Antworten auf: welche Arbeitnehmenden als begünstigt Behinderte gelten, was es überblicksartig für Arbeitgebende bedeutet, sie zu beschäftigten und Details zum Thema Begünstigte Behinderte Kündigungsschutz (inkl. Behinderteneinstellungsgesetz, BEinstG, Behindertenvertrauensperson, …). Ein Verständliches Arbeitsrecht und ein Blick in die Praxis!
Das österreichische Arbeitsrecht schützt Menschen mit Behinderungen in mehrfacher Hinsicht. Insbesondere sollen Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben vor Diskriminierung und unberechtigten Beendigungen geschützt werden. Im Detail:
INHALT
- Was sind „begünstigte Behinderte“ im österreichischen Arbeitsrecht?
- Behinderteneinstellungs-Pficht
- Wann muss man eine Behindertenvertrauensperson wählen?
- Muss ein Bewerber oder Arbeitnehmender seine Behinderung offenlegen?
- Schutz vor Diskriminierung
- Begünstigte Behinderte Kündigungsschutz
- Kein besonderer Entlassungsschutz
Was sind „begünstigte Behinderte“ im österreichischen Arbeitsrecht?
Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG)
Der Begriff der begünstigen Behinderten ist im Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) geregelt: Begünstige Behinderte sind österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, Unionsbürger, EWR-Bürgerinnen, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige, Flüchtlinge (sofern ihnen Asyl gewährt wurde) und Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, sofern alle diese genannten Personen einen Grad der Behinderung von mindestens 50% haben. Das bedeutet, die Erwerbsfähigkeit muss um mindestens 50% gemindert sein. Der Grad der Behinderung muss außerdem durch einen Bescheid festgestellt sein. Das besagt das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG).
Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten müssen Arbeitnehmende mit einer rechtskräftigen Entscheidung nachweisen. Nicht jedes Dokument, das Bewerbende oder Arbeitnehmende vorweisen, ist ein Bescheid bzw. eine rechtskräftige Entscheidung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG).
Hinweis zum Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG): Arbeitgebende sollten genau prüfen, ob ein Bescheid bzw. eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Das macht insbesondere auch im Fall einer beabsichtigten Kündigung einen enormen Unterschied!
Behinderteneinstellungs-Pficht
Pflicht zur Beschäftigung begünstigter Behinderter
Alle Arbeitgebenden (auch der Bund, Länder und Gemeinden), die in Österreich 25 oder mehr Arbeitnehmende (AN) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Arbeitnehmer mindestens einen begünstigt behinderten Arbeitnehmer (BB) einzustellen. Beträgt die Gesamtzahl der AN 25-49, ist 1 BB einzustellen. Wenn die Gesamtzahl der AN 50-74 beträgt, sind 2 BB einzustellen. Beträgt die Gesamtzahl der AN 75-99, sind 3 BB einzustellen, usw.
Bei der Berechnung der Anzahl der AN werde alle im gesamten Bundesgebiet beschäftigten echten Arbeitnehmenden herangezogen. Nicht zu berücksichtigen sind freie Dienstnehmende, Lehrlinge, begünstigt behinderte Beschäftigte sowie Inhabende von Opferausweisen.
Hinweis: Die Anzahl der zu beschäftigenden begünstigt Behinderten ist nicht pro Niederlassung oder Betriebsstätte zu verstehen, sondern pro Arbeitgebendem im Bundesgebiet.
Und wenn keine bB eingestellt werden….
Erfüllen Arbeitgebende die oben beschriebene Beschäftigungspflicht nicht, so stellt das Sozialministeriumservice jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr einen Bescheid aus und schreibt die sogenannte Ausgleichstaxe vor. Die Höhe der Ausgleichstaxe wird jährlich angepasst.
Für das Kalenderjahr 2023 müssen Arbeitgebende, die weniger als 100 AN beschäftigen, monatlich EUR 292,00, jene, die 100 oder mehr AN beschäftigen, monatlich EUR 411,00 und jene, die 400 oder mehr AN beschäftigen, monatlich EUR 435,00 zahlen.
Behindertenvertrauensperson – Wann muss man eine wählen?
Sobald in einem Betrieb dauernd mindestens fünf begünstigte Behinderte beschäftigt sind, ist eine Behindertenvertrauensperson sowie eine Stellvertretung zu wählen. Bei der Wahl muss man beachten, dass man ab einer Zahl von dauernd mindestens 15 begünstigten Behinderten für jede Behindertenvertrauensperson zwei Stellvertreter wählen muss und ab dauernd mindestens 40 begünstigten Behinderten drei Stellvertreter.
Wählbar sind alle begünstigten Behinderten des Betriebes, die am Tag der Wahl bereits seit mindestens sechs Monaten im Betrieb beschäftigt sind und das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Funktionsperiode beträgt fünf Jahre.
Die Behindertenvertrauensperson hat eine beratende und überwachende Funktion. Sie hat die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und auch kulturellen Interessen der begünstigten behinderten Arbeitnehmenden im Einvernehmen mit dem Betriebsrat wahrzunehmen. Der Behindertenvertrauensperson sowie ihren Stellvertretern sind gewisse Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernisse sowie Sacherfordernisse zur Verfügung zu stellen.
Muss ein Bewerber oder Arbeitnehmender seine Behinderung offenlegen?
Nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) trifft die Arbeitnehmenden keine Pflicht, den Arbeitgebenden von der Eigenschaft als begünstigte behinderte Person zu informieren. Laut Rechtsprechung gibt es eine Mitteilungsobliegenheit der Arbeitnehmenden, da die Behinderteneigenschaft unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat. Die Rechtsprechung leitet diese Obliegenheit aus der Treuepflicht der Arbeitnehmenden ab.
Hinweis: Die Meldepflicht reicht nicht so weit, dass Arbeitnehmende ihren Arbeitgebenden eingeholte medizinische Gutachten oder sonstige relevante medizinische Unterlagen vorlegen müssen. Arbeitgebende dürfen dies auch nicht verlangen.
Erlangt der Arbeitgebende erst im Zuge der Vorschreibung zur Entrichtung der Ausgleichstaxe, dass einer der Arbeitnehmenden eine begünstigt behinderte Person ist, kann er die Rückzahlung von DB, DZ und KommSt beantragen. Für den Rückerstattungsantrag besteht eine Frist von fünf Jahren.
Schutz vor Diskriminierung
Um behinderte Arbeitnehmende in Österreich vor Diskriminierung zu schützen, sieht das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) einen besonderen Schutz für diese vor. Dieser Schutz umfasst Diskriminierungen von bei
- der Begründung von Arbeitsverhältnissen,
- der Festsetzung des Entgelts,
- der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen,
- dem beruflichen Aufstieg,
- insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen) und
- der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.
- Ebenso ist der Schutz vor Diskriminierung durch Belästigung umfasst.
Werden behinderte Arbeitnehmende diskriminiert, haben diese Anspruch auf Ersatz sowohl des erlittenen materiellen als auch immateriellen Schadens. Im Fall einer Diskriminierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die betroffene Person darüber hinaus die Möglichkeit, die Beendigungserklärung gerichtlich anzufechten.
Spezialfall: Wird die Bewerbung einer behinderten Person nicht berücksichtigt, so kann diese vom Arbeitgebenden € 500 fordern. Wurde die Bewerbung jedoch berücksichtigt und hat die behinderte Person die Stelle aufgrund der Behinderung nicht erhalten, so stehen ihr mindestens zwei Monatsgehälter zu.
Begünstigte Behinderte Kündigungsschutz
Für die Praxis besonders wichtig ist der besondere Kündigungsschutz: Begünstigt Behinderte kann man nur nach Zustimmung des Behindertenausschusses, nach Anhörung des Betriebsrates und der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter)/der Personalvertretung kündigen.
Bevor Arbeitgebende das Kündigungsverfahren vor dem Behindertenausschuss, der bei den Landesstellen des Sozialministeriumservice eingerichtet ist, einleiten, müssen sie den Betriebsrat, die Personalvertretung und die Behindertenvertrauensperson von der Kündigungsabsicht informieren. Diese können innerhalb einer Woche Stellung nehmen.
Hinweis (Begünstigte Behinderte Kündigungsschutz): Wenn begünstigt Behinderte gleichzeitig Betriebsratsmitglied oder Behindertenvertrauensperson (bzw Stellvertreter) sind, muss man die Zustimmung zur Kündigung beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht beantragen.
Die Gründe für die Erteilung der Zustimmung sind im Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) genannt. Bei der Entscheidung, ob die Kündigung von begünstigt Behinderten zulässig ist, muss der Behindertenausschuss die besondere Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmenden berücksichtigen. Zugleich muss sich der Behindertenausschuss damit befassen, ob den Arbeitgebenden die Fortsetzung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses zugemutet werden kann. Eine Kündigung ohne vorherige Einholung einer Zustimmung ist unwirksam.
Begünstigte Behinderte Kündigungsschutz: Stichtag 1jan2011
Für Arbeitsverhältnisse, die man vor dem 1jan2011 begründete, gilt: Der besondere Kündigungsschutz kommt erst nach einer Beschäftigung von sechs Monaten zur Anwendung.
Für Arbeitsverhältnisse, die man nach 1jan2011 begründete bzw begründen wird, gilt: Der besondere Kündigungsschutz kommt für einen Zeitraum von vier Jahren nicht zur Anwendung, wobei es davon wiederum Ausnahmen gibt.
Hinweis: Besteht die Absicht, einen begünstigt behinderten Arbeitnehmenden zu kündigen, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen im Detail geprüft werden!
Kein besonderer Entlassungsschutz
Begünstigt Behinderte sind zwar besonders kündigungsgeschützt, aber nicht besonders entlassungsgeschützt. Bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes können sie daher entlassen werden. Die Zustimmung des Behindertenausschusses ist im Fall der Entlassung nicht erforderlich.
War die Entlassung unberechtigt, haben begünstigt Behinderte ein Wahlrecht, ob sie die unberechtigte Entlassung gegen sich gelten lassen wollen oder ob sie das Arbeitsverhältnis fortsetzen möchten.
- Lt. Sozialministeriumservice: „Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 %.
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