Experten-Interview: Coaching-Ausbildungen lehren typischer Weise mehr als 1 Coaching-Methode. Welche Coaching-Ansätze sollten auf jeden Fall Teil der Ausbildung sein?
Experten-Interview
Welche unterschiedlichen Coaching-Ansätze und Methoden sollten Ihrer Meinung nach in jeder Coaching-Ausbildung enthalten sein?
Corinna Ladinig, MBA (CTC): Systemische Ansätze und Coachingtechniken, Lösungsorientierung nach Steve de Shazer, aber auch das Zürcher Ressourcen Modell nach Maja Storch, Hypnosystemische Techniken nach Gunther Schmidt, Methoden aus dem mentalen Bereich und dem NLP (wenn man das mag) – neben den Methoden und Techniken geht es auch darum die Coachinghaltung zu thematisieren und hilfreiche Modelle aus dem Bereich der Psychologie, Kommunikation, Konfliktmanagement und Motivationspsychologie einfließen zu lassen.
Miglena Doneva-Doncheff (ITO): In einer Coaching-Ausbildung sollte man sich mit dem systemischen Ansatz auseinandersetzen können. Im 21. Jahrhundert sollten die Teilnehmer mit den Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft darüber, wie das menschliche Gehirn funktioniert und wie die Wirkung von Coaching ist, vertraut gemacht werden. Die Coaching-Ausbildungen, die den lösungsfokussierten Coaching-Ansatz vertreten, unterstützen ihre Klienten effizient und zukunftsorientiert darin, ihre Ziele zu erreichen.
Veronika Aumaier, MAS, MSc (AUMAIER CONSULTING/TRAINING): Wir sind überzeugte Anhänger des systemisch-lösungsorientierten Coachingansatzes. Der lebt von der systemisch-lösungsorientierten Haltung. Sie geht davon aus, dass jeder seine eigene Wirklichkeit kreiert – also mit seiner ganz eigenen Perspektive auf ein Thema, eine Situation, das Verhalten von Personen etc. schaut. Daher gibt es im Regelfall kein richtig oder falsch, sondern nur die ganz persönliche Sicht der Dinge. Das als Coach in der eigenen Haltung etabliert ist eine wirkungsvolle Unterstützung zur nachhaltigen Lösungsfindung.
Mag. Dagmar Grafeneder (KICK OFF): Unserer Erfahrung nach punktet eine Coachingausbildung immer mit einer Vielfalt von Methoden – welche auch immer diese Methoden sind. Je mehr Methoden ein Coach anwenden kann, desto mehr kann er sich auf unterschiedliche Menschen einstellen, aber auch auf die unterschiedlichen Themen, die an ihn herangetragen werden. In unserer Ausbildung sind neben dem systemischen Ansatz auch andere Schulen wichtig, wie z.B. der personenzentrierte Ansatz, Elemente aus der Gestalttherapie, der Transaktionsanalyse, NLP, Psychodrama, Hypnotherapie und vieles andere mehr. Bei all diesen verschiedenen Schulen ist es meiner Meinung nach wichtig, in der Coachingausbildung einerseits den Teilnehmern das theoretische Hintergrundwissen dazu zu vermitteln, und dementsprechende passende Techniken, die dann im Coaching angewendet werden können.
Arbeitet der Coach im Prozess auf den ersten beiden Coachingebenen, wo es um Reflexion von Arbeits- und Organisationsthemen bzw. um Beziehungen und Konflikte geht, werden alle Werkzeuge von Fragetechniken, über Reframing und Ressourcenarbeit bis zu szenischen Darstellungen und vieles andere mehr, sinnvoll und wichtig sein.
Auf der dritten Coachingebene, wo wir uns mit der Unterbrechung von destruktiven Mustern und Lebensskripts beschäftigen, sind Techniken aus dem Hypnocoaching sehr passend. Hierbei handelt sich um Symbolarbeit, Aufstellungen, Märchen, Metaphern, Lebensweg-Arbeit, etc.
Es gibt also eine Fülle von sehr guten, sinnvollen und effizienten Methoden, die im Coachingprozess angewendet werden können. In der Auswahl der Coachingausbildung machen daher viel mehr Fragen wie „mit welchen Themen möchte ich mich als Coach beschäftigen“, „mit welchem Klientel möchte ich arbeiten“, „welche Arbeitsweise liegt mir“ Sinn, um eine passende Ausbildung mit ihren spezifischen Methoden auszuwählen.
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Coaching soll Führungskräfte und Teams in Entwicklungs- und Aushandlungsprozessen unterstützen, die in Arbeitswelten in veränderlichen Umfeldern mit hoher Komplexität stattfinden und nicht mit kausalen Denken das Auslangen finden. Konstruktivistisch-systemische Coaching-Ansätze bieten einen ausreichenden Rahmen unter Einbeziehung aktueller neurobiologischen Erkenntnisse.
Methoden mit Fokus auf Entwicklungsprozesssteuerung; Selbstwirksamkeit und Selbststeuerung; Lösungs(raum)entwicklung und Ressourcenaktivierung; Komplexitätsreduzierung zur Bearbeitbarkeit komplexer Themen; Wirksamkeiten und Dynamiken, einschließlich Zirkularität, systemischer Dynamiken, Rang- und Gruppendynamik; Entwicklung von Handlungsstrategien; Evaluierung und Messbarkeit; Systemische Fragen; Arbeit mit Systemen.
Sabine Prohaska vertritt eine sehr entgegengesetzte Meinung:
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult): Ich bin kein Freund von Ausbildungen, die verschiedene Ansätze heranziehen, da dadurch das grundlegende Verständnis der Arbeit zu kurz kommt. Denn jeder Coaching-Ansatz basiert auf einer bestimmten Haltung und einem bestimmten Menschenbild – z.B. einem eher lösungs- oder problemorientierten Ansatz. Dieser Ansatz hat Auswirkungen auf die Interpretation des Prinzips „Hilfe-zur Selbsthilfe“. So wird von manchen Coaching Richtungen der Coach eher als Ratgeber, von anderen eher als Begleiter gesehen.
Bei der therapeutischen Ausbildung steht außer Frage, ob man verschiedene Ansätze oder nur EINEN Ansatz lernt. Man absolviert eine Ausbildung mit einem klaren Ansatz: z.B. Verhaltenstherapie oder Gestaltherapie.
Forschungsergebnisse zeigen: Es ist nicht so entscheidend, welchem Ansatz man sich als Coach verschreibt, entscheidend ist, dass man sich einem Ansatz verschreibt. Denn eine hohe Methodenkompetenz des Coaches reicht nicht für das erfolgreiche Gestalten von Coaching-Prozessen. Wichtig ist das Zusammenspiel von Haltung und Können. Und diese Haltung zu etablieren, das ist ein zentraler Bestandteil einer fundierten Coaching-Ausbildung.
Wann macht eine Coaching-Ausbildung Sinn, die nur EINEN Coaching-Ansatz fokussiert?
Mag. Sabine Prohaska (seminar consult): Gerade für Berufsanfänger ist der Fokus auf einen Ansatz wichtig. Denn dieser Ansatz bewirkt das Selbstverständnis eines Coachs, und dieses ist die zentrale Grundlage für seine Tätigkeit. Und diesen zu kennen, ist für potenzielle Kunden eine hilfreiche Orientierung bei der Auswahl des „richtigen“ Coachs oder dem Aufbau eines Coaching-Pools, sofern es sich bei den Kunden um Organisationen handelt.
Ina Biechl (institut ina biechl): Wenn es für die Coach-Person hilfreich scheint, einen besonderen Coaching-Ansatz zu bevorzugen, ist das eine persönliche Entscheidung. Für mich ist es wichtig, viele Methoden zu beherrschen und bei der jeweiligen Rat suchenden Person individuell anzuwenden.
Mag. Ina Lukl (IBG): Die Reduktion auf einen einzelnen Coaching-Ansatz ist möglicherweise sinnvoll, wenn das Coaching auf eine ganz spezifische Zielgruppe bzw. ein spezielles Setting oder Thema zugeschnitten ist. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass auf Vorkenntnisse UND Vorerfahrungen in professioneller Gesprächsführung zurückgegriffen werden kann
Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Die Wurzeln von Coaching-Ansätzen basieren meist in der wissenschaftlichen Grundlage auf psychotherapeutischen Richtungen, die sich mit Haltung und Menschbild befassen. Ein wesentlicher Teil der verbalen und nonverbalen Steuerung in einem Coaching-Prozess wird durch Haltung beeinflusst. In einer Coaching-Ausbildung ist folglich die Auseinandersetzung damit und dem kongruenten Verhalten des Coaches notwendig. Daher ist es wichtig in einer Coaching-Ausbildung, einen stimmigen Ansatz zu wählen und passende Techniken zu ergänzen.
Mag. Claudia Müller (BFI Steiermark): Sich auf einen Coaching-Ansatz zu fokussieren, macht dann Sinn, wenn man bereits eine fundierte Ausbildung in Gesprächsführung und Beratung mitbringt und seine Kompetenz in einem speziellen Coaching Ansatz vertiefen will. Ich denke da zum Beispiel am hypnosystemisches oder lösungsfokussiertes Coaching.
Peter Jelinek (Jelinek Akademie): Wenn der seriöse Anspruch einer Ausbildung erfüllt werden soll: IMMER!
Die Gesprächspartner
Miglena Doneva-Doncheff ITO Individuum Team Organisation GmbH Mag. Dagmar Grafeneder KICK OFF Management Consulting GmbH Veronika Aumaier, MAS, MSc AUMAIER CONSULTING/TRAINING GMBH Mag. Sabine Prohaska seminar consult prohaska Corinna Ladinig, MBA CTC Academy OG Mag. Ina Lukl IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH Ina Biechl institut ina biechl Mag. Renate Strommer ASO & WiLAk GmbH Mag. Claudia Müller BFI Steiermark Peter Jelinek Jelinek Akademie e.U. |