Mindestens 12 Stunden täglich im Büro, dazu auch oft am Wochenende. Zuhause nahezu 24 Stunden per Handy und Mail erreichbar. Das ist das Bild, das viele noch immer in sich tragen, wenn Sie an Manager und Führungskräfte der oberen Ebenen denken. Und tatsächlich ist es auch das Bild, das in vielen Organisationen noch immer vorherrscht, will man zum Top-Management gehören. Eine Führungsaufgabe in einer Teilzeitbeschäftigung zu erledigen, ist für viele Unternehmen noch immer unvorstellbar. Und doch gibt es Beispiele und Gründe, dass das funktioniert. Und sogar Vorteile mit sich bringt.
Ein Unternehmen, das es in Österreich Führungskräften ermöglicht, Ihre Aufgabe in weniger als der Vollbeschäftigung zu erledigen, ist das allseits bekannte und beliebte Möbelhaus IKEA. Zwar ist das nicht der Regelfall, wie Lehrlings- und Familienaudit-Beauftragte Alexandra Eichinger betont, aber dennoch wird MitarbeiterInnen, die zB aus Karenz zurück kommen, die Option geboten eine anspruchsvolle Tätigkeit als Führungskraft auch in Teilzeit zu erledigen. „Der Vorteil liegt darin, dass wir keine Kompetenz ungenutzt lassen.“, so Eichinger.
Auch andere Unternehmen, wie etwa der deutsche Versicherungskonzern Allianz haben die positiven Effekte erkannt und bemühen sich nun darum, Führungskräfte auch in Teilzeit zu beschäftigen. Erst Ende Februar kündigte der Vorstandschef der deutschen Allianz, Michael Diekmann, an, man werde Doppelbesetzungen von Führungspositionen und 4-Tagewochen prüfen und wolle entsprechende Modelle anbieten. Unter anderem soll damit auch das Ziel erreicht werden, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Denn gerade die sind es, die aufgrund von Betreuungspflichten vor zeitintensiven Managementpositionen zurück schrecken. Diese Erfahrung hat auch IKEA gemacht, wenngleich auch eine Teilzeit-Führungsposition nicht immer nur auf Begeisterung stößt. „Wenn jemand vor der Karenz in einer Führungsaufgabe war, dann bieten wir fallweise Teilzeimöglichkeiten. Aber verständlicherweise werden diese auch oft abgelehnt. Dann fungieren diese Personen oft als Coaches für neue Führungskräfte“ verrät Alexandra Eichinger.
Führung ist im Wandel
Besonders in den letzten Jahren ist die Führung stark im Wandel begriffen. Moderne Arbeitsformen, wie Telearbeit etwa, fordern eine neue Form der Führung. Die direktive Führung, die erwartet, dass alle MitarbeiterInnen zu bestimmten Zeiten an Ihrem Arbeitsplatz zu sein haben, ist passé. Nicht zuletzt die technologischen Möglichkeiten eröffnen uns neue Arbeitswelten.
Für Führungskräfte bedeutet das eines: Kontrolle abgeben. Und das fällt vielen noch besonders schwer. Standhaft hält sich in den Unternehmen die Ansicht, dass man nur führen könne, wenn man selbst und die einem Unterstellten anwesend sei. Doch das lässt sich nun einmal nicht mit wichtigen Pflichten wie der Kinderbetreuung vereinbaren.
Erst vor wenigen Tagen hat Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek noch einmal bekräftigt, dass in Österreichs Aufsichtsräten in weniger als fünf Jahren ein Viertel der Posten von Frauen besetzt sein soll. In Österreich arbeiten derzeit rund 44% aller unselbständig beschäftigten Frauen in einer Teilzeitvariante, bei den Männern sind es nur etwas mehr als 7%. Will man ernsthaft mehr Frauen auch in Spitzenpositionen bringen, dann ist die Arbeit als Teilzeit-Führungskraft ein wenig dorthin. Doch die Arbeit in einer Teilzeitposition mit Verantwortung ist kein reines Frauenthema. Nach einer Studie zum Thema Väterkarenz wären drei Viertel der männlichen Angestellten bereit, Teilzeit zu arbieten, würden die sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen im Betrieb das zu lassen. Doch häufig ernten Männer nur bei dem Gedanken an ein solches Zeitmodell nur verwunderte und strenge Blicke.
Problemfaktor Karrierebremse
Nach einer Studie des Wirtschaftsforums der Führungskräfte (WdF) aus dem Jahr 2010 sehen sich in der zweiten Ebene knapp 25% der Führungskräfte nach mehr Flexibilität, ebeso viele nach weniger Arbeitsbelastung generell. Mehr als drei Viertel der Befragten sehen in Teilzeitvereinbarungen für Manager Vorteile für das Familienleben und die Lebensqualität. Trotzdem stimmten genauso viele der Manager zu, dass solche Modelle eine „Karrierebremse“ darstellen würden.
Für Alexandra Eichinger von IKEA gibt es aber noch eine andere Variante: „Wir vergeben fallweise eine Führungsposition an zwei Personen, die sich den Führungsjob teilen. Allerdings ist hier eine klare Kommunikation der Verantwortungen an die Mitarbeiter wichtig. Und jede Führungskraft hat einen Stellvertreter“. Diese Modell nennt sich in der Fachsprache „Job Pairing“, nicht zu verwechseln mit Job Sharing, bei dem beide Jobinhaber selbständig agieren und verantwortlich sind. Beim Job Pairing sind beide Jobinhalber gemeinsam für ein Ergebnis verantwortlich. Fallweise können Verträge auch so ausgestaltet sein, dass sie nur durch beide Partner gemeinsam aufkündbar sind.
Teilzeit bringt’s – und war nie einfacher als heute
Dass Teilzeitkräfte auf die einzelne Stunde gerechnet einen höheren Leistungslevel haben, bestätigen auch zahlreiche Studien. Teilzeitkräfte fallen weniger oft krankheitsbedingt aus und haben häufig eine höhere Identifikation mit dem Unternehmen als ihre Vollzeit arbeitenden Kollegen. Tatsächlich gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass Teilzeitkräfte durch längere Erholungsphasen und mehr Abwechslung leistungsfähriger sind. Dazu kommt, dass durch neue technologische Möglichkeiten auch die Flexibilität auf der Arbeitnehmerseite gestiegen ist. „Wir haben teilweise auch flexible Arbeitsplätze in unseren Einrichtungshäusern. Auf einer Übersicht, sieht man, welche Führungskraft wann und wo im Einrichtungshaus ist. Für externe Mitarbeiter gibt es zudem Docking Stations und flexible Plätze“, so Eichinger.
Obwohl sich viele Unternehmen noch sträuben, war es niemals einfacher als heute, trotz einer Teilzeitbeschäftigung immer up-to-date zu sein. War das Handy vor 10 Jahren noch häufig ein Statussymbol, so ist dieses heute ein notwendiges Arbeitsmittel. Tatsächlich ist es möglich, auch ohne Anwesenheit immer zu wissen, was läuft. Und die Technologie ermöglicht eine Form von Flexibilität auch im zeitlichen Sinn. Abends zu Hause am Laptop zu arbeiten, wenn die Kindern schon im Bett sind, ist keine Zukunftsfantasie mehr, sondern Realität.
Bis allerdings die Teilzeit-Führungskraft zur Normalität geworden ist, wird es wohl noch eine Dekade dauern. Derzeit liegt der Anteil in den meisten Häusern noch zwischen 0 und 2 Prozent. „Wir haben 13 Teilzeitführungskräfte bei IKEA. Nicht viel, aber immerhin.“ erläutert Alexandra Eichinger. Die Notwendigkeit der Chancengleichheit, technologische Möglichkeiten und die Anforderungen an eine moderne und flexible Arbeitswelt treiben aber jetzt schon einen schleichenden Kulturwandel voran. Eine neue Generation drängt auf den Arbeitsmarkt und so ist der Öffnung gegenüber neuen Formen des Arbeitens und der Führung zumindest Tür und Tor geöffnet.
Tabuthema: Teilzeitführungskraft