Experten-Interview zu einem konkreten Beispiel: ein international zusammengewürfeltes Team soll 2 Jahre zusammenarbeiten. Was ist auf HR-Ebene, Sprache-Ebene und interkultureller Ebene zu bedenken und umzusetzen?
Konkretes Beispiel: Ein multikulturelles und internationales Team besteht aus 10 Personen, die in Österreich sitzen plus weiteren 10 Personen, die in Asien, Nord-Amerika und Südafrika tätig sind. Sie sollen 2 Jahre an einem gemeinsamen Projekt arbeiten.
Die Arbeitssprache ist Englisch, der Großteil des Teams ist fachlich sattelfest in dieser Sprache, andere beherrschen Englisch sehr gut als Alltagssprache, nicht jedoch in der fachlich relevanten Richtung. Deutsch ist bei den internationalen Mitarbeitern keine gemeinsame Basis.
Experten-Interview
Worauf ist aus Sicht der HR von Beginn an zu achten, wenn ein solch interkulturelles Team frisch zusammen gewürfelt wird?
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Für einen derartigen Zeitraum und ein so großes Team ist sicher ein gemeinsamer Sprachlevel im fachlichen Bereich wichtig. Das heißt jene, die nicht sattelfest in der Fachsprache sind, müssen das aufholen. Es ist wichtig, dass so ein Team auf ein gemeinsames Vokabular für relevante Fachthemen zurückgreifen kann und dass zentrale Begriffe für alle klar sind. Eine gemeinsame sprachliche Ebene zu haben heißt auch, über die kulturell unterschiedlichen Kommunikationsstile Bescheid zu wissen und diese situationsbezogen anwenden zu können, sie aber auch kontextbezogen zu verstehen. Das heißt, alle im Team sollten über interkulturelle Kommunikationskompetenz verfügen.
Matthias Würth (ICUnet Austria): Die Empfehlung ist hier, das Thema der kulturellen Diversität ganz aktiv zu adressieren, zB in der Form eines Workshops. Das Erkennen der eigenen kulturellen Präferenzen erhöht die Bereitschaft, die unterschiedlichen Zugangsweisen bzw. Präferenzen der übrigen Teammitglieder nicht nur zu akzeptieren, sondern der Mehrwert daraus zu schöpfen: Interkulturelle Teams arbeiten kreativer, innovativer und effizienter. Regelmäßiges Feedback, eine offene Unternehmenskultur, welche Wert darauf legt, Themen und Probleme anzusprechen mit dem Fokus auf Handlungs- und Lösungsoptionen aber auch Trainings für die Mitarbeiter, um Potenziale zu entfalten. Dies sind einige der Maßnahmen, die darauf zielen, die Kraft der Diversität zu entfalten.
Dr. Michaela Meier (Trenkwalder Learning): Ganz wichtig ist, dass die ggf. vorhandenen Sprachdefizite nicht zu misstrauen führen. D.h. Fachsprache ist zwar wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend von Beginn an ist, dass sich alle Teammitglieder in der Fremdsprache und Mimik wohlfühlen. Gestik und Stimmlage müssen mit dem Gesprochenen zusammenpassen. Wir hören nicht selten von Kunden – gerade in der Automobilbranche – die Beschreibungen, dass internationale Teams zwischen Mexiko, Deutschland und Japan am Anfang scheiterten, weil sich „Deutsche zu sehr auf die Grammatik“ konzentrierten und Mexikaner „keine Emotionen fühlen/hören“ konnten. Da kamen wir ins Spiel und haben das geändert.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): Der einfachste gemeinsame Nenner im sprachlichen Bereich ist bei diesem Beispiel natürlich Englisch. Da das Projekt langfristig angelegt ist, sollte das Niveau der Mitarbeiter in Englisch mindestens auf B1 gebracht werden.
Außerdem sollte das gesamte Projektteam in einem interkulturellen Basisseminar wertvolles Grundlagenwissen für die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit erarbeiten, um für andere Verhaltens-, Arbeits- und Sichtweisen sowie Führungs- und Verhandlungsstile sensibilisiert zu werden.
Worauf wäre bereits bei der Zusammensetzung dieses Teams zu achten?
Dr. Karin Schreiner (Intercultural Know How – Training & Consulting): Internationale Erfahrungen: Ich empfehle, sich sehr genau die internationalen Erfahrungen der potenziellen Team-Mitglieder im Vorfeld anzuschauen. Es sollten alle bereits mehrjährige internationale Erfahrungen haben. Damit ist ein ähnliches Mindset der Team-Mitglieder gegeben und es werden national kulturelle Stereotypisierungen vermieden.
Alter: Auch das Alter ist ein wichtiger Aspekt, vor allem was die Anwendung digitaler Tools und digitaler Kommunikationsformen betrifft. Hier könnte man idealerweise auf ähnliche Altersgruppen achten bzw. wenn unterschiedliche Altersgruppen, dann sehr darauf achten, wie offen und neugierig die älteren potenziellen Mitglieder sind.
Gender: Ein gendermäßig ausgeglichenes Team arbeitet tendenziell harmonischer miteinander.
Welche Maßnahmen würden Sie setzen, um dieses interkulturelle Team langfristig zu unterstützen – im Laufe der nächsten 2 Jahre?
Mark Heather (MHC Business Language Training): Regelmäßige Team-Meetings sind äußerst wichtig. Ich würde auch informelle z.B. zweiwöchentliche Treffen mit einzelnen Team – Mitgliedern organisieren, ein interkulturelles Teambuilding- Workshop mit Rollenspielen, Simulationen, Fallbeispielanalysen, Diskussionen kann sicher die Zusammenarbeit erleichtern.
Der Schlüssel dazu ist klare Kommunikation – nicht nur die gemeinsame Sprache an sich, sondern eine Politik der offenen Tür, Einfühlungsvermögen und regelmäßige Unterstützung.
Dr. Sabine Weiß (Berlitz Austria): Da in langfristigen Projekten erfahrungsgemäß spontan immer wieder Probleme auftauchen, muss darauf auch schnell reagiert werden. Wir haben eine Vielzahl von Seminaren, die individuell auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden und Unterstützung bieten. Seminare zu Kompetenzen aus dem Management- und Führungsbereich, aber auch zu persönlichen und sozialen Kompetenzen können mit länderspezifischen „Spielregeln“ kombiniert werden.
Mag. Alexander Koran (The Language Company): Alle 6-8 Wochen ein Impulsreferat einer Führungskraft. Gemeinsame Ausflüge, Abendveranstaltungen.
Dr. Michaela Meier (Trenkwalder Learning): Zu Beginn sollten sich alle Teammitglieder als Personen und in ihrer Rolle im Team kennenlernen. Danach gilt es gemeinsame Regeln und Lösungsmechanismen festzulegen, wie etwa bei „Unsicherheiten“ oder „Missverständnissen“ umgegangen werden soll. Das kann dann so aussehen: Nach einem Briefing wiederholt das Gegenüber: „Ich habe verstanden, dass xyz […].“
Oder in einer kritischen Situation, in der es so scheint als würde mein „Gegenüber“ etwas wollen, was absolut gegen den Projekterfolg wäre, kann ich so reagieren: „Ich halte nochmal fest, dass unser gemeinsames Ziel xyz ist.“ oder „Wir stimmen überein, dass abc die Auswirkung zzz hat. Wollen wir wirklich abc umsetzen und durch zzz riskieren unser Ziel xyz nicht zu erreichen?“. Schließlich empfehlen wir Review Meetings in Kombination mit Personal Review.
Würden Sie Unterstützung in Hinblick auf die Sprache empfehlen? Wenn ja, welche konkret?
Matthias Würth (ICUnet Austria): Die Sprache ist sicherlich ein wichtiger Aspekt. Auch wenn man landläufig annehmen sollte, dass Englisch auf einem kooperationsfähigen Niveau vorhanden ist, muss das nicht notwendigerweise so sein. Die Empfehlung unsererseits ist hier, eine entsprechende Unterstützung anzubieten. Der Return on Investment liegt klar auf der Hand: Verzögerungen in einem Projekt aufgrund von sprachlichen Missverständnissen können rasch in die Tausenden Euro gehen. Die Kosten für Sprachtrainings werden im Verhältnis dazu gering ausfallen.
Mag. Walter Grubanovitz (mind&more): Im konkreten Fall würden wir ein maßgeschneidertes Sprachtraining bereits im Vorfeld für alle empfehlen. Den Fokus legt man einerseits auf die relevante Fachsprache, andererseits aber auch auf die allgemeinen Business English-bezogenen Fachausdrücke. Das unterstützt die Teilnehmer, hilft ihnen, sich adäquat nach allgemeinen Richtlinien auszudrücken und vereinfacht die Kommunikation. Die richtigen businesstauglichen Redewendungen verschaffen Sicherheit, Seriosität und den nötigen Respekt beim Gegenüber. Nicht zuletzt versteht man sein Gegenüber besser und kann rascher auf seinen Output reagieren. Es gibt weniger Missverständnisse und ein reibungsloser Arbeitsablauf ist die Folge.
Dr. Michaela Meier (Trenkwalder Learning): Zum einen würden wir die Fachwortschatzdatenbank gemeinsam erweitern. Zum anderen Videosprachkurse zu privaten, politischen oder sonstigen Themen, um eine breitere Basis für Small Talk zu schaffen. Zuletzt empfehlen wir Online-basierte Aussprachetrainer für all diejenigen, die sich gerade am Telefon/Skype schwer tun, andere Akzente/Dialekte zu verstehen.
Mag. Alexander Koran (The Language Company): 30-er-Block Einzelunterricht innerhalb dessen jeder Teilnehmer seine Schwerpunkte selbst wählen kann.
Mark Heather (MHC Business Language Training): Kommunikation ist im Geschäftsleben wichtig, um Projekte voranzubringen, Beziehungen aufzubauen, Menschen zu überzeugen, ihren Ideen zuzuhören und ihnen zuzustimmen, Kunden zu gewinnen und zu halten und mit sensiblen Situationen umzugehen.
Einige Menschen sind sprachlich geschickter als andere, doch es gibt immer viel Raum für Verbesserungen – vor allem, wenn Sie in einer Fremdsprache arbeiten. Mit einem berufsbezogenen Sprachtraining und einer konstanten Unterstützung im sprachlichen Bereich kann man an den sprachlichen Feinheiten immer wieder arbeiten.
Ich würde für ein interkulturelles Team einen Sprachtrainer vorschlagen, der regelmäßig zu bestimmten Zeiten für das Team da ist und die Teammitglieder bei konkreten Anliegen und sprachlichen Problemen unterstützt. Man geht ja davon aus, dass man die Team-Sprache bereits beherrscht, so dass das klassische Sprachtraining nicht wirklich etwas bringt.
Die Gesprächspartner
Dr. Sabine Weiß Berlitz Austria GmbH Dr. Karin Schreiner Intercultural Know How – Training & Consulting Matthias Würth, MSc ICUnet.AG Dr. Michaela Meier Trenkwalder Learning GmbH Mag. Walter Grubanovitz mind & more Sprachtraining Mark Heather MHC Business Language Training GmbH Mag. Alexander Koran The Language Company Sprachinstitut GmbH |