Diversität & Diversitätsmanagement
Diversitätsmanagement ist mittlerweile – zumindest bei den meisten Großbetrieben – in aller Munde. Nicht zuletzt das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (kurz: NaDiVeG), das börsenotierten Großbetrieben nun vorschreibt auch über ihre Diversitäts-Aktivitäten zu berichten, hat die Beschäftigung mit der eigenen Vielfalt befeuert.
Aber ist Diversität das Wundermittel zur Heilung aller Organisationprobleme? Macht es Sinn, möglichst bunt zu sein als Organisation und wo sind die Grenzen? Im gerade erschienenen personal.manager Magazin prangt auf einer der ersten Seiten eine Darstellung, die dem Diversity Management vorwirft, eigentlich nichts zum Teamerfolg beizutragen. Nun ja, so einfach ist es auch wieder nicht. Jedenfalls hat es mich veranlasst, mich diesem Thema näher zu widmen.
Diversitätsmanagement – nicht zum Selbstzweck!
Vorweg … so neu ist die Diskussion um Diversität nicht. Auch wenn es wie eine Trenderscheinung anmutet, die Grundlagen gehen bereits in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Und es gibt Staaten, die hier uns weit voraus sind.
Aber unabhängig davon stellt sich die legitime Frage: wann ist Vielfalt in einer Organisation eigentlich überhaupt sinnvoll und wann vielleicht sogar hinderlich?
Oft höre ich in Diversity-Workshops Aussagen wie: „Na aber wir brauchen dann nicht lauter Conchitas [Anm: bezugnehmend auf Conchita Wurst] im Unternehmen.“ Oder aber: „Um jedes kleine Problem, wo sich jemand benachteiligt fühlt, müssen wir uns aber nicht kümmern.“
Zu alledem muss einmal klar festgemacht werden: Natürlich dürfen Diversität und dessen Management nie einem Selbstzweck dienen! Zu glauben, die möglichst bunte Organisation ist das, was die Organisation weiterbringt, ist natürlich naiv. So gesehen hat der angesprochene Artikel natürlich zum Teil Recht.
Der Genetiker Markus Hengstschläger hat es aus seiner Sicht einmal so formuliert: „Wenn Sie wissen, was die Herausforderungen der Zukunft sind, dann suchen Sie sich am besten jene Personen, von denen Sie überzeugt sind, dass sie am ehesten in der Lage sind, diese Herausforderungen zu meistern. Wenn Sie wissen, woher der Ball am Fußballfeld kommt, dann werden Sie jemanden hinstellen, der oder die am ehesten in der Lage ist, diesen Ball zu fangen. Allerdings wenn Sie nicht wissen, wo die Bälle herkommen, was also die Herausforderungen der Zukunft sind, dann macht VIelfalt Sinn. Je mehr Sie unterschiedliche Talente variieren und unterschiedlich verteilen, desto eher werden Sie die Bälle auch fangen, die Herausforderungen meistern.“
Das trifft es an sich schon recht gut. Also lautet die zentrale Frage: Kennen wir die Herausforderungen, die vor uns liegen? Ich denke, viele Betriebe werden dies zumindest mit „Jain“, wenn nicht sogar mit „Nein“ beantworten.
Diversität ist kein Allheilmittel und trotzdem nicht verzichtbar
Gleichzeitig muss in Betracht gezogen werden, dass die meisten Organisationen, was Vielfalt betrifft, farbenblind sind. In kaum einem Betrieb spiegelt die Verteilung der Belegschaft und der Führungskräfte die gesellschaftliche Vielfalt gut wider. Weiße, ungebundene oder zumindest unbelastete Männer sind immer noch im Vorteil, Menschen anderer Herkünfte werden ganz unabhängig von ihrer Qualifikation immer noch seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Und diese Liste ließe sich sehr lang weiterführen.
Zwar ist Diversität kein Allheilmittel, jedoch sollten Organisationen lernen, diversitätssensibler zu werden. Allen voran im Recruiting. Denn auch wenn Viefalt in Kenntnis der Herausforderungen der Zukunft nicht zwangsläufig einen Vorteil bringt, so kann es trotzdem passieren, dass wir wesentliche Potenzialträger_innen übersehen. Damit das nicht passiert, sollten gerade im Recruiting Beschäftigte geschult werden und Prozesse so angepasst werden, dass sogenannte „unconscious bias“ Effekte vermieden werden.
Ob die (vielfältige) Zusammensetzung in einem Team Vorteile bringt oder nicht, hängt wiederum davon ab, welchem Zweck diese Vielfalt dient. Verallgemeinernd zu sagen, dass diese keine Vorteile bringt, greift meines Erachtens nach zu kurz. Natürlich haben diverse Teams unter Umständen höheren Aufwand, einen gemeinsamen Rahmen auszuverhandeln und Effizienz sicherzustellen. Das sind wesentliche Aufgaben von gutem Diversitätsmanagement. Allerdings sind diese auch oft notwendig, weil wir einfach bestimmte Kundengruppen nicht mehr erreichen, wenn der Vertrieb zu einfältig ist, bestimmte Produkte nicht für die Breite gestalten können, wenn die F&E Bereiche zu einfältig sind oder aber Wissen nicht gut im Unternehmen gehalten werden kann, wenn Teams altersmäßig unausgewogen sind.
Diversitätsmanagement hat viele Ansätze – und diese sollten bekannt sein
Als hilfreich hat sich die Betrachtung möglicher Ansätze und Zwecke von Diversitätsmanagement erwiesen. Je klarer bewusst ist, welcher Ansatz aus welchen Gründen verfolgt wird, desto eher hat Diversität die Chance, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen.
Antdiskriminierungsansatz
Wo man Vielfalt zu allermeist als Mühsal empfindet, ist dort, wo die reine Antidiskriminierung im Fokus steht. Nicht, dass diese nicht wichtig und vielerorts bitter notwendig wäre. Aber sie fokussiert in Reinform vor allem auf Vermeidung und wird von Führungskräften meist als übertrieben und sinnlos abqualifiziert. Quoten ohne Klarheit, was damit erreicht werden soll und kann, sind ebenso schwer verdaulich wie die Konzentration auf „Randgruppen“ ohne Nutzenbetrachtung.
Marktzutrittsansatz
Anders gestaltet sich die Beschäftigung dort, wo ein klares Ziel hinsichtlich dem Gewinn von Kunden/Kundinnen oder Beschäftigten Ziel des Diversitätsmanagements ist. Zu erkennen, dass man beispielsweise die 25% Migranten als Kunden in der Region bislang ignoriert hat, kann sehr befruchtend sein; um daraus Strategien zu Steigerung der Diversität zu entwickeln. Allerdings ist diese Betrachtungsweise auch sehr opportunistisch. Sie macht den ökonomischen Erfolg zur Maxime und fördert nicht zwangsläufig ein Verständnis von Vielfalt als Ressource unabhängig von marktwirtschaftlichen Betrachtungen. In vielen Betrieben ist dies jedoch ein guter Einstiegspunkt in eine Beschäftigung mit Diversity Management.
Lernansatz / Effektivitätsansatz
Geht man davon aus, dass Vielfalt unter bestimmten Voraussetzungen eine Organisation bereichert, organisationales Lernen ermöglicht und hilft, schlagkräftiger zu werden, so ist Entwicklung über die reine Antidiskriminerung oder den Gewinn von Märkten möglich. In einer solchen Kultur werden Unterschiede wertgeschätzt und die Kultur erlaubt das Infragestellen von Normen und Werten. Hier steht die Nutzbarmachung von Vielfalt im Vordergrund. Aber auch hier, darf diese nie zum Selbstzweck werden.
Strategischer Verantwortungsansatz / Sensibilitätsansatz
Immer mehr Betriebe widmen sich umfassenden CSR Aktivitäten. In solchen Organisationen versteht man es als Teil seiner Verantwortung, VIelfalt entsprechend zu repräsentieren und zu nutzen und vor allem diese mit den relevanten Unternehmenszielen zu verknüpfen. Erfolgt dies – wie auch im Lernansatz – ganzheitlich, dann kann diese strategische Ausrichtung die Gesamtorganisation tatsächlich stärken.
Es ist festzuhalten, dass keiner dieser Ansätze isoliert in Organisationen vorgefunden werden kann. Vielmehr vermischen sich diese oft oder kommen je nach Thema in unterschiedlicher Ausprägung zur Anwendung. Ein Bewusstsein darüber stärkt aber vor allem Führungskräfte und ermöglicht, dass der Nutzen in den Vordergrund rückt. Denn Vielfalt alleine ist noch keine Ressource. Da muss man den Metanalysen, die dies untersucht haben, natürlich Recht geben. Aber die bewusste, zweckgewidmete und sensible Beschäftigung mit der personellen Vielfalt, der Vermeidung von Diskriminierung und der gezielten Förderung vo Vielfalt als Resource hat meiner Erfahrung nach sehr wohl sehr viel Berechtigung und greift in eine der wesentlichsten Elemente einer Organisation ein: in Werte und Kultur. Und das ist die wichtigste Arbeit, die HR heutzutage leisten kann.
Diversität | Sinn und Unsinn von Diversitätsmanagement (Diversity)