Allzu oft sprechen wir nur über Arbeitsbedingungen, die uns nerven und stressen. Aber warum eigentlich? Und wann können wir tun um die Negativspirale aufzubrechen? Tipps für den Arbeitsalltag und Fragen für Berater.
Konkret gefragt
Auf den 1. Blick
Wenn man Mitarbeiter fragt, was sie an ihrem Job lieben, sind die Antworten auf den ersten Blick sehr individuell verschieden:
„Die gute Zusammenarbeit im interdisziplinären Team und dass wir uns gegenseitig Materialien borgen“ (Ergotherapeuten in einem Kinderambulatorium)
„Wir können mit Problemen zur Firmenleitung gehen und die hört sich unsere Anliegen offen an.“ (Produktionsmeister bei einem Maschinenhersteller)
„Es sind alle notwendigen Informationen im Computersystem vorhanden und wir bekommen hier viel Unterstützung von den Oberschwestern. Die sind einfach super vernetzt!“ (Primarärzte)
Was würden Sie auf diese Frage antworten?
Auf den 2. Blick
Auf den zweiten Blick finden sich bei den Antworten einige Muster: Viele Menschen genießen die abwechslungsreichen Aufgaben und dass sie Dinge selbst entscheiden können.
So können 73,3% der österreichischen Arbeitnehmer (EWCS, 2015) die Reihenfolge ihrer Arbeitsaufgaben selbst bestimmen oder ändern. Und das auch in Jobs, die von außen diese Vorzüge vielleicht gar nicht erahnen lassen.
Controller in einer Zeitarbeitsfirma erzählten mir, dass sie bei der Abarbeitung ihrer Aufgaben eine freie Zeiteinteilung haben und nur auf die Einhaltung von Fristen achten müssen. Und Kundenbetreuer in einer Sozialversicherung finden, dass sie jeden Tag neue Aufgaben haben weil alle Kunden anders sind. Und dass diese ständigen Herausforderungen lernförderlich sind, weil man auch eine hohe Verantwortung trägt.
Fokus fällt schwer
Es gibt jedoch auch viele Workshops, bei denen diese Frage nur Kopfschütteln oder Lachen auslöst. Die Mitarbeiter wissen zunächst gar nicht, was sie hier antworten sollen. Denn sie sind so stark auf die Stressfaktoren und die „daily hazzels“ ihres Arbeitsalltags fixiert, dass ihnen die Veränderung des Blickwinkels schwer fällt. Das Positive wird im Arbeitsalltag allzu oft vergessen und man konzentriert sich auf das, was nervt. Im besten Fall wird das noch als „Herausforderung“ gesehen.
Viele Routinen und leider auch Personalisten fokussieren stark auf Kritikgespräche, nicht erreichte Jahresziele oder Beschwerden. Auch die Evaluierung psychischer Belastungen hat eigentlich nur den gesetzlichen Auftrag Stressfaktoren aufzudecken, aber nicht vorhandene motivierende Arbeitsbedingungen zu stärken.
Für alle Modertoren und Berater hier ein paar alternative Fragen, mit denen Sie den Gesprächsfokus auf positive Arbeitsbedingungen lenken können:
- Warum arbeiten Sie schon so lange hier?
- Was gefällt Ihnen besonders gut?
- Warum würden Sie Ihren Arbeitgeber anderen weiterempfehlen?
- An welchen Tagen arbeiten Sie besonders gerne hier?
- Welche Aufgaben erledigen Sie gerne?
Die Antworten auf diese Fragen können helfen einen umfassenden und realistischeren Eindruck von den Arbeitsbedingungen zu erhalten. Und sie helfen auch anschließend bei der Findung von passenden Maßnahmen gegen Stressfaktoren. Ganz im Sinne von „Stärken stärken“.
Psychologischer Mechanismus
Unsere Psyche ist ein Hund. Negative Kritik wirkt viel stärker als positives Lob. Negative Erfahrungen werden mehr weitererzählt als erfreuliche Erlebnisse. Und negative Informationen haben einen größeren Einfluss auf die Gesamtbewertung als positive Merkmale.
Das führt dazu, dass viele Führungskräfte das Gefühl haben, dass die Mitarbeiter ständig nur jammern. Und dass man den Eindruck gewinnt, alle sind nur noch gestresst und genervt von ihrem Job.
Woher kommt diese Negativitätstendenz?
Die psychologische Forschung geht davon aus, dass man einen konsistenten Eindruck haben möchte und daher einzelne negative Aspekte stören und auffällig sind. Daher wird ihnen mehr Beachtung geschenkt.
Aber was können wir tun?
Mit diesem Hintergrundwissen ist es umso wichtiger, dass wir uns alle selbst an der Nase nehmen und positive Dinge aussprechen! Loben Sie Ihre Mitarbeiter. Melden Sie dem Chef zurück, wenn etwas gut geklappt hat. Sagen Sie es laut, wenn Sie sich freuen mit Ihrem Team zu arbeiten. Feiern Sie erreichte Ziele und abgeschlossene Projekte.
Es geht mir nicht darum, dass Sie krampfhaft positiv denken, auch wenn etwas nicht gut läuft. Aber fokussieren Sie sich auch bewusst auf motivierende Arbeitsbedingungen und unterstützende Aspekte. Und lernen Sie auch Gutes im Schlechten sehen.
Sie sind täglich genervt von Ihren Kunden? Aber vielleicht gibt es dafür eine humorvolle Kollegin und die Job bietet langfristige Arbeitsplatzsicherheit.
Das aktuelle Projekt wurde viel zu spät gestartet und sie sind jetzt im Zeitdruck? Vielleicht wissen Sie aber jetzt schon, dass Sie nach der Deadline einen Kurzurlaub genießen werden und das übernächste Projekt total spannend sein wird!
Es hat immer einen Grund, warum wir bleiben, wo wir gerade sind. Zumindest scheint Ihr Job dann nicht schlecht genug zu sein für eine größere Veränderung.
Ranglisten helfen oft nicht weiter
Auch viele Rankings drehen sich um den „besten Job der Welt“ oder den „besten Arbeitgeber“.
Auf welcher Grundlage diese Bewertungen zustande kommen ist sehr unterschiedlich. Von komplexen Berechnungen aufgrund von Mitarbeiterbefragungen, über Arbeitsmarktprognosen bis hin zu Gehaltsauswertungen.
Doch in der Realität ließen sich diese Ranglisten nicht auf einzelne Mitarbeiter ummünzen. Nicht jeder würde als Softwareentwickler (1. Platz „Top Job of 2018“ von U.S. News ) oder in der Firma KLIPP Frisör (Sieger Great Place to Work in der Kategorie „Österreichs Beste Arbeitgeber 2018 – 500+ Mitarbeitende“) glücklich werden. Dazu spielen viel zu viele individuelle Faktoren eine Rolle wie Kompetenzen, Arbeitserfahrungen, Arbeitsstil und Lebensumstände.
Man kann maximal verallgemeinern, welche Arbeitsbedingungen für viele Menschen wichtig sind oder einen Einfluss auf die Gesundheit und Motivation haben.
Und was lieben Sie an Ihrem Job?
Tipps für den Arbeitsalltag und Fragen für Berater