Unterscheiden sich Lehrlings-Seminare – rein auf der Methoden-Ebene – von „normalen“ Seminaren? Ich würde mal davon ausgehen: ja. Wenn dem so sei: worin manifestieren sich diese Unterschiede? Sind Lehrlings-Seminare moderner, zukunftsträchtiger, state-of-the-art-er?
Experten-Interview
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In wie fern unterscheiden sich Ihre Lehr-Methoden für Lehrlinge von Lehr-Methoden für „normale“ Mitarbeiter?
Andreas Hallas (il Aus- und Weiterbildung): Das Trainingsdesign für Lehrlinge ist grundsätzlich actionreicher. Gerade Gamification-Ansätze oder Elemente aus der Erlebnispädagogik und dem Actionlearning finden bei dieser Zielgruppe einen enormen Zuspruch, was die Seminare noch aktiver macht. Außerdem unterscheidet sich auch die Dauer des Theorie-Inputs: Bei Lehrlings-Trainings liegt der Fokus noch stärker auf der konkreten Anwendung des Gelernten. Die Theorie wird nach der Idee der didaktischen Reduktion auf das Wesentliche heruntergebrochen.
Dipl.-Päd. Michael K. Grossmann (EBC*L International): Im Vergleich zu anderen ist die Erwartungshaltung Jugendlicher an modernes Lernen höher als bei ihren älteren Kollegen. Medienunterstütztes Lernen am PC steht im Vordergrund. Präsenztrainings sind – bedingt auch durch unflexible Berufsschulzeiten – nur stark eingeschränkt möglich.
Günther Mathé, MBA (careercenter): Am stärksten unterscheiden sich Lehr Methoden im Einsatz der Sozialformen. Einzelarbeiten sind bei Lehrlingen wenig gefragt. Gruppenarbeiten, Planspiele, Partnerarbeiten fördern den Austausch und den Teamgeist der jungen Leute. Am stärksten profitieren die Lehrlinge wenn wir sie die Lerninhalte entdecken und erarbeiten lassen (Aktionsform der Methodik). Die Visualisierung muss abwechslungsreich und für junge Menschen ansprechend sein. Das Setting wird im Vergleich zu Führungskräftetrainings sehr oft gewechselt. Die Teenager haben eine kurze Aufmerksamkeitsdauer bei Know How Inputen. Bei Übungen und Spielen blühen sie auf und legen sich richtig ins Zeug. Die Trainer verwenden eine „jugendliche“ Sprache: wenig Fremdwörter, kurze Sätze, keine komplexen langen Erklärungen. Im Vorfeld erkundigen sich die Trainer was in der Alterskategorie gerade angesagt ist, um das in Beispielen miteinzubauen. Das hilft den Lehrlingen, die Message besser zu verstehen, wenn wir versuchen in ihre Welt einzutauchen.
Wichtig ist, dass man zu den Lehrlingen Vertrauen gewinnt, dass sie uns Trainer als neutrales Bindeglied und Ansprechperson zwischen ihnen und ihrer Firma sehen. Bei normalen Seminaren ist es oft wichtiger als Trainer kompetent und erfahren zu wirken.
Wie werden sich die eingesetzten Methoden in den Lehrlingsseminaren in Zukunft verändern?
Andreas Hallas (il Aus- und Weiterbildung): Was wir jetzt gerade bemerken ist, dass die Entwicklung hin zu einer digitalisierten Welt auch vor den Seminarräumen nicht Halt macht. Vor allem aus dem Leben von jungen Menschen sind Smartphones, Tablets, Apps und Co nicht mehr wegzudenken – deshalb wird es in Zukunft wichtig sein, gerade diese auch in den Trainingsalltag zu implementieren. Um die zahlreichen Möglichkeiten der digitalen Welt auch im Seminarraum nutzen zu können und darauf vorbereitet zu sein, veranstalten wir in naher Zukunft eine interne Trainerweiterbildung zum Thema „digitales Lernen“. Dort werden alle möglichen Anwendungen von Lern-Apps, browserbasierten Quizzes, Augmented Reality im Seminarraum und vieles mehr nicht nur diskutiert, sondern hautnah erlebt.
In wie fern unterscheiden sich die Teilnehmer je nach Zielgruppe „Lehrlinge“ im Vergleich zu „normale Mitarbeiter“?
Günther Mathé, MBA (careercenter): Lehrlinge brauchen eine für sie passende Seminarumgebung. Sie fühlen sich in einem schicken 4 oder 5 Sternhotel nicht wirklich wohl, weil sie häufig nicht wissen, wie man sich in diesem Ambiente richtig verhält. In einer Hütte oder einen netten Gasthaus mit Seminarraum sind sie viel lockerer und entspannter. Als Trainer muss man sich auch daran gewöhnen, dass jede Pause und Mahlzeit primär dafür genützt wird, um das Handy zu checken. Bei anderen Seminaren werden die Pausen gerne dafür genutzt die Kollegen besser kennen zu lernen und sich auszutauschen. Der Umgangston bei Lehrlingen untereinander und auch zu den Trainern ist manchmal gewöhnungsbedürftig. In diesem Alter ist „cool und anders“ sein, das A und O, das dürfen wir Trainer nicht persönlich nehmen. Dennoch ist es wichtig sich Respekt zu verschaffen und klare Regeln aufzustellen, sonst haben wir Trainer keine Chance ein vernünftiges Seminar abzuhalten.
Generell brauchen Lehrlinge sehr viel Abwechslung bei den Inhalten und Methoden in einem Seminar, weil sie sich nicht so lange konzentrieren können. Bei einem Lehrlingsseminar machen wir auch viel häufiger kurze Pausen, als bei normalen Seminaren.
Die Lehrlinge sind auch weniger an Protokollen und Seminarunterlagen interessiert. Meist wird das nicht mal mitgenommen. Mit Blended Learning Fragen, Fotoshows und individuellen Seminarzielpostkarten versuchen wir die Inhalte bei Lehrlingen nachhaltig zu festigen.
Andreas Hallas (il Aus- und Weiterbildung): Ein wesentlicher Unterschied ist das Bewusstsein über das „Warum“. „Warum sitze ich hier? Warum sollte ich das Lernen?“ Die Antworten auf diese Fragen haben „normale Mitarbeitern“ – um bei dem Wording der Fragestellung zu bleiben 😉 – meistens schon, wenn sie sich zu einer Fortbildung anmelden oder erfahren, dass diese stattfinden wird. Lehrlinge werden oft geschickt und müssen dann noch gezielter darauf gebracht werden, was sie und die Firma von dem Seminar haben.
Das ist auch einer der Gründe dafür, dass wir als Trainer von den Lehrlingen unmittelbares Feedback bekommen. Haben die Lehrlinge das Gefühl, dass die zu lernenden Inhalte keinen direkten Nutzen für sie haben, melden sie sich direkter und vehementer zu Wort. Das braucht natürlich auch von Trainerseite ein feinfühliges Handling – das ist zwar nicht immer leicht, aber macht meistens umso mehr Spaß!
Renate Sembera (QBA Qualifizierungs- und Beratungsakademie): Jugendliche sind sich ihrer Stärken und Möglichkeiten noch nicht bewusst. Sie reagieren auch sehr sensibel auf Misserfolge. Deshalb ist wertschätzende Unternehmenskultur und ressourcenorientierte Sichtweise ein wichtiger Bestandteil für die berufliche Entwicklung.
Wie sind Lehrlinge besonders motivierbar?
Dipl.-Päd. Michael K. Grossmann (EBC*L International): Die Lehrlinge müssen das Gefühl haben, dass sie nicht als „günstiger“ Mitarbeiter für die Dauer einer Lehrzeit eingestellt wurden, sondern sie Teil einer „New Generation“ für die Zukunft des Unternehmens sein sollen. Um dies zu verdeutlichen sind Maßnahmen förderlich, die in anderen Unternehmen nicht selbstverständlich sind. Dazu gehört beispielsweise, dass ihnen die Gelegenheit geboten wird internationale Bildungszertifikate zu erwerben. Das wertet das unternehmensinterne Bildungsangebot deutlich auf und erhöht die Motivation, das Bildungsangebot auch aktiv anzunehmen. Werden die Die Besten dann auch noch von der Geschäftsführung gelobt, zeugt das von großer Wertschätzung und motiviert ungemein.
Fazit
Offensichtlich sind Lehrlings-Seminare – im Vergleich mir „normalen“ Seminaren interaktiver, kommunikativer, generell aktiver. Auch kurzweiliger, abwechslungsreicher. Teilweise unter Einbezug neuer Medien, doch in weit geringerem Maße, als ich ursprünglich vermutet hätte. Ich notiere mir diese Fragestellung geistig und komme in… naja sagen wir in 3 Jahren wieder darauf zurück, vielleicht tut sich dann bereits mehr am Neue-Medien-Sektor in der Lehrlings-Weiterbildung.
Die Gesprächspartner
Methoden für Lehrlings-Seminare – so komplett völlig anders als in anderen Seminaren?
Dipl.-Päd. Michael K. Grossmann EBC*L International Günther Mathé, MBA careercenter Andreas Hallas il Aus- und Weiterbildung GmbH
Renate Sembera QBA Qualifizierungs- und Beratungsakademie KG |