Jan Helwerth ist seit knapp 10 Jahren im HR-Bereich der Bosch Power Tools GmbH. Wir sprechen darüber, wie Bosch trotz schwieriger Rahmenbedingungen den Besetzungsprozess optimierte und somit mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schneller eingestellt werden konnten. Die Fragen zu Talent Acquisition stellte Heiko Hofmann, Business Circle
Gastautor: Heiko Hofmann (Business Circle)
Interview-Partner: Jan Helwerth, MSc
Interview-Fragen
- Seit wann fokussieren Sie sich auf Talent Acquisition?
- Über welche Kanäle machen Sie auf Ihr Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber aufmerksam?
- Mit welchen Kennzahlen messen Sie den Erfolg Ihrer Prozesse?
- Beschäftigen Sie sicheher mit dem blue-collar oder dem white-collar Bereich?
- Spüren Sie einen Fachkräftemangel eher im technischen oder im Verwaltungsbereich?
- Wie gestalten Sie den Onboarding-Prozess?
- Eine Frage zum Bildungssystem: ...
- Wie gestalten Sie laufenden Qualifikations- und Weiterbildungsprozesse?
- Welches Mindset braucht Talent Acquisition, um nicht rein aus dem HR zu kommen?
- Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie werden jetzt das erste Mal auf der PoP vortragen ...
Talent Acquisition in der Praxis
Sehr geehrter Herr Helwerth, Sie sind jetzt seit fast 10 Jahren in unterschiedlichen Personalpositionen bei Robert Bosch Power Tools tätig, seit wann fokussieren Sie sich auf Talent Acquisition?
Das Thema Talent Acquisition hat mich seit Beginn begleitet, da das Rekrutieren von Kandidaten und die Stellenbesetzung zu den Grundlagen der Personalarbeit gehören. Ich war früh überzeugt, dass dies eine maßgebliche Kompetenz von guten Personalbereichen sein muss, um ein Unternehmen langfristig nach vorne zu bringen. Nur mit den passenden Menschen und damit einer soliden Auswahl können Unternehmen langfristig erfolgreich sein. Im Rahmen der agilen Transformation von Bosch Power Tools hatte sich dann 2019 die Chance ergeben, den Fokus auf den Aufbau eines national agierenden Talent Acquisition Teams zu legen und ein Konzept für die weltweite Implementierung mit zu entwickeln. Da war mir klar, ich lasse meine Rolle als HR Business Partner hinter mir und fokussiere mich darauf.
Über welche Kanäle - abseits der klassischen Inserat-Werbung - machen Sie auf Ihr Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber aufmerksam?
Klassische Werbung über Print oder Out of Home machen wir kaum noch, weil hier aus unserer Sicht das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr in Relation steht. Zudem haben diese klassischen Medien den großen Nachteil, dass hier eine Analyse der Wirksamkeit kaum möglich ist, vergleicht man es beispielsweise mit online Marketing Aktivitäten. Daher setzen wir den Fokus klar im Bereich online Marketing. Es beinhaltet das Erstellen und Verbreiten von Content, aber auch klassische Awareness Kampagnen. Vor allem kann so nicht nur national, sondern auch international Aufmerksamkeit generiert werden.
Mit welchen Kennzahlen messen Sie den Erfolg Ihrer Prozesse?
Grundsätzlich tracken wir viele verschiedene KPIs. Hier legen wir einen besonderen Fokus auf die Stellenbesetzungszeit, die Anzahl an Bewerberinnen, die Passung zwischen Kandidaten und Stelle aber auch alle KPIs, die aus dem Bereich online Marketing bekannt sind (Conversion rate, Impressions,…).
Beschäftigen Sie sich im Staffingprozess eher mit dem blue-collar oder dem white-collar Bereich? Oder gibt es da ohnehin kaum Unterschiede?
Grundsätzlich setzen wir im deutschsprachigen Raum den Fokus auf die Besetzung von white-collar Mitarbeiterinnen, da wir hier deutlich größere Engpässe haben. Prozessual gibt es hierbei jedoch wenige Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf den Staffing-Prozess.
Daran anschließend: Spüren Sie einen Talent- und Fachkräftemangel eher im technischen oder eher im Verwaltungsbereich?
Aktuell spüren wir einen Mangel an potenziellen Kandidaten in allen Bereichen. Betrachtet man die Zahlen was das Verhältnis von offenen Stellen in Bezug zu Arbeitsuchenden so schlecht (aus Perspektive der Arbeitgeber) wie noch nie. Natürlich sind technische Experten schwer zu finden, jedoch haben wir auch in kaufmännischen Bereichen inzwischen ein ähnliches Bild. Sogar HR-Mitarbeiterinnen werden inzwischen rar.
Wie gestalten Sie den Onboarding-Prozess? Haben Sie hier etwas verändern oder optimieren können?
Seit fast 4 Jahren haben wir bereits einen großen Fokus auf das Thema Onboarding gelegt, da es in unserem Interesse ist, dass uns neue Mitarbeiter schnellstmöglich unterstützen können. Zudem haben wir auch gelernt, dass eine super Experience im Staffing durch ein schlechtes Onboarding zunichte gemacht werden kann. Daher haben wir den gesamten Prozess überarbeitet und an den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen ausgerichtet. Auch dies messen wir im Rahmen der Employee Experience kontinuierlich, um notfalls rechtzeitig eingreifen zu können.
Eine Frage zum Bildungssystem: Produziert es die geeigneten Talente für die Herausforderungen von morgen und wo würden Sie den Hebel zuerst ansetzen, wenn Sie hier etwas verändern könnten?
Naja, ich glaube aktuell erleben wir hierbei ebenfalls große Veränderung in die richtige Richtung. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich unser Bildungssystem noch deutlich verbessern kann, wenn es um aktuelle Themen und auch um Digitalisierung geht. Auch ein rein theoretisches System wie es aktuell weit verbreitet ist sehe ich eher kritisch, da die Übertragungsleistung sonst zu kurz kommt.
Die Halbwertszeit des Wissens wird immer kürzer, wie gestalten Sie laufenden Qualifikations- und Weiterbildungsprozesse?
Das stimmt. Grundsätzlich ist mein und unser Verständnis als Unternehmen, dass jede Mitarbeiterin selbst für die Entwicklung verantwortlich ist. Natürlich unterstützen wir, jedoch muss die Initiative von den Mitarbeitern kommen. Nur so lassen sich individuell passende Pläne entwickle und die Interessen des Unternehmens und der einzelnen Person am besten verbinden. Grundsätzlich erwarten wir, dass sich unsere Mitarbeiterinnen auf dem Laufenden halten und die entsprechenden Trends sehen.
Welches Mindset, welche Philosophie wünschen Sie sich allgemein im Unternehmen, damit Talent Acquisition nicht allein Sache des HR Managements bleibt?
Das ist schwer zu sagen, aber aus meiner Sicht steht über allem ein entrepreneurial Spirit. Unternehmertum wird immer wichtiger und relevant für jede Position. Wenn Führungskräfte aus unternehmerischer Perspektive verstehen, wie wichtig das Einstellen der richtigen Mitarbeiter ist, bin ich mir sicher, dass die Priorität des Prozesses nicht mehr nur bei HR liegen wird.
Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie werden jetzt das erste Mal auf der PoP vortragen - ist das auch Ihr erster Live-Vortrag seit März 2020? Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich bin froh, dass es schon im vergangenen Jahr langsam und unter großen Sicherheitsauflagen wieder los ging. Daher hatte ich bereits in 2021 mehrere live Vorträge. Ich freue mich aber immer darauf, da man so wieder in den direkten Austausch mit anderen kommen kann. Daher freue ich mich sehr auf April.
Herr Helwerth, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Talent Acquisition in Tough Times – Jan Helwerth plaudert aus dem Nähkästchen der Bosch Power Tools GmbH | Praxis-Interview
Interview-Partner
Jan Helwerth, MSc ist seit 2013 in versch. Personalpositionen bei Robert Bosch Power Tools GmbH im In- und Ausland tätig. Er ist Experte für Strategic Workforce Management, Rewarding und Talent Acquisition. Am 28. April 2022 hält er einen Workshop auf der PoP.
Event-Tipp: PoP – Power of Peopple
- Datum: 28+29april2022
- Ort: Stegersbach
- Kosten: € 1.699
- Veranstalter: Business Circle
- www.businesscircle.at/…/pop-power-of-people