Ein klar definierter Projektauftrag – als Teil vom Projekthandbuch – gibt die nötige Struktur. Wie wichtig Handbuch und Auftrag sind, erfrage ich in einem Experten-Interview.
Interview: Projektauftrag & Projekthandbuch
Weshalb ist ein klarer und gut definierter Projektauftrag, als Teil des Projekthandbuchs, so wichtig?
Mag.(FH) Alexander Peschke (next level consulting): Weil dieser den Rahmen bildet, in dem sich der Projektleiter mit dem Kernteam dann frei bewegen sollte. Für mich sind vor allem die Ziele und Nicht-Ziele relevant und eine Herausforderung. Natürlich auch das Projektende und das Projektbudget. Bevor man wertvolle Zeit in eine Detailplanung investiert, sollten sich Projektleiter und Projektauftraggeber über die Erwartungen an die Projektergebnisse unterhalten.
Mag. Lorenz Gareis (Roland Gareis Consulting): Je früher die Phase, desto größer die strategische Bedeutung! Der Projektauftrag ist ein Ergebnis des Projektinitiierens und stellt die Grundlage für den Start des Projekts dar. Es geht also darum, aus strategischer Sicht die wesentlichen Pflöcke einzuschlagen. Das verdient viel Aufmerksamkeit – insbesondere vom Management. ‚Fail fast‘ ist die Devise! Ein schwammiger Projektauftrag mit unklaren Zielen erspart zwar in einer frühen Phase Arbeit, das trifft einen jedoch zu einem späteren Zeitpunkt im Projekt mit voller Wucht. Häufig entsteht aus unklaren Projektaufträgen ein enormer Mehraufwand im Projekt.
Außerdem ist es eine Frage des Respekts im Umgang miteinander. Ein Projektteam in ein Projekt zu schicken ohne vorab eine gemeinsame Sichtweise zur Abgrenzung des Projekts und dem angestrebten Business Value hergestellt zu haben, ist in meinen Augen respektlos. Denn wenn ich nicht weiß, was von mir erwartet wird und welchen Nutzen meine Leistung stiften wird, bin ich orientierungslos und entscheidungsunfähig. Man nimmt dem Projektteam damit die Chance sich zu motivieren. Ein kostspieliger Fehler!
Welche Projektmanagement-Kompetenzen braucht es, um einen schlüssigen Projektauftrag geben zu können?
Mag. Lorenz Gareis (Roland Gareis Consulting): Das A und O ist eine „ganzheitliche“ Abgrenzung des Projekts. Projekte werden in der Praxis häufig zu eng geschnitten. Ein Beispiel: ein IT-Projekt hat natürlich nicht nur infrastrukturelle Ziele (HW/SW), sondern auch organisatorische Ziele (Anpassung von Prozessen, von Stellenbeschreibungen bis hin zur Anpassung von Organigrammen) und personelle Ziele (Befähigung von Usern, des IT Supports etc.).Werden Projekte zu eng abgegrenzt, stiften die gelieferten Ergebnisse am Ende des Projekts keinen Nutzen für die Organisation, da sie nicht eingesetzt werden können. Sie schaffen also keinen Business Value. Damit stellen sie eine Suboptimierung dar.
Mag.(FH) Alexander Peschke (next level consulting): Ich würde es nicht PM-Kompetenzen nennen, aber den Mut verständliche und gut messerbar Ziele zu formulieren. Natürlich auch die Erfahrung, vor allem bei neuartigen Themen, zu diesem frühen Zeitpunkt die Projektdurchlaufzeit, die erforderlichen Kompetenzen/Ressourcen und das Budget zu ermitteln. Ich denke es ist jedoch auch legitim, bereits mit dem Projektkernteam Detailpläne zu erstellen und davon Informationen für den Projektauftrag zu konsolidieren!
Wie wird die Rolle des Projektauftraggebers in der Praxis gelebt?
Mag. Lorenz Gareis (Roland Gareis Consulting): Sehr unterschiedlich. Die Rolle des Projektauftraggebers ist zu 75% erfolgsentscheidend in Projekten. Wird sie nicht adäquat wahrgenommen, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Die häufigsten Probleme die ich in der Praxis beobachte:
- Projektauftraggeber, die zu hoch in der Hierarchie angesiedelt sind: die Rolle ist mit Führungskräften zu besetzen. Diese sollten jedoch so niedrig wie möglich in der Hierarchie angesiedelt sein. Es sollte jene Führungskraft sein, die am meisten vom Projektergebnis profitiert. Nur dann bekommt das Projekt ausreichende Aufmerksamkeit vom Projektauftraggeber, weil es ihm ein persönliches Anliegen ist.
- Projektauftraggeber-Teams, die aus mehr als 3 Personen zusammengesetzt sind: je größer das Projektauftraggeber-Team, umso größer die Gefahr, dass man sich in der Anonymität verliert. Entscheidungen werden verschleppt, Zuständigkeiten sind nicht eindeutig geklärt, Termine können nicht eingehalten werden… All das lähmt das Projekt!
Mag.(FH) Alexander Peschke (next level consulting): Sehr unterschiedlich. Ich behaupte jedoch, dass häufiger Projektleiter ihre Rolle sauber wahrnehmen, als Projektauftraggeber. Letztendlich ist es eine kulturelle Frage, ob sich der Projektauftraggeber bereits in der Beauftragung und im Projektstart Zeit nimmt, Ziele oder Projektpläne zu diskutieren oder sich erst am Ende oder bei Problemen für das Projekt oder dessen Ergebnisse im Detail interessiert. Es gibt auch Situationen wo es einen Lenkungsausschuss oder zusätzlich einen Projektesteuerkreis gibt, wo es unterschiedliche Sichtweisen und unklare Entscheidungskompetenzen gibt, bis hin zu keinem oder zumindest einer unklaren Besetzung der Rolle des Projektauftraggebers.
Wie wird bei Ihnen intern der Projektauftrag und der Rolle der Projektauftraggebers gelebt?
Mag.(FH) Alexander Peschke (next level consulting): Das ist eine hinterhältige Frage. Letztendlich hängt sehr viel am Management, welche Dinge auch eingefordert werden. Wenn man nicht danach fragt, erstellt selten jemand einen sauberen Projektauftrag, aber aktuell ist der Projektauftrag doch sehr etabliert, vor allem wenn man es mit einer Stakeholderanalyse oder einem Ressourcenplan vergleicht.
Bei den größeren Projekten, wo es meist sogar einen Projektlenkungsausschuss gibt, wir die Rolle teilweise vorbildlich gelebt, aber selbst bei uns gibt es Vorhaben, wo es mit dem Auftraggeber wahrscheinlich nur eine konstituierende und eine abschließende Projektauftraggeber-Sitzung gibt.
Die Gesprächspartner
Mag.(FH) Alexander Peschke next level consulting Mag. Lorenz Gareis Roland Gareis Consulting GmbH |