Wem gegenüber fühlen sich Mitarbeitende eigentlich konkret verbunden? Für Sigrid Maxl-Studler zeichnen sich in der Praxis 4 Ebenen ab und sie leitet daraus Handlungsfelder für Unternehmen ab:
Autorin: Sigrid Maxl-Studler
In Krisen und herausfordernden Zeiten, wie wir sie in den letzten Monaten bzw. Jahren verstärkt erleben, rücken elementare Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt, Ängste machen sich breit. Menschen reflektieren stärker und überdenken dabei auch die berufliche Situation – nicht nur in finanzieller Hinsicht. Hinzu kommt eine große Anzahl an Ausschreibungen, die dazu beiträgt, dass selbst zufriedene Mitarbeitende ihre aktuelle Position bzw. ihren Arbeitgeber in Frage stellen.
Das Thema Mitarbeiterbindung ist für heimische Unternehmen in Tagen stark steigender Fluktuation und Arbeitskräftemangel präsenter denn je zuvor. Armutat (2014) beschreibt Mitarbeiterbindung als ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Unternehmen, um in weiterer Folge Leistung zu erbringen und loyal gegenüber dem Unternehmen zu sein. Je stärker diese Bindung zur Organisation ist, desto motivierter und leistungsfähiger sind im Allgemeinen die Mitarbeitenden.
Verbundenheit in Krisenzeiten
Wem gegenüber fühlen sich Mitarbeitende eigentlich konkret „verbunden“? Gemäß WOLF (2018) ist Mitarbeiterbindung stets auf etwas oder jemanden gerichtet. Dabei sind es vor allem vier Ebenen, die sich in der Praxis zeigen:
1. Unternehmensbezogene Mitarbeiterbindung
In der Vergangenheit wurde Mitarbeiterbindung meist in Verbindung zum Unternehmen allgemein verstanden, die teils sogar über Generationen anhielt. Heute kommt es nur mehr selten zu dieser intensiven Form der Verbundenheit; die lebenslange Zugehörigkeit ist zum Auslaufmodell geworden. Die Bindung zur Unternehmensleitung, zu einer Inhaberfamilie oder zum Top-Management kann aber als großer Treiber gesehen werden, wenn sie authentisch erwidert wird.
2. Aufgabenbezogene Mitarbeiterbindung
Für manche Menschen ist Beruf zugleich Berufung. Auch diese Aufgabenbindung ist unter Mitarbeiterbindung zu zählen. Erst wenn sich Aufgaben eines Berufes verändern, kehren diese ihrem Beruf den Rücken zu oder versuchen Wege zu finden, um sich weiter den gewohnten Aufgaben zu widmen.
3. Vorgesetztenbezogene Mitarbeiterbindung
Führungskräfte nehmen als emotionale Repräsentanz des Unternehmens eine zentrale Rolle ein – sowohl für das Entstehen positiver, als auch negativer Bindung. Entscheidend ist vor allem das Führungsverhalten der bzw. des unmittelbaren Vorgesetzten.
4. Team- und kollegenbezogene Mitarbeiterbindung
Mitglieder von eingespielten Teams zeigen oftmals eine starke Teambindung auf. Liegt diese vor, steigt zudem auch die Performance. In extremer Form kann die Teambezogenheit sogar so weit gehen, dass Mitarbeitende als Team gemeinsam das Unternehmen wechseln.
Vergleicht man die vier Bezugsrichtungen, so weist speziell die selten gewordene unternehmensbezogene Bindung die niedrigste Fluktuationsneigung auf. Zudem ist eine hohe Aufgabenbindung alleine selten wirkungsvoll.
Den Dingen auf den Grund gehen
Die vier dargestellten Ebenen zeigen mögliche Richtungen auf, um die Bindung von Mitarbeitenden zu unterstützen. Nachfolgende Fragestellungen können dazu beitragen, das eigene Unternehmen zu durchleuchten und Handlungsfelder zu ermitteln:
Leitfragen für die Unternehmensführung
- Was kann die Unternehmensleitung tun oder unterlassen, um Stabilität und Klarheit in unsicheren Zeiten zu vermitteln?
- Wie und über welche Wege gelingt es, das Unternehmensimage nachhaltig zu stärken?
- Für welche Werte steht das Unternehmen? Sind diese Werte auch authentisch bzw. werden diese tatsächlich (vor)gelebt?
Leitfragen für das Personalmanagement
- Welche Maßnahmen können die physische und psychische Gesundheit verbessern?
- Welche materiellen und immateriellen Anreize bzw. Perspektiven können ermöglicht werden?
- Was wird unternommen, um individuelle Entwicklungsanliegen zu erfahren und in weiterer Folge zu unterstützen?
- Was kann unternommen werden, um das Betriebsklima weiter zu verbessern?
Leitfragen für Führungskräfte
- Wie kann ich als Führungskraft Sinn und Orientierung geben?
- Wie kann ich als Führungskraft eine Kultur des Vertrauens aufbauen und das Vertrauen innerhalb des Teams stärken?
- Was kann unternommen werden, um das Teamklima weiter zu verbessern?
Führungskräften nehmen insbesondere in Krisenzeiten eine zentrale Rolle ein, befinden sich aber selbst in einem großen Spannungsfeld: Engpässe, Personalmangel und (Kosten-)Druck steigen, gleichzeitig gilt es Sicherheit, Zuversicht und Klarheit zu vermitteln sowie bestehende Mitarbeitende zu motivieren bzw. ihre individuellen Bedürfnisse zu erkennen. Gutes Selbstmanagement und unterstützende Angebote für Führungskräfte sind daher essenziell.
Alles in allem ist Bindung ist eine sehr dividuelle Angelegenheit. Was bei wem wirkt und was nicht, gilt es herauszufinden. Ein echtes Bemühen zu verstehen, welche tatsächlichen Bedürfnisse bei Menschen im Unternehmen vorherrschen, welche Ängste sie beschäftigen und welche Unterstützung sie benötigen, ist der erste Schritt Mitarbeitende inklusive Führungskräfte langfristig zu halten.
Literatur: Mitarbeiterbindung in unsicheren Zeiten
- Armutat, S. (2014), Retention – ein Grundverständnis. In DGFP e.V. (Hrsg.),
- Retentionmanagement für die Praxis. Erfolgsentscheidende Mitarbeiter finden und binden (Bd. 108, S. 11-44), Bielefeld, W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG
- Wolf, G. (2018), Mitarbeiterbindung – Strategie und Umsetzung im Unternehmen, Freiburg, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG