktive Arbeitgebermarken schaffen. Es ist ein strategischer Markenprozess, in dem sich Unternehmen u. a. folgende Fragen stellen: Was macht uns als Arbeitgeber einzigartig? Wodurch heben wir uns am Arbeitsmarkt von anderen ab? Und wofür stehen wir überhaupt? Die Antworten führen zur Employer Value Proposition, dem Arbeitgeberversprechen.
Gutes, ehrliches Employer Branding löst das Arbeitgeberversprechen ein – nicht nur bei Bewerbern, sondern auch innen, gegenüber Mitarbeitern. Außen hui und innen pfui hat noch nie funktioniert – sprich: Wichtig ist möglichst große Übereinstimmung von äußerem Erscheinungsbild und innerer Erlebniswelt. Von der Karrierehomepage, über den Bewerbungsprozess bis hin zu Performancesystemen, Karrierepfaden oder Alumni-Clubs – an all diesen Kontaktpunkten lebt die Employer Brand.
Mag. Irmgard Prosinger (getbestfit): Beim Employer Branding geht es um die Entwicklung und das Management einer Arbeitgebermarke, dh. sich als Arbeitgeber sowohl nach innen als auch nach außen möglichst glaubwürdig und attraktiv zu positionieren. Basis ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage: Was macht mich als Arbeitgeber aus? Was ist unsere Identität? Es reicht also nicht, nur eine ansprechende Stellenanzeige zu gestalten, vielmehr braucht es Top-HR-Arbeit, die dann durch Kommunikationsmaßnahmen auch nach außen an die Zielgruppen getragen wird. Das Ziel im Employer Branding besteht letztlich darin, die Effizienz im Recruiting und die Qualität der Bewerber dauerhaft zu steigern, aber auch Mitarbeiterbindung zu forcieren. Damit sollen also qualifizierte und engagierte Bewerber gewonnen und bestehende Mitarbeiter durch eine höhere Identifikation und durch den Aufbau einer emotionalen Bindung langfristig im Unternehmen gehalten werden.
Ronald Mitterndorfer, MA (Netzwerk Humanressourcen): Eine kompetente und interessierte Belegschaft bildet das Rückgrat einer innovativen und produktiven Wirtschaft. Sowohl demographische und arbeitsmarktbezogene Entwicklungen, als auch ein gravierender Wertewandel der Generationen, sorgen nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft für Engpässe an Fachkräften. Um die wenig Verfügbaren sowie die Zukünftigen für seine Organisation gewinnen und begeistern zu können, setzen Unternehmen viele Hebel auf vielen verschiedenen Kanälen in Bewegung, um ihre Marke bekannt, aktuell und vor allem attraktiv am Arbeitsmarkt zu positionieren. Diese Disziplin wird, mittlerweile über die HR-Szene hinaus, Employer Branding genannt.
Seit wann ist Employer Branding in Österreich ein Thema?
Mag. Irmgard Prosinger (getbestfit): Seit den 1990er Jahren ist der Begriff Employer Branding in der Literatur zu finden. Vor 20-25 Jahren haben sich Arbeitgeber bereits damit beschäftigt, wie sie passende und engagierte Bewerber für sich gewinnen können. Damals war bereits der Fachkräftemangel und der „War for Talents“ in vielen Branchen ein Thema.
Ronald Mitterndorfer, MA (Netzwerk Humanressourcen): Aus meiner Sicht liegt die Antwort nicht in einer Jahreszahl, sondern in den unterschiedlichen Aktivitäten, die sich über die Jahre weiterentwickelt haben und allesamt auf das Konto einer attraktiven Arbeitgebermarke einzahlen. Starke Marken wie beispielsweise Manner, voestalpine oder Swarovski beeinflussen schon seit Jahrzehnten den Arbeitsmarkt – hier zu arbeiten galt früher als Privileg. Prestige und gesellschaftliches Ansehen waren wichtiger als Arbeitsbedingungen und Unternehmenskultur. Eine solche Anziehungskraft erreichen dieser Tage nur mehr wenige Unternehmen, denn der Aufwand dafür ist exorbitant gestiegen!
Karin Krobath (Identitäter): Für uns Identitäter ist Employer Branding seit 2004 Kernthema. Bei den österreichischen Unternehmen kam es aber erst langsam an. So richtig relevant wurde Employer Branding dann 2015: Das Jahr in dem erstmals mehr Menschen in Pension gegangen als neue ins Arbeitsleben eingetreten sind. Man kann sagen: Der Arbeitsmarkt in Österreich ist damals gekippt. Schon davor war es in einigen Branchen und Berufen schwer, gute Arbeitskräfte zu bekommen. In dieser „Knappheit“ setzen sich Unternehmen nun strukturiert mit ihrer Attraktivität am Arbeitsmarkt auseinander und positionieren sich ganz bewusst auch als Arbeitgeber.
Welche sind die Grundbausteine einer erfolgreichen Employer Branding-Strategie?
Ronald Mitterndorfer, MA (Netzwerk Humanressourcen): Grundlegend ist es nichts anderes, als ein Produkt oder eine Dienstleistung am Markt zu positionieren. Das Wissen über die eigene Firmenidentität (Corporate Identity) ist unumstößlich. Wer bin ich und was möchte/biete ich? Ebenso muss klar sein, welche Eigenschaften die Arbeitgebermarke (Brand Identity) charakterisieren, also wie man am Markt als Arbeitgeber wahrgenommen werden möchte. Der Blick ins Innere des Unternehmens ist wesentlich, da man hier auch die wahren Werte des Unternehmens findet. Die wesentlichen Charakterzüge des Unternehmens bzw. der Arbeitgebermarke zu deklarieren (Personal Identity), und diese auch als Unikat am Arbeitsmarkt präsentieren zu können (Marketing), runden die wesentlichen Schritte einer Marken-Entwicklung ab. Erst das Zusammenspiel und der Einklang dieser Disziplinen sorgen für eine nachhaltige und auch glaubwürdige Erscheinung bei potentiellen Arbeitskräften.
Wie viele der Unternehmen betreiben professionelles Employer Branding?
Mag. Irmgard Prosinger (getbestfit): Mittlerweile sind es nicht mehr nur dir großen Unternehmen, die sich dem Thema professionell widmen. Aufgrund von Bewerbermangel investiert auch der Mittelstand nach und nach in Employer Branding. Spätestens dann, wenn man sich schwer tut, geeignete Bewerber zu finden bzw. die Fluktuation ansteigt, beginnen Unternehmen nachzudenken. Idealerweise machen sie sich dann auf die Suche nach dem, was sie als Arbeitgeber besonders macht und von anderen Unternehmen unterscheidet. Gerade junge Menschen, die der Generation Y und Z angehören, wählen einen Arbeitgeber ganz bewusst aus: Passt das Unternehmen zu mir? Will ich dort arbeiten und einen Großteil meiner Zeit verbringen?
Ronald Mitterndorfer, MA (Netzwerk Humanressourcen): Die Frage die sich mir stellt ist: Ab wann ist Employer Branding professionell? Im betriebswirtschaftlichen Sinn praktiziert ein Unternehmen ab jenem Zeitpunkt professionelles Employer Branding, wenn es eine fachkundige Person damit beauftragt hat, sich ausschließlich um die Arbeitgebermarke zu kümmern. Aus inhaltlicher Sicht ist eine attraktive Arbeitgebermarke erst dann auch glaubhaft (oder professionell), wenn der Funke auf die gesamte Belegschaft übergesprungen ist. Wenn die Geschäftsführung nichts mit der Arbeitgebermarke zu tun haben möchte, wird auch das Endergebnis bzw. die Strahlkraft eher überschaubar sein. Ein Gesamtkunstwerk mit Mosaikteilchen wird notwendig sein, um die gesamte Unternehmensphilosophie beeinflussen und positiv verändern zu können – ein erster Steinwurf könnte schon größere Wellen erzeugen! Meine Empfehlung deshalb an jeden Kollegen und jede Kollegin ist: Bleiben Sie am Ball, bleiben Sie hartnäckig und suchen Sie den Austausch mit anderen Fachkollegen!
Die Gesprächspartner
Employer Branding | Die Basics
Mag. Irmgard Prosinger getbestfit Karin Krobath Identitäter Ronald Mitterndorfer, MA Netzwerk Humanressourcen, Business Upper Austria – OÖ Wirtschaftsagentur GmbH |