Nach meinem Interview über die größten Employer Branding-Zugpferde drängt sich rasch die Frage auf: worauf setzen Unternehmen heute tatsächlich?
Ich bin gespannt und lade wieder meine Employer-Branding-Expertinnen und Experten ein. Mein konkretes Thema heute:“Worauf setzen die meisten Unternehmen bzgl. Employer Branding, um die Besten der Besten auf sich aufmerksam zu machen? Weshalb unterscheidet sich die Unternehmens-Realität von den ⇒ im letzten Interview besprochenen Top-Zugpferden?“
Links der HR-Branche Recruiting – Employer Branding
Flexibilität
Mag. Sandra Bascha, NEW WORK SE
Nach wie vor begehen viele Unternehmen den Fehler, sich anders zu verkaufen, als sie tatsächlich sind – das merken neue Mitarbeitenden häufig schon am ersten Arbeitstag. Die Folge: eine hohe Fluktuation und dadurch bedingt auch hohe Recruiting-Kosten.
Die Meinungen beim Thema Jobsicherheit sehr unterschiedlich: während 43% der befragten Jobsuchenden die Sicherheit als sehr wichtig einstufen, tun dies nur 27% der HR-Verantwortlichen. Beide Gruppen sind sich aber darin einig, dass das Kriterium Jobsicherheit durch die Pandemie massiv – um mehr als 60% – an Bedeutung gewonnen hat. Dieses Zugpferd sollten Unternehmen in den Vordergrund stellen, wenn es um ihr Employer Branding geht.
Und auch wenn sich die Einschätzungen der HR-Verantwortlichen sowie der Jobsuchenden bei der Frage der Wichtigkeit von flexiblen Arbeitszeiten decken, müssen sich Arbeitgeber darauf einstellen, dass flexible Arbeitsmodelle kein Nice-to-have mehr sind, sondern ein Need-to-have. Denn fast jede dritte Befragte schließt es für sich aus, in einem Unternehmen arbeiten zu wollen, das kein Homeoffice ermöglicht. Rund 45% der Talente lehnen es ab, in einem Unternehmen zu arbeiten, das keine flexiblen Arbeitszeiten ermöglicht. Flexibilität ist das Gebot der Stunde!
Das bietet aber auch meist noch unerkannte Chancen für Unternehmen: Rund 60% der Talente wären bereit, für Unternehmen in entlegenen Regionen zu arbeiten, wenn diese 100% Remote Work ermöglichen – so das Ergebnis einer Studie. Diese Entwicklung ist eine Konsequenz der Pandemie und der Erfahrungen der letzten Monate. Damit eröffnen sich gerade für Branchen, die unter Fachkräftemangel leiden, neue Perspektiven im War for Talents, die Unternehmen jetzt nutzen sollten.
Quick Wins
Ing. Mag. Gerd Liegerer, MBA, Bud & Terence GmbH
Leider dreht sich Employer Branding in vielen Unternehmen immer noch um schnelle Maßnahmen und „fancy“ Kommunikation, sprich es wird das Fundament, die Werte und die Kultur, aber auch die genaue Zielgruppen-Analyse gar nicht oder nur halbherzig gemacht.
Natürlich will man schnelle Recruiting-Erfolge und dies ist auch parallel zur strategischen Arbeit machbar, aber ohne eine glaubwürdige, authentische Basis wird die Kommunikation keinen nachhaltigen Erfolg liefern. Oft haben Unternehmen auch Angst hinzusehen, weil es ja weh tun könnte. Aber genau darin liegt die Chance, die ungenützt ein ewiges Risiko bleiben wird.
Schein versus Sein
Mag. Irmgard Prosinger, Getbestfit
Viele Unternehmen zeigen in Hochglanz-Videos wie cool und stylisch es im Büro ist und wie gefeiert wird. Ausgewählte Mitarbeiterinnen werden wie in einem Werbesport porträtiert – alle sind so happy, so chic und ja natürlich sportlich attraktiv. In den einen oder anderen Unternehmen mag das ja auch die Realität sein, aber meist sieht der Arbeitsalltag anders aus und, ja, auch meine künftigen Kollegen.
Nicht jeder Bewerber fühlt sich dadurch angesprochen, vielleicht entsteht damit sogar eine Hemmschwelle, sich hier zu bewerben. Immer wieder sehen wir, dass sich Unternehmen verleiten lassen, sich „schöner“ darzustellen als man als Arbeitgeber ist. Die Kunst hier liegt darin, zu erkennen was das Besondere ist und dieses authentisch darzustellen. Alles andere erzeugt Enttäuschungen auf allen Fronten und ist ein Schuss nach hinten.
Employer Branding sinnvoll umsetzen | Blick in die Praxis