Das Gehalt ist nicht nur ein finanzieller Ausgleich für die geleistete Arbeit. Das Gehalt ist auch Projektionsfläche für alle Themen, die im Arbeitsleben konfliktbehaftet sind. Genügt ein Danke statt einer Gehaltserhöhung? Welchen Wert hat Wertschätzung?
Manche Mitarbeiter gehen sogar so weit, dass sie behaupten, sie bekämen gar kein Gehalt, sondern 70 % Schmerzensgeld, und der Rest sei Schweigegeld. Wie viel Geld könnten sich Unternehmen ersparen, wenn sie andere Themen positiv bewältigen könnten? Oder anders formuliert: Wie viel mehr produktive Leistung können hoch motivierte Vertriebsmitarbeiter leisten, wenn sie entsprechend wertgeschätzt werden?
In zahllosen Interviews mit Personalmanagern und Mitarbeiter spiegelt sich das Bild wider, dass andere Unternehmen zwar mehr bezahlen mögen, die Mitarbeiter aber dennoch bleiben, weil die Rahmenbedingungen so gut sind. Eine häufige Aussage lautet: „Wenn es mir nur ums Geld ginge, müsste ich gehen. Aber dann müsste ich auf ein tolles Betriebsklima, spannende Projekte, Aufgaben und Kunden sowie einen Chef verzichten, der mich fordert und fördert.“ Gehalt wird immer im Verhältnis zu einem ganzen Bündel an Kriterien gesehen. Insgesamt muss also das Paket passen, das aus Gehalt, Betriebsklima, Arbeitsaufgaben, Verhältnis zu Chef und Kollegen, Entwicklungsmöglichkeiten und vielen mehr besteht.
Diesen qualitativen Aussagen sind die Berater von Great Sales Force auf den Grund gegangen. Mit ihren Untersuchungen unter mehr als hundert Unternehmen in Österreich haben sie auch untersucht, welchen monetären Wert das Thema Wertschätzung vom Vorgesetzten hat.
Interview mit Norbert Künzl
Norbert Künzl ist Mitgründer und Partner bei Great Sales Force (Foto rechts)
Herr Künzl, wie sind Sie bei Ihrer Untersuchung vorgegangen?
Wir begleiten regelmäßig Unternehmen auf Ihrer Reise von „Good to Great“ im Vertrieb. Dabei starten wir mit einer ganzheitlichen Analyse des Vertriebs, in dem wir die Vertriebsmitarbeiter und deren Führungskräfte mit einem anonymen Online-Fragebogen untersuchen. Die Great Sales Force Survey® untersucht dabei 13 Produktivitätsfaktoren, sodass am Ende ein möglichst objektiver Befund des Vertriebs und seiner Einheiten vorliegt. Anhand des Stärken-/Schwächen-Profils und des ebenfalls abgefragten Potenzials zur Produktivitätssteigerung identifizieren wir die wichtigsten Handlungsfelder und entwickeln einen Maßnahmenplan, um den Vertrieb optimal zu entwickeln.
Wie bedeutsam ist dabei das Thema Wertschätzung, auch im Vergleich zum Gehalt?
Wir haben mittlerweile über 350 Projekte bei ca. 120 Unternehmen mit unserer Great Sales Force Survey® untersucht, dazu kommen nochmals 50 Unternehmen, deren Top-Performer im Vertrieb an unseren All-Star-Studien teilnehmen. Bei über 10.000 befragten Teilnehmern haben wir mittlerweile eine Datenquelle von ca. 1 Mio. einzelnen Datenpunkten.
Nach unserer Untersuchung sehen wir einen deutlichen Zusammenhang der drei Themen
- Führung
- Wertschätzung und
- Zufriedenheit mit dem Gehalt.
Besonders klar zeigt sich der Zusammenhang, das Geld nicht alles ist, wenn innerhalb eines Unternehmens mit gleichem Gehaltsmodell die Zufriedenheit mit der Vergütung bei verschiedenen Teams unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Ergebnisse unserer Umfragen zeigen: Gute Führungsarbeit und hohe Wertschätzung können ein niedrigeres Gehalt tatsächlich zu einem gewissen Grad aufwiegen.
Damit dieser positive Effekt eintritt, spielt vor allem die Regelmäßigkeit und die Qualität des Feedbacks von Vorgesetzten eine große Rolle. Auch Karrieremöglichkeiten haben das Potenzial, eine schlechtere Vergütung zu kompensieren, insbesondere bei jüngeren Mitarbeitern. Diese Erkenntnisse gelten weitgehend unabhängig von Branche, Unternehmensgröße oder Standort.
Welche Maßnahme bringt den größten finanziellen Gegenwert?
Wenn es einen Themenbereich gibt, der am besten geeignet ist, um den Druck auf die Gehaltsfrage im Unternehmen zu verringern, so lautet meine Empfehlung: Nehmen Sie den Sand aus dem Getriebe! Viele Mitarbeiter leiden unter limitierenden Faktoren im beruflichen Alltag, die sie daran hindern, ihr volles Potential auszuschöpfen.
Es geht also weniger darum, Mitarbeitern mehr Gehalt zu zahlen, als sie durch passende Rahmenbedingungen zu ermächtigen, im Job ihr Bestes geben zu können. Die limitierenden Faktoren können Quick-Wins, mittlere oder größere Projekte sein. Je nach Unternehmen gibt es andere Störfaktoren, die durch unsere Befragungen identifiziert werden. Wenn es Ihnen gelingt, den Berufsalltag möglichst störungsfrei zu halten, tritt das Gehaltsthema eindeutig in den Hintergrund. Selbst Gehaltsabweichungen von 10 % und mehr spielen eine geringere Rolle, wenn das Umfeld im Unternehmen insgesamt positiv ist.
Der Vorteil für die Unternehmen besteht darin, dass der Vertrieb nach Beseitigung der internen Hindernisse seine Arbeit besser erledigen kann, mehr verkauft und am Ende alle Beteiligten davon profitieren – das Unternehmen durch höhere Umsätze und die Vertriebsmitarbeiter über einen höheren Bonus.
Welches abschließende Feedback können Sie Führungskräften geben?
Nach unseren Erhebungen gibt es drei wesentliche Faktoren, um das Gehaltsthema nicht hochkochen zu lassen:
- Geben Sie authentisches Feedback. Ein erster Start dazu ist ein ehrlich gemeintes „Danke für Ihr Arbeit“, wenn es tatsächlich von Herzen kommt.
- Geben Sie regelmäßig Feedback. Einmal pro Jahr nach einer Schulung durch die Personalabteilung ist definitiv zu wenig.
- Bieten Sie Karrieremöglichkeiten: Vor allem jüngeren Mitarbeitern ist es wichtiger, sich im Unternehmen zu entwickeln, als gleich zum Berufsstart mehr zu verdienen als bei der Konkurrenz. Im Laufe der Karriere tritt zwar eine gewisse Sättigung ein, häufig infolge von einer Familiengründung. Das Thema Entwicklung bleibt jedoch in gewissen Rahmen für viele qualifizierte Mitarbeiter bestehen.
Das Gehalt ist zweifelsfrei ein wichtiger Faktor für eine gelingende berufliche Beziehung. Geld ist aber definitiv nicht alles. Regelmäßige, authentische Wertschätzung und Karriereperspektiven für die Mitarbeiter in einem möglichst störungsfreien Umfeld können sogar ein etwas niedrigeres Gehalt mehr als ausgleichen.
Interview-Partner
Norbert Künzl ist Mitgründer und Partner von Great Sales Force GmbH. n.kuenzl@greatsalesforce.com, www.greatsalesforce.com