Als Studienbereichsleitung wurde ich im aktuellen „Corona-Semester“ oftmals überrascht, wie kurzfristig und dennoch erfolgreich Lehrveranstaltungen plötzlich virtuell durchgeführt werden konnten.
Autorin: Christina Schweiger
Dazu habe ich mit Barbara Kump und Joachim Schwendenwein, zwei externen Lehrenden aus dem Studienbereich „Personal & Organisation“, ein Interview geführt. Es gewährt einen Einblick wie es gelungen ist, sogar ein Organisationslaboratorium virtuell durchzuführen.
Interview-Fragen
Ihr habt für die FHWien der WKW eine 5-tägige Organisationsdynamik-Lehrveranstaltung mit 73 Teilnehmern in Minecraft abgehalten. Wie war das?
Barbara Kump: Das war ein großes Abenteuer! Wir halten ja seit 2014 für die FHWien das Organisationslaboratorium, kurz OLab, jährlich live in einem Seminarhotel ab. Für 2020 war alles schon fix und fertig geplant. Dann kam Corona und wir standen vor der Herausforderung das OLab in kürzester Zeit in den virtuellen Raum zu transferieren. Aber wir sind seit 2017 in unserem Staff-Team aus Babette Brinkmann, Matthias Lang, Andrea Schaffar, Joachim Schwendenwein und mir sehr eingespielt und Krisen-erprobt. Dadurch war es möglich, das in so kurzer Zeit neu zu denken.
Joachim Schwendenwein: Zum Glück konnten wir dabei auf einer Geschichte kontinuierlicher Innovation aufbauen, weil wir das Grunddesign seit 2014 Jahr für Jahr weiterentwickelt haben. Die Frage war, wie kriegen wir das so in ein online-Setting, dass möglichst viel vom Potenzial eines OLabs erhalten bleibt.
Was ist denn das Besondere an einem OLab?
Joachim Schwendenwein: Das Olab als erfahrungsorientiertes Lernarrangement steht in der Tradition des Action-Learning-Ansatzes. Es erlaubt den Teilnehmern die Gestaltung, Erfahrung und Reflexion wesentlicher Organisationsphänomene (Prozesse, Strukturen, Interaktionsmuster) aus nächstmöglicher Nähe.
Barbara Kump: Es wird über ein paar Tage weg – sozusagen im Zeitraffer – eine Organisation aufgebaut. Die Teilnehmer können im Hier und Jetzt Organisationsprozesse erleben und darüber reflektieren. Das ermöglicht umfassendes und praxisrelevantes Lernen über Organisationen in unvergleichlicher Intensität und Dichte.
Was ist speziell am Design des OLabs der FHWien?
Joachim Schwendenwein: 2014 haben wir klassisch gruppendynamisch gestartet. Die Teilnehmer hatten den Auftrag, ‘from Scratch’ eine lernende Organisation zu bauen und anhand dieses Prozesses etwas über Organisationen zu lernen. In diesem klassischen Setting stehen Großgruppen-Prozesse mit den entsprechenden Delegations-, Hierarchisierungs- und Entscheidungsfindungsproblematiken beim „Bau“ einer Organisation im Vordergrund.
Barbara Kump: 2015 wollten wir Dynamiken rund um formale Führung und Geführt-Werden noch stärker erlebbar machen und haben deshalb eine Leitungsebene ins Design aufgenommen. Andrea Schaffar kam in den Staff und wir haben eine Social Media Komponente integriert, um den Einfluss von Twitter, Facebook & Co auf die Organisationsdynamik mit in den Blick zu nehmen.
Joachim Schwendenwein: 2016 haben wir an die Abteilungen auch funktionale Mandate, wie z.B. Produktportfolio, Personalmanagement etc. vergeben. So wurden laterale Führung ermöglicht, Charakteristika einer Matrix-Organisation sowie Dynamiken von Aus- und Umbau bereits bestehender Organisationen erlebbar.
Barbara Kump: Seit 2017 läuft die Kooperation mit der TH Köln und Babette Brinkmann und Matthias lang kamen dazu. Dadurch wuchs die Studierendenanzahl auf ca. 70 Teilnehmer und die Heterogenität stieg. Seit damals lautet der Auftrag an die Studierenden, typische Organisationserlebnisse zu „produzieren“ und erlebbar zu machen.
Joachim Schwendenwein: 2018 und 2019 strukturierten wir die Divisionen nach drei unterschiedlichen Organisationslogiken – Hierarchie, Holacracy, Unternehmensdemokratie. Dadurch wurde es für die Studierenden möglich, die jeweils unterschiedlichen Dynamiken von Kommunikation, Zusammenarbeit, Führung etc. zu erleben und vergleichen.
Barbara Kump: Ein ähnliches Design war auch für 2020 vorgesehen. Und dann kam Corona. Wir haben viele Optionen diskutiert, wie wir das online machen können – irgendwann kam die Idee eines Computerspiels auf und Robert Schaffar-Taurok dazu. So war es möglich Minecraft so einzurichten, dass das Design fliegt. An dieser Stelle auch großen Dank an das Institut für Personal & Organisation, das hier wirklich Innovationsgeist bewiesen hat!
Wie kann man sich das OLab in Minecraft vorstellen?
Barbara Kump: Wir haben die 73 Teilnehmer in 4 Divisionen aufgeteilt. Zwei davon sollten sich nach den Prinzipien einer funktionalen Hierarchie und zwei nach den Prinzipien einer Unternehmensdemokratie organisieren. Jede Division hatte in Minecraft einen eigenen Startstandort und einen halben Tag Zeit, Strukturen aufzusetzen und sich ‚häuslich‘ einzurichten.
Joachim Schwendenwein: Dann erging durch uns als ‚Bauträger‘ an die Führungskräfte der Divisionen der Bauauftrag, an einem fünften Ort gemeinsam ein Veranstaltungszentrum zu entwerfen und zu errichten. Dafür galt es, zwischen den 4 Divisionen übergreifende Kommunikations- und Abstimmungsprozesse etc. zu etablieren, kurz Kooperation und Organisation (weiter) zu entwickeln. Das Bauwerk wurde am dritten Tag zeitgerecht fertiggestellt.
Barbara Kump: Als ‚Belohnung‘ gab es ein virtuelles Feuerwerk in Minecraft. Als es losging, begannen die Avatare in Minecraft spontan zu hüpfen, um ihre Freude auszudrücken. Das war ein erstaunlich emotionaler Moment in dieser Spiel-Umgebung und für uns eines von vielen Indizien, dass der Transfer in den virtuellen Raum gelungen ist.
Die Studierenden waren begeistert vom Online-Format. Wie seht ihr das in Bezug auf das Lernen?
Joachim Schwendenwein: Während des gesamten OLabs hatten wir eine Reflexionsschiene aufgesetzt. Täglich erhoben wir über Online-Befragungen die Befindlichkeit der Einzelnen, regten durch Leitfragen die Reflexion in Kleingruppen an und strukturierten in diversen Online-Großgruppenformaten den Austausch. Das mündete dann am 4. und 5. Tag des OLabs in eine intensive Prozessreflexion, um das Erlebte in die Praxis zu transferieren.
Barbara Kump: Ich war beim Lesen der Reflexionen überrascht, wie sehr sich die Lernerfahrungen im realen und virtuellen Setting ähnelten. Studierende berichteten von Unterschieden zwischen den Organisationsformen, von intransparenten Entscheidungen, Kommunikationsmustern und so weiter. Offensichtlich wurden ähnliche Dynamiken erlebbar, wie im Live-Setting.